Foto: jens schuenemann - jps-berlin.de

Umfrage Schlütersche Frauennetzwerk

Karriereleiter für Frauen in der Pflege? Fehlanzeige!

In Kliniken und Heimen werden Frauen selten in ihren Ambitionen gefördert, die Karriereleiter scheint eher ein Tritt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Frauennetzwerks TOP-Management Pflege

Wer heute als weibliche Pflegeführungskraft arbeitet, ist meistens in der Pflege- oder Stationsleitung (66 beziehungsweise 47 Prozent) zu finden, das ergab die erste Online-Umfrage des im März 2020 auf Initiative der Schlütersche Verlagsgesellschaft gegründeten Frauennetzwerks TOP-Management Pflege. In der Geschäftsführung sind Pflegefrauen in immerhin 37 Prozent der befragten Häuser vertreten, seltener im Vorstand (11 Prozent) oder im Aufsichtsrat (3,77 Prozent). An der Onlinebefragung hatten sich 53 Personen beteiligt, darunter in der großen Mehrzahl (73 Prozent) Frauen, die in Kliniken (30 Prozent), der stationären (22 Prozent) oder ambulanten (18 Prozent) Altenpflege tätig sind.

Klassischer Frauen-Sektor: Führungsbereich Qualitätsmanagement

Knapp 40 Prozent der Befragten gaben zudem an, die Topmanagerinnen in ihrem Unternehmen arbeiteten in „sonstigen Positionen“. Hier genauer hingeschaut, fanden sich unter dem Punkt mehrfach eine Heim- oder Residenzleitung, eine medizinische Direktorin, und, interessant: gleich mehrfach das Qualitätsmanagement. Im Schnitt, so gaben die Befragten Auskunft, sind 77 Prozent der Mitarbeiter in ihren Einrichtungen weiblich; zu zwei Dritteln spiegele sich der jeweilige Anteil auch in der Führungsebene wider.

Mehr als die Hälfte der sagt: Wir wollen nach oben!

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Von den Umfrageteilnehmerinnen selbst ist ein großer Teil bereits in einer Führungsrolle (etwa als Bereichs-, Stationsleiter oder auch, in 15 Fällen, als Pflegeleitung), nur sechs der 53 Befragten sind reine Pflegefachkräfte ohne Führungsaufgaben. Eine höhere Sprosse in ihrer Karriereleiter wollen 58 Prozent der Befragten erklimmen, lediglich 41 Prozent sind zufrieden, da, wo sie derzeit stehen.

Bei der Frauenförderung ist noch Luft nach oben, sagen 43 Prozent

Wird genug für die Frauenförderung getan? fragte die nicht-repräsentative Online-Studie weiter. „Der größte Anteil der Teilnehmerinnen (43 Prozent) sagt, da sei noch ordentlich „Luft nach oben“; ein „Ja, absolut“ können nur 28 Prozent unterschreiben. „16 Prozent berichten in der Umfrage von immerhin ‚ersten Ansätzen‘“, sagt Kerstin Werner von der Schlütersche Verlagsgesellschaft.

Jeder 5. Frau werden Steine in den Weg gelegt

Ein Verbesserungsbedarf ist offenbar auch in der Kommunikation und Mitarbeiterführung festzustellen.So gibt nicht einmal die Hälfte der Befragten an, von ihrem Vorgesetzten vor Dritten gelobt zu werden; auch in ihren Karriereambitionen unterstützt fühlen sich nur 56 Prozent; knapp ein Fünftel gab sogar an, ihnen würden „Steine in den Weg gelegt“. Ganze 75 Prozent der Befragten kennen auch außerhalb ihrer Einrichtung kein Unternehmen der Pflege- oder Gesundheitsbranche, das Pflegefrauen „hervorragend“ fördere.

Kritik an Besetzung von Pflegedirektorenstellen

Einen Eindruck, wie mit Frauen in der Pflegearbeitswelt umgegangen wird, geben die Anmerkungen, die die Befragten in offenen Kommentarfeldern hinterlassen konnten. Strukturell wurde etwa bemängelt, dass Pflegedirektorenstellen überproportional häufig mit Männern besetzt würden – „und das in einem Beruf mit einem Frauenanteil von über 90 Prozent“. Eine Befragte forderte, Führungskräftetrainings und Supervision zur Pflicht zu machen; eine weitere kritisierte, dass berufliche Weiterentwicklung zu häufig als Privatsache betrachtet würde.

Da ist von „null Feedback“ und „anbiedernder Falschheit“ die Rede

Besonders aufhorchen lassen die persönlichen Erfahrungen, die die Umfrageteilnehmer offenbar gemacht haben: So gebe es etwa „null Feedback“, alles gelte es sich „zu erkämpfen“, eine Befragte wünscht sich mehr Authentizität von Seiten der Leitung, vor allem „aufrichtige, menschliche Führungskräfte“ mit Vorbildfunktion und Teamorientierung statt „dieser anbiedernden Falschheit“. Weiter schreibt sie vielsagend: „Ein Master schützt vor Inkompetenz nicht.“ Resigniert, ja sarkastisch, was eine weitere Umfrageteilnehmerin zum Thema „Führung durch die eigene Leitungsebene“ eintrug: „Kein Kommentar dazu“ – gefolgt von einem traurigen Smiley.

Ruf nach flexiblen Arbeitszeiten und Jobsharing

Gefragt nach den Maßnahmen, die Pflegefrauen in ihrem Karrierestreben helfen könnten, kam ein ganzer Strauß an Möglichkeiten zusammen: Nachsteuern müssten Einrichtungen vor allem bei den Arbeitsbedingungen. „Flexible Arbeitszeitmodelle“, die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, Kinderbetreuungshilfen, das wünschten sich viele Kommentatorinnen. Auch ein Jobsharing müsste in Führungspositionen möglich sein.

Thema Bildung wird in Klinik und Heim zu oft ignoriert

Aber auch an der Bildung sollte nachgebessert werden: sei es in der „Grundausbildung“, die „verbessert“ gehöre und, so ein weiterer Kommentar, auch bereits Basics für Leitungsrollen vermitteln sollte. Selbst EDV-Kenntnisse oder der Umgang mit Dokumenten würden zu wenig gelehrt: „Noch immer sagten heute viele Pflegefachkräfte: 'Mit dem Computer kenne ich mich zu wenig aus'“, so eine Teilnehmerin. Aber auch Weiterbildungen, gute „aktuelle Wissensvermittlung“, auch zum Thema Selbstmanagement, sollten in der Pflege stärker gefördert und ermöglicht werden, auch während der Arbeitszeit. Für eine höhere Akademisierung sprachen sich ebenso einige Befragte aus, wünschten sich zum Beispiel eine Studienmöglichkeit, die als Arbeitszeit angerechnet werde.

Frauen müssen an ihrer Einstellung und ihrem Auftreten arbeiten

Was aber ebenfalls sichtbar wird: Frauen sind offenbar vielfach zu schüchtern, zu wenig selbstbewusst. Das lassen Kommentare vermuten, in denen gewünscht wird, Frauen könnten mehr an ihrer Einstellung oder ihrem Auftreten arbeiten. Nur wenige Frauen, so heißt es, würden sich Führung wirklich zutrauen. „Raus aus dem Schattendasein“, fordert etwa eine Schreiberin. Es wäre hilfreich, die „sozialen Kompetenzen der Pflegekräfte“ zu stärken, ihnen zu vermitteln, „auch mal Nein sagen zu können“. Auch sollten sich Frauen gegenseitig mehr unterstützen, sich weniger „als Konkurrentinnen“ sehen. Eine Teilnehmerin sprach sich ferner klar für eine Frauenquote aus, um die „gläserne Decke“ zu durchbrechen, eine weitere wünschte sich mehr Lobbyarbeit.

Frauennetzwerk: Lobbyarbeit in eigener Sache

„Bisher gilt: Frauen führen anders, aber selten! Daher ist das Frauennetzwerk TOP-Management Pflege auch als eine Art Lobbyarbeit in eigener Sache zu verstehen“, sagt Kerstin Werner. „Kontaktmöglichkeiten, Austausch und Information bilden die Eckpfeiler, damit langfristig mehr Frauen Führungspositionen in der Pflege übernehmen. Die Netzwerkerinnen können sich digital im geschützen Mitgliederbereich der Webseite und face-to-face beim ersten Communitytreffen am 21. Januar 2021 in Hannover austauschen. Wie sich das Netzwerk entwickelt, wird sich zeigen. Bisher ist die Resonanz großartig.“

Autorin: Romy König

Sie möchten am Netzwerktreffen am 21. Januar teilnehmen?

Hier geht es zum Online-Auftritt des Netzwerks mit allen wichtigen Informationen sowie dem Formular zur kostenfreien Netzwerk-Anmeldung. Für den 21. Januar 2020 ist die erste eigene Netzwerkveranstaltung in Hannover geplant. Hier erwarten die Top-Frauen aus dem Pflegemanagement unter anderem Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden – und natürlich vielfältige Möglichkeiten für Austausch und Kontaktpflege vor Ort.

Die Förderer des Frauennetzwerkes TOP-Management Pflege

Initiiert wurde das Frauennetzwerk TOP-Management Pflege von der Schlütersche Verlagsgesellschaft in Zusammenarbeit mit den Gründungspartnerinnen KORIAN, PAUL HARTMANN AG und der Medizinische Hochschule Hannover, um Führungsfrauen aus der Pflege miteinander in Kontakt zu bringen, damit sie sich vernetzen, kommunizieren und voneinander profitieren können.

Das Netzwerk bietet Impulse, Erfahrungsaustausch und gemeinsame Themen für Führungsfrauen – und solche, die es werden wollen. Neben den Gründungspartnerinnen unterstützen die Partnerinnen DAN Produkte und die Karla Kämmer Beratungsgesellschaft das Netzwerk. Weitere Partnerinnen sollen folgen.

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