Geht es nach Sebastian Franz, Antonia Lutz und Marlene Michael (Foto oben v.l.) wird die Pflegewelt schon bald ein klein wenig besser. Zumindest wird sie wärmer – vor allem nachts, wenn es selbst im Hochsommer kühl ist auf Station. Das kreative Trio hat eine Pflegejacke entwickelt, die wärmt und noch dazu alle Bedingungen erfüllt, damit Pflegekräfte im Krankenhaus sie auch am Patientenbett tragen dürfen.
Ohne Jacke ist es nachts kaum auszuhalten
Bislang ist eher frieren angesagt, wenn sich die Kollegen bei kalten Temperaturen auf Station an die Regeln halten wollen. Wenn wegen der Keimbelastung durch infektiöse Patienten dauerhaft gelüftet werden muss zum Beispiel. „Dann kühlt auch das Übergabezimmer total aus“, sagt Antonia Lutz. In der Nachtschicht sei es besonders schlimm.
Die Pausenjacken sind keine Lösung
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„Wir haben zwar Pausenjacken für draußen oder für die Cafeteria, aber auf der Station können wir die nicht tragen“, berichtet Marlene Michael. „Sie entsprechen nicht den Hygieneanforderungen.“ Die bislang auf dem Markt verfügbaren und in vielen Kliniken eingesetzten Jacken aus Baumwolle und Polyester seien meist nicht besonders atmungsaktiv und müssten eigentlich täglich in die Waschmaschine. Auch die Ärmellänge sei in der Regel nicht praxistauglich. Eigene Strickjacken oder Pullover kommen schon gar nicht infrage. „Privatkleidung ist im Patientenzimmer absolut verboten“, betont Antonia Lutz.
Pflegejacke aus Softshell-Material
Wie Marlene Michael und Sebastian Franz hat die 20-Jährige an der Krankenpflegeschule des Klinikums Bayreuth eine Ausbildung begonnen. Und wie ihre gleichaltrigen Kollegen wollte sie die Situation nicht einfach so hinnehmen. Das Trio suchte nach einer Lösung und kreierte kurzerhand eine eigene Pflegejacke.Als Material haben die drei das bei Outdoor-Kleidung verbreitete Softshell gewählt. Es ist bei 60 Grad waschbar und weist Flüssigkeiten ab.
Lange Ärmel lassen sich am Ellenbogen fixieren
Damit die Arme bei der Arbeit am Patienten frei sind, wie es die Hygienevorschriften verlangen, hat die Jacke eine Schlaufe. „Mit Ihr können die unteren Ärmel schnell oberhalb des Ellenbogens fixiert werden“, erklärt Lutz. Ohnehin enden die Ärmel oberhalb des Handgelenks, damit immer eine einwandfreie Handdesinfektion möglich ist. Für den Verschluss der Jacke wurden Druckknöpfe gewählt – ebenfalls mit Blick auf das Desinfizieren.
Unterstützer für Produktion gesucht
Einen Prototyp ihrer Jacke haben die drei Entwickler selbst genäht, jetzt hoffen sie auf Unterstützer. „Im Moment sind wir mit potenziellen Partnern im Gespräch“, sagt Marlene Michael. Ziel sei, in einem Pilotprojekt eine größere stationäre Einrichtung mit der Jacke auszustatten. „Aller Voraussicht nach“ werde dies noch in diesem Jahr realisiert.
BGW Nachwuchspreis für Pflegejacke
Das Trio hat die Jury des Deutschen Pflegepreises schon überzeugt. Sie lobte die „wohl durchdachte Idee“, sah großes Entwicklungspotenzial und zeichnete die Bayreuther Pflegejacke in diesem Jahr in der Kategorie BGW Nachwuchspreis aus. Das Team habe mit „einer konkreten Lösungsidee für ein selbst erkanntes Alltagsproblem“ überzeugt, sagt Jurymitglied Sascha Schmidt, Präventionsexperte der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).
Pflegejacke bietet Infektionsschutz
„Wenn Pflegekräfte bei der Arbeit frieren und deshalb im Dienst irgendwelche Jacken überziehen, steht das bei vielen Tätigkeiten den Hygieneanforderungen entgegen“, erklärt Schmidt. Dabei gehe es nicht nur um den Gesundheitsschutz, „sondern auch um den Infektionsschutz, der auf die Gesundheit der Patienten und Dritter abzielt“.
Shirt unterm Kasack? Kompliziert ...
Das Problem, das Lutz, Michael und Franz angepackt haben, kennen viele im Pflegealltag. „Man kann natürlich ein wärmendes Shirt unter den Kasack ziehen, wenn man leicht friert. Doch zum einen darf das in der Regel nicht langärmelig sein, und zum anderen kann man es auch nicht einfach ausziehen, wenn man im Laufe der Schicht in höher temperierten Räumen zu tun hat“, beschreibt Schmidt das Dilemma.
Lange Ärrmel sind tabu
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) macht Kliniken und Pflegeeinrichtungen klare Vorgaben. Demnach ist Arbeitskleidung aus Baumwoll- oder Baumwollmischgewebe in hellen Farben gefordert, die sich chemo-thermisch oder thermisch desinfizierend aufbereiten lässt, sagt BGW-Mann Schmidt. Darüber hinaus fordert die DGKH, dass bei Pflegeverrichtungen und Reinigungsarbeiten kurzärmelige Kleidung getragen wird, da auf zu langen Ärmeln in einer Studie aus den USA nosokomiale Infektionserreger nachgewiesen worden sind. Zudem, so Schmidt, sei zu beachten, dass jegliche Arbeitskleidung nach den Anforderungen der DGKH nur in der Einrichtung getragen werden darf.
Pflegejacke lässt sich leicht selbst reinigen
All das berücksichtige ihre Idee, betonen Lutz, Michael und Franz. Die drei jedenfalls sehen viele Einsatzmöglichkeiten und feilen weiter an ihrem Produkt: „Die Jacke ist auch für Reha-Einrichtungen und Arztpraxen interessant“, sagt Michael. Das Material sei so gewählt, dass es jederzeit auch mit einem Flächendesinfektionstuch behandelt werden könne – „zum Beispiel nach dem Aufenthalt im Freien oder auch nach jedem Kontakt mit einem Patienten“. Eine normale Jacke sei dafür ungeeignet. „Die müsste ständig gewaschen werden, aber das ist gar nicht realisierbar.“
Nie mehr frieren
Und dann ist da noch ein vermeintlich banaler Aspekt, der Kleidungshersteller und Kliniken überzeugen könnte. Auf ihn haben die drei Jacken-Entwickler auch in ihrer Bewerbung für den Deutschen Pflegepreis hingewiesen: „Wer bei der Arbeit nicht friert, wird seltener krank.“
Autor: Jens Kohrs
Foto: wdv/Oana Szekely
Videos über die Pflegejacken-Entwickler
Bewerbungsvideo der drei Jackenentwickler
Video der BGW über die drei Entwickler der Pflegejacke (bitte auf der SEite nach ganz unten scrollen!)