Es ist schon sehr belastend, wenn man nicht weiß, wann der Vorgesetzte das nächste Mal vor Wut explodiert, laut, verletzend und unsachlich wird. Selbst heute noch gibt es den Typus „cholerischer Chef“ gar nicht so selten – bei Männern wie Frauen übrigens.
Choleriker meistens sehr leistungsorientiert
Ein Grund dafür: Choleriker sind oft auch sehr willensstark und leistungsorientiert, was sie aus Sicht anderer Führungskräfte für leitende Aufgaben empfiehlt. Gleichzeitig bietet ihre Machtposition ihnen erst die Möglichkeit, negative Gefühle wie Wut ungebremst hochkochen zu lassen und sie zulasten ihres beruflichen Umfeldes auszuleben.
Idealerweise sollten Personen, die unter fehlender Impulskontrolle leiden, gar nicht in Führungspositionen tätig sein, findet die Coachin und Führungsexpertin Susanne Vathke. „Ihnen fehlt die nötige Souveränität und Besonnenheit zur Führung, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist nicht möglich.“
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Unter cholerischen Chefs passieren tendenziell mehr Fehler
Reizbare und launische Führungskräfte, die in ihrem Umfeld Angst und Schrecken verbreiten, lösten außerdem eine verhängnisvolle Negativspirale aus. „Sie verschlechtern nicht nur das Betriebsklima, sondern auch die Arbeitsqualität: Die Verunsicherung wächst und damit geschehen tendenziell noch mehr Fehler. Und diese wiederum liefert der cholerischen Chefin nur noch mehr Anlass zu Wutanfällen.“
Wie können Mitarbeitende in solchen Konstellationen agieren, was können sie überhaupt bewirken? Eine grundsätzliche Verhaltensänderung ihres cholerischen Chefs jedenfalls in der Regel nicht. „Nur wenn die Führungskraft selbst darunter leidet und sich eine Verhaltensänderung wünscht, wird sie auch etwas dagegen tun,“ sagt Susanne Vathke.
Machtlos sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dennoch nicht. In der akuten Wut-Situation selbst sind folgende Gedanken und Soforthilfe-Maßnahmen zur Selbstfürsorge und als Krisenmanagement empfehlenswert:
- Nehmen Sie es nicht persönlich. Machen Sie sich nicht klein und lassen Sie sich nicht einschüchtern. Das unangemessene Verhalten Ihres Gegenübers liegt in seiner Verantwortung, und ist im Grunde, auch wenn es sich gerade anders anfühlt, sein Problem. Silke Weinig, Coach und Trainerin empfiehlt folgendes Gedankenspiel: „Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Brückenpfeiler in einem reißenden Fluss. Lassen Sie einfach den Unrat rechts und links an sich vorbeischwimmen.“
- Finden Sie mit einer einfachen Fingerübung schnell Ihre Balance zurück. Wenn wir angeschrien oder beleidigt werden, spielen mit gutem Grund unsere Gefühle verrückt, wir fühlen uns angegriffen und bedroht, das Herz trommelt und nicht selten ist kein klarer Gedanke mehr möglich. Hilfreich ist, sich bewusst auf die Ausatmung zu konzentrieren oder auch gezielt einen Gegenreiz zu setzen. Pressen Sie dafür mit dem rechten Daumen fest in die Beuge zwischen dem linken Daum und Zeigefinger, bis Sie einen leichten Schmerz spüren. Wiederholen Sie diesen Druck so lange, bis Sie merken, dass Ihr „Körper-Alarm“ langsam wieder runterfährt.
- Warten Sie auf den richtigen Moment. Während des cholerischen Ausbruchs Ihres Vorgesetzten ist Schweigen oft die naheliegendste Reaktion. Selbst aggressiv zu werden, sich zu rechtfertigen oder inhaltlich zu argumentieren, macht die Lage oft nur noch schlimmer. Lassen Sie hier vor allem die Körpersprache wirken, um den Wüterich ins Leere laufen zu lassen. Achten Sie dafür auf eine aufrechte, selbstbewusste Haltung, halten Sie einen neutral-wohlwollenden Blickkontakt, aber vermeiden Sie es, zu nicken oder den Kopf zu schütteln. Das könnte das unangenehme Geschehen im besten Fall etwas verkürzen.
- Versuchen Sie während des cholerischen Ausbruchs, einen Satz zu sagen. Zusätzliche Souveränität können Sie damit gewinnen, wenn es Ihnen gelingt, nicht ganz im Schweigen zu erstarren. Hier kommt es auf die Situation an. Vielleicht gelingt es Ihnen, bereits an dieser Stelle, auf den unangemessenen Kommunikationsstil einzugehen und ihre eigenen Empfindungen möglichst ruhig zu verbalisieren.
- Setzen Sie dem Choleriker Grenzen. „Spätestens wenn der Wutanfall vorüber ist, sollten Sie um ein Gespräch bitten und in Ich-Botschaften beschreiben, wie die Situation auf Sie gewirkt hat“, empfiehlt Susanne Vathke. „Bringen Sie sachlich und höflich zum Ausdruck, dass niemand das Recht hat, Sie anzuschreien und zu beleidigen.“
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Und wenn die cholerische Chefin ihr Verhalten nicht ändert?
Wenn Ihre cholerische Chefin trotz aller Aussprachen unbeeindruckt weiter wütet, hilft alles nichts: Ziehen Sie die rote Karte. Schließen Sie sich mit Kollegen zusammen. Wenden Sie sich an die nächsthöhere Führungskraft. Keine Einrichtung kann sich heute noch Führungskräfte leisten, die reihenweise Mitarbeiter vergraulen. Und wenn alles nicht hilft, empfiehlt Susanne Vathke, selbst die Reißleine zu ziehen: „Kündigen Sie. Es gibt bessere Chefs und Chefinnen.“
Autorin: Kirsten Wenzel
In unserer Serie „Umgang mit schwierigen Chefs“ ist inzwischen noch erschienen: