Lesen Sie dazu auch unsere aktuelle Exklusiv-Meldung vom 5. September 2022
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Nachdem die allgemeine Corona-Impfpflicht Ende April im Bundestag gescheitert war, forderte unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) eine sofortige Aussetzung der Teil-Impfpflicht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) konterte: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht stehe nicht zur Disposition. Die Regelungen würden gut angenommen und geräuschloser umgesetzt als von manchen vermutet.
Wirklich? Unsere Umfrage in Bundesländern nach dem Stand bei Impfquote und den Umgang mit den Impfverweigerern ergibt ein anderes Bild. & Fragen und Antworten zur aktuellen Situation.
1. Frage: Wie hoch ist die Impfquote?
Wie schon vorher vermutet, liegt die Impfquote bei rund 95 Prozent. Die vom RKI herausgegebene Covimo-Studie, die Ende Januar erhoben wurde, ergab damals schon eine Impfquote von 96,9 Prozent von mindestens einmal Geimpfter Pflegekräfte. Nun melden auf unsere Anfrage Schleswig-Holstein 97 Prozent, Bayern 94,1 Prozent, Hamburg „deutlich höher als 95 Prozent“, Berlin 94,5 Prozent, Nordrhein-Westfalen sogar knapp 98 Prozent.
2. Frage: Gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern?
Offensichtlich. „Mit Stand vom 31. Mai 2022 waren 10.983 meldepflichtige Personen ohne Impfnachweis“, teilt das Thüringer Gesundheitsministerium mit. Bei rund 34.000 Pflegekräfte in dem Bundesland eine alarmierende Zahl. „26.823 Personen, die keinen oder keinen vollständigen Nachweis vorgelegt haben“, schreibt das Sozialministerium Sachsen – bei gerade mal 45.000 Pflegerinnen und Pflegern, die, so der Sächsische Pflegerat, als examinierte Fachkräfte erfasst sind. Auch Mecklenburg-Vorpommern meldet mit 7.010 nichtgeimpften Mitarbeitern brisante Zahlen bei rund 28.000 Pflegekräften in dem Bundesland.
3. Frage: Wie geht es weiter für ungeimpfte Pflegekräfte?
In den meisten Bundesländern ähnlich wie das Hessische Ministerium für Soziales und Integration handhabt:
Stufe 1: Meldung der in der Einrichtung tätigen Personen ohne ausreichenden Immunitätsnachweis durch die Einrichtungsleitung an das zuständige Gesundheitsamt.
Stufe 2: Die Gesundheitsämter fordern die gemeldeten Personen zur Vorlage ausreichender Immunitätsnachweise auf.
Stufe 3: Gehen innerhalb der gesetzten Frist keine ausreichenden Immunitätsnachweise ein, so kann das Gesundheitsamt ein Bußgeld verhängen. Es soll außerdem zu einer Impfberatung einladen und hieran anschließend ein Impfangebot unterbreiten.
Stufe 4: Das Gesundheitsamt prüft unter Einbeziehung der Einrichtung ein mögliches Tätigkeitsverbot. Dieses soll frühestens sechs Wochen nach Entscheidung des Gesundheitsamts wirksam werden. Werden keine oder keine geeigneten Nachweise vorgelegt, so ist die Erfüllung der Nachweispflicht binnen weiterer vier Wochen durch die Verhängung eines Zwangsgeldes zu erwirken und parallel ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Gleichzeitig ist der Person ein Angebot für eine Impfberatung zu machen. Zum Abschluss der Impfberatung soll über die regionalen Impfangebote informiert werden. Sofern keine zwingenden Hinderungsgründe bestehen, ist dabei auch ein konkreter Impftermin in einer Impfstelle des Gesundheitsamts anzubieten. Gehen innerhalb der weiteren Frist wieder keine oder keine geeigneten Nachweise ein, kommt die Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots in Betracht.
4. Frage: Gibt es automatisch Betretungs- oder Tätigkeitsverbote?
Nein. Denn für die Verbote sind nicht die Ministerien zuständig sondern die lokalen Gesundheitsämter. Und die können Verbote nach eigenem Ermessen aussprechen. Das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein erklärt das Vorgehen: „Die Gesundheitsämter entscheiden anschließend nach einer Ermessensentscheidung über ein Betretung- bzw. Tätigkeitsverbot je nach Risikobewertung und jeweiliger Versorgungssituation im Einzelfall. Das heißt, dass zum Beispiel auch eine Weiterbeschäftigung der entsprechenden Personen unter konsequenter Beachtung von Hygienemaßnahmen grundsätzlich möglich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn ansonsten die Versorgung im medizinischen oder pflegerischen Bereich gefährdet wäre. Es kommt aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht also nicht automatisch zu Beschäftigung- oder Tätigkeitsverboten.“ Ähnlich verfahren die anderen Bundesländer.
5. Frage: Sind schon Betretungsverbote ausgesprochen worden?
Ja, aber die kann man an einer Hand abzählen. Die meisten zuständigen Landesministerien machen auf Anfrage keine Angaben und verweisen auf die örtlichen Gesundheitsämter, die für die Verbote zuständig sind. In Bayern wurden „bislang noch keine Betretungs- und Tätigkeitsverbote angeordnet“, so der Ministeriumssprecher. So auch in Bremen. In Thüringen rechnet man „mit ersten Entscheidungen frühestens Ende Juli/Mitte August“.
Bisher sind zwei Betretungsverbote in Hamburg ausgesprochen worden, ebenso in Niedersachsen, in Berlin gerade mal ein Betretungsverbot – gegen eine Mitarbeiterin im städtischen Gesundheitsdienst.
Wahrscheinlich wird es bundesweit so ablaufen, wie es ein Berliner Bezirksstadtrat gegenüber dem „Tagesspiegel“ kundtat: „Wir verschleppen es. Sie können davon ausgehen, dass das Ding tot ist.“
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6. Frage: Ist die Impf-Diskussion damit beendet?
Kaum. Denn einige Bundesländer versuchen zurzeit, mit der Androhung eines Zwangsgeldes die Impfpflicht durchzusetzen. In Baden-Württemberg sind bisher über 450 Bußgeldverfahren angestrengt worden. Ob das Land damit Erfolg haben wird, muss sich noch zeigen. Eine Altenheim-Mitarbeiterin in Niedersachsen klagte gegen einen Zwangsgeldbescheid der örtlichen Gesundheitsbehörde. Und gewann in zwei Instanzen, zuletzt vor dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht. Begründung des nicht anfechtbaren Urteils: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht begründe keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Die Impfpflicht für Pflegekräfte kann sich noch zur unendlichen Geschichte entwickeln.
Autor: Hans-Georg Sausse