Wenn Krankenschwestern, Pfleger und Fachkräfte in der Altenpflege Einmalhandschuhe tragen, wechseln sie diese zu selten und verwenden zwischendurch seltener Händedesinfektionsmittel. Das hat auch die Hygienefachärztin Christiane Reichardt vom Medizinischen Labor Westsachsen beobachtet – und das trotz der vielen Aufklärungskampagnen wie die „Aktion Saubere Hände“, die Christiane Reichardt selbst, während ihrer Zeit bei der Charité, lange betreut hat.
Trachealabsaugen, ZVK und Co. – präzise Planung ist gefragt
Doch es ist meistens nicht Unkenntnis oder Unwillen, die hinter der mangelnden Compliance stecken. „Der Knackpunkt ist: Wie setzt eine Pflegekraft – oder auch ein Arzt – die theoretischen Kenntnisse in den Arbeitsalltag um?“, sagt die Hygieneärztin. „Um theoretische Kenntnisse in die Praxis zu übersetzen, müsste das Personal sich die täglichen Arbeitsabläufe durchdenken und sich überlegen: Wie gehe ich beispielsweise beim Trachealabsaugen Schritt für Schritt vor? Wann ziehe ich Handschuhe an? Wann desinfiziere ich meine Hände? Wann genau wechsele ich die Handschuhe?“ Im Idealfall setzt der Mitarbeiter seine theoretische Kenntnis für jede patientennahe Tätigkeit bewusst um – für das Waschen, das Betten, den Umgang mit dem Zentralen Venenkatheter und, und, und …
Auf die Stationsleitung kommt es an
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„Doch die Arbeitsabläufe sind sehr komplex, die Arbeitsdichte hoch, Mitarbeiter werden oft unterbrochen. Es ist für sie nahezu unmöglich, diese kognitive Leistung zu vollbringen“, meint Christiane Reichardt. „Dort, wo es gut läuft, gibt es ein gelebtes Changemanagement, da sagt die Leitung: Das Thema ist uns wichtig, dem müssen wir uns stellen.“ So schwer ist es dann auch gar nicht: Auf jeder Station, auf jeder Einheit machen Routineabläufe das Gros der Tätigkeiten aus. Sie lassen sich in überschaubare Schritte zerlegen und planen. Idealerweise sollten Stationsabläufe so geplant werden, dass die Pflegekraft sich ganz auf den Ablauf konzentrieren, ihr Material vorher komplett zusammentragen und dem Ablauf, ohne gestört zu werden, folgen kann.
Händehygiene ist Teamarbeit
Voraussetzung: Das Team muss sich einig sein, einander bei hygienerelevanten Aufgaben nicht zu stören, Rücksicht aufeinander zu nehmen und bestimmte Tätigkeiten zu bündeln – etwas das Beantworten des Telefons. „Es erstaunt nicht, dass die Hygiene-Compliance in gut funktionierenden Teams besser ist, als in Teams, die wenig Konsens finden und dazu neigen, gegeneinander zu arbeiten. Das hat zum Beispiel eine Untersuchung von Iris Chaberny von der Uniklinik Leipzig gezeigt: Hier gab es nicht nur Schulungen zur Händedesinfektion, vor allem wurde auch an den Teamstrukturen gearbeitet. „Nach der Schaffung von Rahmenbedingungen wie Messsysteme, Fortbildungen und hohe Verfügbarkeit konnte durch eine verbesserte Teamdynamik eine weitere deutliche Steigerung der Händedesinfektions-Compliance erreicht werden“, berichtet Christiane Reichardt.
„Blinkende Spender sind Makulatur“
Immer wieder wird die Hygieneärztin gefragt, ob nicht auch Sanktionssysteme helfen würden. „Nein, blinkende Spender et cetera – das ist alles Makulatur. Wir haben in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen geschaffen, um Machbarkeit zu verbessern, Defizite und Verbesserungen deutlich zu machen. Nun müssen wir uns der großen Herausforderung stellen, eine nachhaltige Kulturveränderung herbeizuführen, in der diese einfachen Maßnahmen einen hohen Stellenwert genießen. Nur so werden wir eine dauerhaft hohe Compliance gegenüber Hygienemaßnahmen auch unter hohem Arbeitsdruck erreichen. Dieses übergeordnete Ziel des Kulturwandels hat bereits die WHO in Ihrer ursprünglichen „Clean Care Is Safer Care“ Kampagne formuliert. Machen wir was draus, wir stehen erst am Anfang!“
Autorin: Kirsten Gaede