Nach knapp 30 Minuten hatte Jens Spahn den Saal dann doch noch komplett auf seiner Seite. Jubel und lauter Beifall brandeten auf, als der frisch gebackene Gesundheitsminister bei der Eröffnung des Deutschen Pflegetages seinen Kandidaten als künftigen Pflegebeauftragten der Bundesregierung verkündete: Andreas Westerfellhaus soll es werden, als Nachfolger von Karl-Josef Laumann, der jetzt Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen ist, und von Ingrid Fischbach.
Als Westerfellhaus’ Name fiel, hielt es viele nicht auf ihren Sitzen, sie applaudierten stehend, und Irene Maier, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), kommentierte: „Wenn das kein Knaller ist.“ Westerfellhaus gilt als entschiedener Befürworter der Pflegekammern und gehört als DPR-Repräsentant auch der Gründungskonferenz für eine Bundespflegekammer an. Mit der Nominierung des ehemaligen DPR-Präsidenten positioniert sich auch Minister Spahn eindeutig.
Jens Spahn bekennt sich zur Pflegekammer
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Der 37-Jährige hatte schon in seiner mit Spannung erwarteten Rede keinen Hehl aus seiner Kammer-Sympathie gemacht. Er sei ein Verfechter der Pflegekammer, hatte Spahn erklärt und dafür nicht nur bei Elke Philipp Applaus geerntet. Die Pflegedienstleitung beim Diakonischen Werk in Bamberg-Forchheim, die mit einigen Kollegen nach Berlin gereist ist, hatte dem Minister aus dem Publikum ein Plakat mit der Aufschrift „Pflegekammer bundesweit!“ entgegen gehalten.
„Ich war skeptisch nach Spahns Ernennung, aber nun bin ich sehr erfreut, dass er unsere Forderung aufgenommen hat und sie ganz klar befürwortet“, sagt Elke Philipp, die dem Minister nach seiner Rede auch noch persönlich die Hand schüttelte: „Ich habe ihn angesprochen, und er hat sich für die Aktion mit dem Schild bedankt.“ Ihr gefalle, dass Spahn weniger auf Effekthascherei setze und auch kritische Punkte und die Grenzen des Möglichen anspreche.
Ein Vorschlag sorgt für Grummeln im Saal
Der Münsterländer, der vor seinem zweieinhalbjährigen Zwischenspiel als parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen gut zehn Jahre lang die Gesundheitspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion prägte, fühlt sich sichtlich wohl in seiner neuen Position. „Ich biete Ihnen eine offene Zusammenarbeit an. Lassen Sie uns gerne konstruktiv kontrovers diskutieren und die Ziele dann geschlossen und gemeinsam umsetzen“, sagte Spahn und erfuhr schon wenig später, wo auf jeden Fall Diskussionsbedarf besteht: Seine Aufforderung, mit der Ärzteschaft zu diskutieren, welche Tätigkeit der Mediziner eventuell von Pflegekräften übernommen werden könne, löste im Saal deutlich hörbares Grummeln aus und brachte den Polit-Profi kurz aus dem Konzept.
Franz Wagner: „Wir brauchen einen Masterplan“
Pflegeratspräsident Franz Wagner hatte Spahns Auftritt auf dem Pflegetag zuvor als positives und viel versprechendes Signal gewertet und gleichzeitig klar gemacht, es sei „eine Herkulesaufgabe, eine nachhaltige Lösung für die Pflege zu finden“. Der neue Koalitionsvertrag biete durchaus Potenzial, wie etwa den präventiven Hausbesuch oder das Ziel, flächendeckend eine gerechte Vergütung in der Pflege zu schaffen. Doch es seien noch wesentlich konkretere Schritte nötig. Dafür forderte Wagner ein Gesamtkonzept: „Wir brauchen einen Masterplan, der das bisherige Drehen an einzelnen Stellschrauben ersetzt.“
Der Pflegetag sei eine gute Gelegenheit, um die Weichen für eine positive Entwicklung der Pflege zu stellen, betonte Lutz Bandte, Geschäftsführer der Schlüterschen Verlagsgesellschaft, die Deutschlands führenden Pflegekongress zusammen mit dem DPR veranstaltet. Er betonte den Teamgedanken für alle Pflegenden und rief dazu auf, immer wieder auch über den Tellerrand zu blicken.
Für die PDL Elke Philipp aus Bamberg-Forchheim hat sich der Berlin-Trip schon am ersten Tag gelohnt – genau wie für die zwei jungen Männer in Kapuzenpullis, die zufrieden grinsend die Eröffnungsveranstaltung verlassen. Den Grund ihrer Freude zeigen ihre Handydisplays: Beide haben ein Foto mit Jens Spahn ergattert.
Autor: Jens Kohrs
Fotos: Deutscher Pflegetag