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Corona

Impfpflicht: Woran PDL und Träger jetzt denken müssen 

Auf Pflegedienstleitungen und Arbeitgeber kommen neue Pflichten zu. Allerdings übernimmt in einigen heiklen Punkten das Gesundheitsamt. Interview mit der Fachanwältin für Arbeitsrecht Nancy Novak (Kanzlei Laborius)        

pflegen-online.de: Welche Pflichten hat ein Arbeitgeber mit Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht?

Nancy Novak: Wenn die entsprechenden Nachweise – Impfnachweis, Genesenennachweis oder ärztliches Attest – von den in der Einrichtung tätigen Personen nicht erbracht werden, so muss der Arbeitgeber das der zuständigen Behörde melden. Zuständig ist das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet. Es entscheidet dann, was zu tun ist. Im Zweifel würde das entsprechende Gesundheitsamt eine angemessene Frist zur Vorlage der Impf- oder Genesenennachweise oder der ärztlichen Atteste setzen.

Erst wenn die Frist nicht eingehalten und der notwendige Nachweis nicht vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt diesen Personen tatsächlich untersagen, den Betrieb oder das Unternehmen, für das sie beschäftigt sind, zu betreten oder überhaupt dort tätig zu werden.

…und dort zum Beispiel auch Bußgelder verhängen?

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Genau. Bußgelder nach dem Infektionsschutzgesetz werden dort verhängt, wo sich in solchen Einrichtungen tätige Personen nicht an diese Pflichten halten und diese Nachweise nicht vorlegen, oder wenn es berechtigte Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit dieser Nachweise gibt. – Das trifft auch für den Arbeitgeber zu, der seinen Meldepflichten nicht nachkommt.

Der Arbeitgeber muss das zuständige Gesundheitsamt also namentlich darüber informieren, wenn sich jemand, der in der eigenen Einrichtung tätig ist, nicht impfen lässt?

Genau. Der Arbeitgeber wendet sich an das, für den Bezirk zuständige Gesundheitsamt und benachrichtigt dieses über den Sachstand, dass die erforderlichen Nachweise fehlen und nicht eingereicht werden. Sobald das Gesundheitsamt dann die entsprechenden personenbezogenen Daten erhalten hat, kann es selber ermitteln oder weitere Anordnungen treffen. 

Das heißt, das zuständige Gesundheitsamt teilt dem Arbeitnehmer direkt mit, dass er dort nicht mehr tätig werden darf, und der Arbeitgeber selbst muss kein Abmahnverfahren einleiten?

Richtig, das muss er nicht. Damit hat der Arbeitgeber erst einmal nichts zu tun. Das wird zwischen dem zuständigen Gesundheitsamt und dem in der Einrichtung Tätigen direkt geklärt. Wenn natürlich in der Folge dem Arbeitnehmer untersagt wird, dort tätig sein dürfen, dann muss sich auch der Arbeitgeber entsprechend an diese Anordnung halten. Allerdings entfällt in diesem Fall die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht anderweitig einsetzen, sind weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen, beispielsweise der Ausspruch von Abmahnungen bis hin zur Kündigung möglich.

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Bestehen für den Arbeitgeber sonstige Pflichten durch das neue Gesetz, zum Beispiel seine Mitarbeiter aufzuklären oder Impfungen anzubieten?

Nach der aktuell geltenden Arbeitsschutzverordnung ist der Arbeitgeber bereits verpflichtet, die Arbeitnehmer über die Risiken einer Coronavirus-Erkrankung und über die Impfmöglichkeiten zu informieren, das gibt es also bereits.

Im jetzt beschlossenen Gesetz wird darüber hinaus nichts zu einem verpflichtenden Impfangebot für den Arbeitgeber ausgeführt. Wenn es Betriebsärzte in einer Einrichtung gibt, die Corona-Impfungen vornehmen, dann muss der Arbeitgeber diese Betriebsärzte jedoch organisatorisch und personell unterstützen, das heißt, der Arbeitgeber muss es seinen Mitarbeitern ermöglichen, sich während der Arbeitszeit impfen zu lassen, wenn sie das denn möchten. Dieses Angebot durch den Arbeitgeber ist jedoch nach wie vor freiwillig.

Gibt es auch Ausnahmen? Gibt es Situationen, in denen ein Impfanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht?

Bei bestimmten Berufs- oder Beschäftigtengruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeiten in besonderem oder höherem Maße mit dem Coronavirus in Berührung kommen könnten als die übliche Allgemeinbevölkerung, kann es Ausnahmen geben. Dann kann es sich tatsächlich um eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ handeln und einen Impfanspruch gegenüber dem Arbeitgeber begründen. Dazu bedarf es zuvor einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, für die auch kollektivrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind, sprich die Einbindung des Betriebsrates. Bis auf diese arbeitsmedizinische Verordnung mit der Voraussetzung einer Gefährdungsbeurteilung gibt es keine, mir ansonsten bekannten Pflichten für den Arbeitgeber, eigene Impfangebote zu unterbreiten.

Wenn in Einrichtungen und Unternehmen Betriebsärzte Impfungen durchführen, dann muss man sich als Arbeitgeber immer bestimmter Haftungsrisiken bewusst sein. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber keinen Behandlungsvertrag mit seinen Mitarbeitern. Ein Behandlungsvertrag kommt in der Regel nicht mit dem Arbeitgeber, sondern mit dem Betriebsarzt zustande. Dazu gab es 2017 ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Grippeschutzimpfung. Der Betriebsarzt muss dafür allerdings selbstständig tätig und nicht beim Arbeitgeber beschäftigt sein. Der Betriebsarzt muss im eigenen Namen zur Impfung einladen, nicht der Arbeitgeber. Die Impfung selbst muss im eigenen öffentlichen Bereich des Betriebes stattfinden, zum Beispiel in der Betriebskantine oder in Besprechungsräumen.

Das heißt, der Arbeitgeber ist dann haftungsrechtlich außen vor?

Das Einzige, zu dem der Arbeitgeber in diesem Fall verpflichtet ist, ist, dass er den Betriebsarzt sorgfältig und ordnungsgemäß auswählen muss. Er muss die behandelnden Betriebsärzte bei Impfungen, bei deren Durchführung oder bei der ärztlichen Aufklärung aber nicht überwachen. Das ist alles Aufgabe der Betriebsärzte. Das sind Grundsätze, die schon 2017 festgelegt wurden und wo man davon ausgehen kann, dass diese Grundsätze auch auf die Coronavirus-Impfung anzuwenden sind.

Wenn ein Arbeitgeber feststellt, dass er aufgrund des Gesetzes nicht mehr ausreichend Mitarbeiter hat, um zum Beispiel den Früh- oder Nachtdienst abzudecken, gibt es da irgendwelche Möglichkeiten für ihn, Übergangs- und Schonfristen zum Beispiel?

Hierzu ist mir nichts bekannt. Damit das Gesetz nun umgesetzt werden kann, muss er zunächst selbst schauen, woher er seine Mitarbeiter bekommt und ob die Patienten oder Bewohner gegebenenfalls auf andere Einrichtungen verteilt werden können. Ob es in diesem Zusammenhang künftig Hilfen und Unterstützung geben wird, bleibt abzuwarten.

Das heißt, dass neue Gesetz sieht im Moment keine Übergangsregelungen vor, sprich, wenn das ungeimpfte Pflegepersonal geht und ich in meiner Einrichtung die Personaluntergrenzen unterschreite, dann muss ich gegebenenfalls Stationen oder Wohnbereiche schließen?

So sieht es aktuell aus. Übergangsregelungen sieht der Gesetzgeber tatsächlich nicht vor. Diese berufs- oder einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt ab dem 16. März 2022, das heißt: Bis zum Ablauf des 15. März 2022 müssen eben diese Nachweise vorgelegt werden. Wenn ein Arbeitgeber dann vor das Problem gestellt wird, dass er seine Mitarbeiter durch das neue Gesetz verliert, wird er da nicht viel ausrichten können.

Das Gesetz zu einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen sieht nichts Personalschonendes vor. Und für neue Arbeitsverhältnisse, die ab dem 16. März 2022 abgeschlossen werden, muss dieser Nachweis schon von vorneherein vorgelegt werden. Vorher dürfen Personen, die dort tätig werden wollen, dort erst gar nicht anfangen.

Wenn nun Heimbetreiber oder vielleicht auch Kliniken Erlösausfälle haben, weil sie zum Beispiel Stationen oder Demenz-WGs aufgrund des Personalmangels durch die Einführung einer Impfpflicht schließen müssen, könnte es da auch zu Schadensersatzansprüchen oder Klagen kommen?

Eine interessante Frage. Vorstellen kann ich mir das schon. Ob es dafür eine rechtliche Grundlage gibt, mag dahingestellt sein. Im Infektionsschutzgesetz gibt es sie jedenfalls nicht.

Es hat bereits Einrichtungen in der Altenhilfe gegeben, in denen ungeimpftes Personal freigestellt wurde. Gab es dafür bislang eine rechtliche Grundlage?

Das kommt drauf an. Wenn meine Arbeitnehmer nicht gegen irgendwelche arbeitsrechtlichen Pflichten verstoßen, kann ich als Arbeitgeber grundsätzlich gegen sie auch keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen ergreifen. Der Arbeitgeber kann nur ein Verhalten sanktionieren, mit dem der Arbeitnehmer gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen hat. Da es bisher weder eine allgemeine Impfpflicht für alle noch eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gegeben hat, dürfte eine solche Freistellung erst einmal ohne Rechtsgrundlage erfolgt sein.

Allerdings gibt es im Infektionsschutzgesetz den Paragraphen 23, der vorsieht, dass in den dort aufgeführten Einrichtungen die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. Um diese Pflichten erfüllen zu können, darf der Arbeitgeber gemäß Paragraf 23a Infektionsschutzgesetz auch nach dem Impfstatus fragen. Je nach Antwort muss die Einrichtung entscheiden, wie sie die betreffenden Arbeitnehmer so einsetzt, dass das Risiko einer Infektionsverbreitung möglichst gering ist.

Mitarbeiter unterliegen insofern dem Direktions- und Weisungsrecht ihres Arbeitgebers und müssen gegebenenfalls Versetzungen – im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen – hinnehmen. Ist ein anderweitiger Einsatz nicht möglich, kann er den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freistellen. Gegebenenfalls kommt sogar eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

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Der Betreiber wäre nur im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes, Paragrafen 15 bis 17, handlungsfähig gewesen, wenn der Mitarbeiter zum Beispiel keinen Mundschutz trägt und die Hygienestandards nicht einhält?

Sofern nicht bereits gesetzlich eine Maskentragepflicht besteht, kann der Arbeitgeber diese kraft seines Direktionsrechts anordnen. Zu einer derartigen Anordnung ist er in der Regel sogar aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gemäß Paragraf 618 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch und nach den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften – siehe Paragraf 3 Arbeitsschutzgesetz – verpflichtet. Weigert sich der Arbeitnehmer eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, liegt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, die mit den üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionen belegt werden kann. Hierzu gibt es bereits einige instanzgerichtliche Entscheidungen.

Interview: Melanie M. Klimmer

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Nancy Novak, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Laborius (Hannover) 
Foto: Daniel Moeller Fotografie
Nancy Novak, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Laborius (Hannover) 

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