Als Hedwig François-Kettner, ehemalige Pflegedirektorin der Charité, uns im Juni 2020 einen Nachruf schickte (siehe ganz unten), waren wir zunächst ratlos. Wir haben noch nie einen erhalten. Dann kam uns eine Idee: Wir richten dauerhaft einen Artikel für Nachrufe ein. Vielleicht, so unsere Hoffnung, hilft es Ihnen ein wenig, wenn Sie uns über (ehemalige) Kollegen schreiben (oder erzählen) können, um die Sie trauern.
Der Gestorbene kann praktisch oder wissenschaftlich in der Pflege gerarbeitet haben, aber auch einem benachbarten Bereich angehört haben - etwa der Medizin, der Hauswirtschaft oder Physiotherapie. Die Länge ist nicht entscheidend: Ein paar Sätze oder drei lange Absätze - das können Sie entscheiden. Senden Sie Ihren Nachruf (wennn möglich mit Porträtfoto) an: pflege@schluetersche.de oder gaede@schluetersche.de
Prof. Dr. Walter Schär (93 Jahre)
Nach seinem Studium der Berufspädagogik an der Humboldt Universität Berlin wurde er Mitarbeiter des Instituts für Berufspädagogik und später Leiter der Abteilung Gesundheitswesen. Nach der 3. Hochschulreform der DDR (1968) entstand aus dieser Abteilung die Abteilung Medizinpädagogik an der Medizinischen Fakultät der Charité. Die Studierenden hatten alle bereits einen „mittleren medizinischen“ Beruf, beendeten das Universitätsstudium als Diplom-Medizinpädagoge*In und arbeiteten als Fachschullehrer*Innen.
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Die neue Struktur und das überarbeitete Curriculum brachten manche Anfangsprobleme mit sich, zumal Hochschullehrer aus Medizin, Pädagogik, Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften zusammenwirken mussten. Unter Prof. Schärs geschickter Führungsverantwortung konnten diese Schwierigkeiten von einem hoch motivierten Team gemeistert werden.
Um die Fachinhalte seiner Studierenden besser zu verstehen, erwarb Dr. Schär vor seiner Berufung als Hochschullehrer (1970) den Abschluss als Krankenpfleger. Der Studiengang fand früh ein hohes Interesse der Weltgesundheitsorganisation und so konnten Konzept und Inhalte von ihm international vorgestellt und in Teilen adaptiert werden.
Zahlreiche Diplomand*innen und Doktorand*innen begleitete Prof. Schär in ihrer wissenschaftlichen Arbeit und führte sie zum erfolgreichen Abschluss. Er war für viele Weiterbildungsveranstaltungen verantwortlich und durch die pädagogischen Praktika der Studierenden und Lehrproben an allen Medizinischen Fachschulen geschätzt und bekannt. Anfang der 1990-iger Jahre wurde der unikate Studiengang von der Abteilung Medizinpädagogik in das „Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft“ an der Charité umgewandelt.
Für die DDR wie für die zusammenwachsende Bundesrepublik Deutschland bedeutete der Studiengang einen Meilenstein für die fachliche Fundierung und pädagogische Vermittlung der Pflege und anderer medizinischer Fachberufe.
Walter Schär war über 50 Jahre im wissenschaftlichen Beirat der Fachzeitschrift „Heilberufe“. Sein Interesse und die Verbindung zur professionellen Pflegeentwicklung hat bis zu seinem Tod nicht abgenommen. Über viele Jahrzehnte hat er unzählige Artikel und Bücher verfasst, war Mit-Herausgeber im Huber-Verlag für sechs Folgen der „Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen“ und hat in diesem Themenspektrum auch als Ehrenamtlicher im Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) mitgewirkt.
Sein Humor und seine Lebensfreude, sein Interesse an den Menschen und ihren Wirkungsfeldern, seine Neugier und Freude an lebendigen Diskursen war bis zuletzt ungebrochen. Walter Schär hat sich auch nach seiner beruflichen Zeit große Verdienste um die Professionalisierung der Pflege erworben und sich dabei stets für strukturelle Verbesserungen in den Pflegeberufen eingesetzt. Seinen Rat und seine Impulse wie auch seine Präsenz in diesem Kontext werden wir vermissen.
Prof. Dr. Walter Schär starb am 24. Dezember 2020 im Alter von 93 Jahren in Berlin.
Wir sprechen seinen Angehörigen und Freunden unser tiefes Mitgefühl und unsere Anteilnahme aus.
Autoren: Hedwig François-Kettner, Pflegemanagerin + Beraterin, ehemalige Vorsitzende im APS
Dr. Gisela Jahn, Diplom Medizinpädagogin, ehemalige Mitarbeiterin der Abteilung Medizinpädagogik der Charité
Thomas Meißner, Vorstand Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitseinrichtungen, Fachliche Leitung Heilberufe
Professor Dr. med. Friedhelm Dietze (88 Jahre)
Sein Selbstverständnis und seine Haltung zur Pflegeprofession führte schon früh dazu, dass er „Pflege zwischen beruflicher Modernisierung und Professionalisierung“ zu einem seiner Lebensziele erklärte. Mit seiner frühen Forderung nach der Akademisierung der Pflegeprofession ist er auch in der DDR nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Trotzdem erhielt er 1980 den Auftrag von der Humboldt Universität, das Universitätsstudium „Diplom Krankenpflege“ an der Charité zu etablieren und den Lehrstuhl zu übernehmen.
Seine Stärke lag unter anderen darin, in einer multidisziplinären Teamleistung aktuelle und prospektive Probleme zu analysieren und daraus Konzepte für das Studium zu entwickeln. So entstanden die Thesen zum Verhältnis von Medizin und Pflege.
Einige der Thesen lauteten:
- Pflege und Medizin sind zwei eigenständige Gesundheitsberufe, die im Gesundheitswesen unterschiedliche Aufgaben mit gemeinsamen Zielen haben
- Die Definition der Pflege als ärztlicher Assistenzberuf ist historisch überholt. Die Berufskonstruktion der Pflege muss sich an den Regeln der Profession ausrichten, das heißt sie muss ihrem Berufswissen eine wissenschaftliche Grundlage („Pflegewissenschaft“) geben können; die Pflegenden sind bei ihrer wissenschaftlichen Emanzipation zu unterstützen und müssen mehr Eigenständigkeit in Fragen der der Ausbildung und der Ausübung ihres Berufes gewährt bekommen.
- Die angemessene Form der Kooperation kann nur die einer gleichberechtigten Zusammenarbeit miteinander und mit anderen Gesundheitsberufen sein. Eine kooperative Haltung beinhaltet auch das Erkennen einer berufspolitischen Bedeutung von zunehmender Autonomie der Pflegeberufe.
An der Humboldt Universität wurden unter seiner Leitung 327 Diplomanten qualifiziert. In der Wendeperiode wurde vom Berliner Senat 1992 entschieden, 1996, nach Beendigung der letzten Studienabgänger, den Studiengang einzustellen. Die Konzentration der politischen Entscheidungsträger, Pflegestudiengänge auf Fachhochschulen zu verweisen, hat ihn bis zuletzt sehr beschäftigt. Umso mehr freute er sich an den ersten Studiengängen an Universitäten, die inzwischen in Deutschland etabliert wurden.
Über Jahrzehnte wirkte er im wissenschaftlichen Beirat der Fachzeitschrift „Heilberufe“. Seine Kommentare waren immer weitsichtig, konstruktiv und der Sache gewidmet. Auch nach seiner Emeritierung blieb er im Thema: Es gab kaum einen Pflegekongress in Deutschland, auf dem er fehlte. Die Programme wurden vorher schon gesichtet, seine Teilnahme an interessanten Vorträgen sorgfältig geplant.
Seine Freunde beschreiben Friedhelm Dietze als einen zurückhaltenden und einfühlsamen Menschen. Nach außen ernst, zuverlässig und zu jeder Diskussion bereit, zeigte er mit seiner bedächtigen und humorvollen Art, dass auch schwierige Themen ihn immer wieder zu neuen Überlegungen herausforderten.
Friedhelm Dietze starb am 21. März 2020 im Alter von 88 Jahren in Berlin.
Wir werden ihn als Mensch, Wegbegleiter und Freund sehr vermissen – seinen Angehörigen sprechen wir unser tiefes Mitgefühl aus.
Autoren: Prof. Dr. Walter Schär, em. habil. der Charité, Hedwig François-Kettner, eh. Pflegedirektorin der Charité