Die Antwort von Leserin Manuela H. (vollständiger Name und Wohnort liegen der Redaktion vor) auf den Beitrag von Peter Tonn
Wer unflexibel und starr am „Sie" in der Altenpflege festhält, hat nicht verstanden, worum es in diesem Beruf geht. Die Langzeitpflege ist geprägt von Individualität und Beziehungen zwischen Patienten und Pflegeperson. Deshalb kann das „Du" bei einer guten Beziehung durchaus angebracht sein. Und bei an Demenz erkrankten Patienten kann es sogar sein, dass sie nur auf diesem Wege die Versorgung überhaupt akzeptieren.
Wer dagegen meint, nur durch das „Sie" sei Respekt garantiert, dem ist offenbar nicht klar, dass es auf den Tonfall ankommt. Wenn jemand „Sie Arschloch" sagt, ist der Tonfall entsprechend abwertend – da nützt auch das „Sie“ nichts. Ich habe ein, zwei Gestalten in meiner Berufslaufbahn getroffen, die diesen abwertenden Tonfall kombiniert mit einem „Sie“ sehr gut einzusetzen verstanden.
Das „Sie“ schützt nicht vor Herabsetzung durch Angehörige
Auch vor Familien, die Pflegekräfte mit Hausmädchen verwechseln, ist man durch das „Sie" nicht geschützt. Nur eine selbstbewusste Pflegekraft mit Vorgesetzten, die hinter ihren Mitarbeitern stehen, kann sich gegen Übergriffe wehren. Sie muss Aufgaben und Absprachen richtig gut dokumentieren; am besten hat sie einen heißen Draht zur Chefetage, um Angriffen von ungehaltenen Angehörigen zuvorzukommen.
In Zeiten des Personalmangels ist es meiner Meinung nach wichtig, Pflegekräfte nicht auch noch mit unverschämten Kunden zu belasten. Es ist hilfreich, wenn die Leitung auf Anfeindungen und Herabsetzungen durch Angehörige (und gelegentlich auch durch Bewohner) eingeht, sie zusammen mit den Mitarbeiter bespricht und klar Position bezieht – sich also nicht aus der Affäre zieht mit einem „Das gehört eben dazu, damit muss man leben“.
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