pflegen-online: Herr Lilie, Ihr Verband hatte zuletzt beklagt, die Träger würden bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht von der Politik im Regen stehen gelassen. Sind Sie denn mit dem Vorstoß von Herrn Söder einverstanden, der in Bayern die einrichtungsbezogene Impfpflicht faktisch außer Kraft setzt?
Ulrich Lilie: Ein Aussetzen der Impfpflicht halte ich für das falsche Signal. Dieser Alleingang trägt weiter zur Verwirrung darüber bei, was denn nun eigentlich gilt. Zudem untergräbt er die Akzeptanz von demokratisch beschlossenen Regeln, denen auch der Bundesrat zugestimmt hat, übrigens einstimmig. Die Landesregierungen sind stattdessen jetzt gefragt, ihre Gesundheitsbehörden in die Lage zu versetzen, die Impfpflicht umzusetzen. Die Einrichtungen und Dienste haben große Sorgen, weil sie nicht wissen, wie die Impfpflicht umgesetzt wird und wer wann die pflegebedürftigen Menschen noch versorgen darf. Hierzu braucht es klare Regeln und Unterstützung.
Was bedeutet ein bayerischer Alleingang für den „Rest“ der Republik in Bezug auf die Pflegekräfte: Könnte dies eine kurzfristige Abwanderung von Pflegekräften aus anderen Bundesländern nach Bayern bedeuten? Wäre das somit ein geschickter Schachzug von Herrn Söder, hier ad hoc für sein Bundesland mehr Pflegepersonal anzuheuern?
Meine Sorge ist, dass dieses Durcheinander nur den Einrichtungen schadet. Es gibt Häuser, da fallen schon jetzt Pflegekräfte aus, weil sie krank sind oder in Quarantäne. Die Dienste bekommen wir da nur besetzt, indem Leute aus dem Frei geholt werden oder Kollegen ihren Urlaub verschieben. Angesichts der Corona-Zahlen war das ja keine Überraschung. Wie man da noch die Impfpflicht umsetzt, das hätte sich die Politik wirklich früher überlegen müssen. Wir brauchen dringend eine bundesweit einheitliche Linie, was vom 16. März an gilt und wie die Häuser jetzt vorgehen sollen
Wie wird die Diakonie Deutschland auf diesen Alleingang reagieren?
Unsere Position ist und war von Anfang an, dass wir eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte befürworten. Wir weisen jedoch auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und die personellen Engpässe in der Pflege hin, die sich zu verschärfen drohen, so dass wir Gefahr laufen, unseren Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen zu können. Wir haben auf eine zügige Einführung der allgemeinen Impfpflicht gehofft, das hätte die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vereinfacht. So ist es aber nicht gekommen. Nun sollten wir uns auf die Umsetzung der Gesetze konzentrieren, die beschlossen sind.
Interview: Birgitta vom Lehn
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