Foto: Trevor Mc Kinnon/Unsplash 

Pflege als Beruf

Knigge für Zeitarbeiter    

Zeitarbeitskräfte müssen häufiger mit dem Vorwurf der Rosinenpickerei, manchmal gar der Angeberei, leben. Was sie (und Klinik oder Heim) tun können, um die Situation zu entspannen   

Die Zeitarbeit in der Pflege boomt. Zwar immer noch auf einem geringen Niveau – nur rund zwei Prozent aller Pflegekräfte sind Zeitarbeitskräfte –, aber augenblicklich sind diese Pflegekräfte durch Corona bedingt bis zum Anschlag nachgefragt. Doch vielen Pflegeheim- und Klinikbetreiber, ob privat oder wohlfahrtsorientiert, verursacht die Zeitarbeit Bauchschmerzen. Vor allem wegen der hohen Kosten, die sie nicht immer zu 100 Prozent von den Krankenkassen refinanziert bekommen. Hinzu kommen aber auch immer wieder Probleme mit Organisation und Zusammenarbeit. So zitiert die evangelische Wochenzeitung „Sonntagsblatt Jochen Keßler-Rosa, Geschäftsführer der Diakonie Schweinfurt, dass Zeitarbeiter wegen ihrer Privilegien „die Stimmung“ verdürben. Auch Michael Bauch, Betriebsratsvorsitzender im Klinikum Würzburg, äußert sich im selben Artikel kritisch: Zeitarbeitskräfte in der Pflege verursachten Spannungen in den Teams, denn sie suchten sich häufig beliebte Schichten aus und verdienten auch mehr. 

Die Gehaltsunterschiede sind nicht mehr so groß 

Der Klage über die hohen Gehälter widerspricht Daniel Renck vom Personaldienstleister CareFlex, einer Tochtergesellschaft der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg: „Die Unterschiede haben sich in den vergangenen Jahren stark verringert. Die Pflegekräfte wechseln in der Regel nicht wegen der besseren Bezahlung in die Zeitarbeit. Viel wichtiger ist vielen von ihnen sich ihre Arbeitszeit besser einteilen zu können.“ Für Pflegekräfte mit Kindern sei es zum Beispiel wichtig, mehr Zeit für den Nachwuchs zu haben, sie wollen deshalb nur halbtags arbeiten. Andere wiederum pflegen nebenbei noch ihre Eltern und möchten dies nicht anderen Pflegekräften überlassen. Oder sie wollen mehr Zeit für sich haben und nicht in Schichtdiensten versinken.

Damit wünschen sich Zeitarbeitskräfte aber gerade das, was bei den festangestellten Kollegen als Rosinenpickerei ankommt – und dann leicht zu Vorbehalten führt. Sasa (er möchte nur mit Vornamen genannt werden, sein Nachname liegt uns vor, Anm. d. Red.), der seit vielen Jahren als Zeitarbeiter in der Intensivpflege (teilweise auch in London) und außerdem als Fight-Nurse tätig ist, rät deshalb auch dazu, sich möglichst unkompliziert zu zeigen. „Ich arbeite 15 Dienste bei einer Zeitarbeitsfirma und gebe die Tage vor, aber an denen bin ich dann grundsätzlich bereit, alle Schichten zu übernehmen: Frühdienst, Spätdienst oder Nachdienst, manchmal arbeite ich auch an allen Wochenenden. Absolut flexible Arbeitszeiten zu verlangen, ist einfach unrealistisch, das habe ich gemerkt, als ich vor Jahren selbst Dienstpläne schreiben musste.“ Die Stationen würden das auch gar nicht mehr mitmachen, hat Sasa beobachtet. „Vor vier Jahren ging das vielleicht noch, aber wer heute sagt, er arbeite nur zwischen 8 und 16 Uhr, wird nicht akzeptiert.“   

Die Gastrolle ablegen: 4 Tipps für Zeitarbeiter in der Pflege 

Überhaupt kommt es bei den festangestellten Kollegen schlecht an, wenn man als Zeitarbeiter die Gastrolle zu sehr hervorkehrt. Er rät Pflegekräften, die für Zeitarbeitsfirmen arbeiten:       

  • sich auch für das Drumherum zu interessieren, etwa die Fäkalienspüle zu reinigen, Geräte wie Sauerstoffflaschen zu kotrollieren oder auf Intensivstation auch den Rea-Ruf (Reanimations-Ruf) zu übernehmen.   
  • bei einem längeren Einsatz auch die Dokumentation zu übernehmen und wirklich hilfreiche Angaben zu machen – auf Intensivstation nicht nur zu notieren „Patient war kreislaufstabil“.
  • In kleinen Krankenhäusern nicht ständig Vergleiche mit den großen Unikliniken anstellen, auf denen man in Einsätzen zuvor gearbeitet hat. „Das sind einfach unterschiedliche Welten. Wenn man darauf rumreitet, wird man schnell für überheblich, für nicht zugehörig gehalten“, sagt Sasa.       
  • nicht ständig zu betonen, dass man selbst ungebundener und flexibler arbeiten könne und dafür auch noch mehr verdiene. Diese Art der Angeberei hat allerdings stark abgenommen, meint Intensivpfleger Sasa. „Wenn es hier und da doch noch mitbekomme, ziehe ich mir den Kollegen zur Seite.“                   

CareFlex-Standortleiter Renck empfiehlt, dass die Zeitarbeitskräfte auch nach außen immer als Teil der jeweiligen Einrichtung auftreten und die dort übliche Dienstkleidung tragen. Die Klinik oder das Pflegeheim muss die Kleidung natürlich auch anbieten.

Renck appelliert an beide Seiten – Einrichtung und Zeitarbeitsfirma – für eine geschmeidige Zusammenarbeit auf Station oder im Wohnbereich zu sorgen. Sein Rezept ist eine Checkliste, die CareFlex gemeinsam mit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf erarbeitet hat. Sie ist sehr effektiv, wenn der jeweilige Pflegebertreiber sie noch vor dem ersten Arbeitstag mit der Zeitarbeitskraft gemeinsam abarbeitet.

Checkliste, damit Zeitarbeiter besser zurechtkommen    

In der Checkliste, die für Pflegeheime formuliert, aber auch auf den Klinikbetrieb anwendbar ist, geht es um:

  • Kennenlernen/Vorstellung der Leitungskräfte und Kolleginnen und Kollegen
  • umfangreiche Begehung des Pflegeheims (wo sind die Wohnbereiche, Materiallagerräume, weitere Funktionsräume etc.) 
  • Aufklärung über die Angebotsschwerpunkte des Pflegeheims
  • Abläufe innerhalb des Hauses vorstellen: Ansprechpartner, Dienstplan, Ablaufplanung, Dokumentation und Datenschutz, die hauseigenen Standards bei pflegerischen Leistungen, allgemeine Verhaltensrichtlinien, Aufgabenteilung bzw. -abgrenzung, Arbeitszeit- /Pausenregelung, Besonderheiten im Umgang mit Angehörigen
  • spezifische Anforderungen der Bewohner oder Klienten abklären: Vorstellung und Assistenzbedarf der Klienten, Behandlungspflegerische Besonderheiten, Neigungen der Klienten, Termine der Klienten
  • Verhalten im Notfall: Pläne, Verhalten im Brandfall, Ersthelfer
  • Arbeitssicherheit: Hygienevorschriften des Hauses, Geräteeinweisung

Die Checkliste darf unter keinen Umständen, wie eine lästige Formalie behandelt werden: Beide Seiten gehen sie gemeinsam durch und zeichnen am Ende beide ab, um Verbindlichkeit zu schaffen.   „Wir versuchen mit unseren Kunden immer individuelle Leistungspakete zu schnüren, damit gar keine Irritationen entstehen“, sagt Daniel Renck. „Dazu gehört auch, dass wir einen kostenlosen Einarbeitungstag anbieten. So können Kunde und unsere Zeitpflegekräfte feststellen, ob es auch wirklich passt.“ 

Autoren: Hans-Georg Sausse/Kirsten Gaede

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