„Die Weihnachtszeit ist gerade bei den älteren Generationen, also dem Großteil der Bewohner von Senioren- beziehungsweise Pflegeheimen tief verankert und mit vielen Erinnerungen verbunden. Diese Menschen sind tief traurig, wenn dort nichts stattfindet und sie allein gelassen werden. Der Heilige Abend ist und bleibt ein besonderes Datum - und das bis ins hohe Alter“, sagt Monika Hammerla, Fachpflegekraft für Gerontopsychiatrie und geriatrische Rehabilitation (in Rente).
Leider gibt es Pflegeheime in Deutschland, in denen dieser Tag abläuft wie jeder andere . Das hat auch Katja Borchert-Giel, Betreuungsassistentin und freiberufliche Musik-Geragogin (Alterspädagogin), beobachtet: „Die üblichen Routinen, der alltägliche Ablauf und um 18 Uhr noch schnell das Essen verteilt. Danach wird buchstäblich das Licht ausgeknipst. Eine ganz und gar ernüchternde und deprimierende Angelegenheit.“ Warum ist das so?
Fehlt im Pflegeheim die Zeit für einen festlichen Heiligabend?
Häufig verweisen Pflegeheime auf Zeit- und Personalmangel. Aber liegt es wirklich immer daran? Katrin Schuster, Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin im Pflegeheim (Trachealkanülenmanagement) meint: „Ich frage mich jedes Jahr wieder, warum in den Einrichtungen die Stationsgänge zum Beispiel derart mit weihnachtlichem Blingbling aufgemotzt werden? Damit wird meiner Meinung nach viel zu viel Zeit verplempert, in der sich die Betreuungskräfte den Bewohnern lieber in persönlichem Kontakt zuwenden sollten.“
Monika Hammerla und Katja Borchert-Giel, von denen im Schlütersche Verlag Bücher über Aktivierung erschienen sind, meinen: mit Planung, guter Organisation, besonders aber mit den festen Willen, pflegebedürftigen Menschen ein würdevolles Weihnachtsfest zu gestalten, ist eine festliche und warme Atmosphäre immer und überall möglich. Dazu müssen aber alle beitragen. Nicht nur die Pflegekräfte und Betreuungskräfte. „Der Heilige Abend ist absolute Chefsache. Die Leitungen stehen in der Pflicht, mit gutem Beispiel und Initiative voranzugehen und das Fest gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu gestalten. Vielleicht lassen sich sogar einige Angehörige mit ins Boot holen", sagt Monika Hammerla. Die Praxis sehe oft anders aus: Die Pflegeleitung wälzt es auf die Mitarbeiter ab und so fällt Festliches dann meistens ganz unter den Tisch.
Heiligabend sollten nur Pflegekräfte arbeiten, die Lust haben
Dabei wäre es so einfach, wenn die Planung frühzeitig beginnt. „Grundsätzlich sollten für den Dienst am 24. Dezember, wenn möglich, nur diejenigen Mitarbeiter eingesetzt werden, die, ganz lapidar gesagt, Lust und Laune haben, ‚ihre‘ Bewohner auch einmal zu verwöhnen“, so Bochert-Giel. Es sei eine Frage der inneren Haltung. Jede Betreuungskraft sollte sich genau überlegen: Bin ich bereit dazu? Wenn nicht, ist es besser, sie macht an diesem Tag keinen Dienst.
So könnte Heiligabend ablaufen: ein Beispiel
Gabriele Schweller, Schlütersche-Autorin und Pflegepädagogin, erzählt, wie sie im Pflegeheim für Festlichkeit sorgt: „Der Arbeitstag am 24. Dezember beginnt bei mir schon einmal damit, dass ich die Alltagskleidung gegen etwas Festliches eintausche. So signalisiere ich den Bewohnern schon am Morgen: Heute ist ein besonderer Tag, auch für mich. Wenn der Vormittag noch ganz ‚normal stressig‘ abläuft, lautet das Motto ab dem frühen Nachmittag dann einfach nur: Geschwindigkeit rausnehmen und eine besinnliche Stimmung schaffen. Und ganz nebenbei angemerkt, an diesem Tag dürfen kleine Alltagsarbeiten sowieso auch einmal kürzer oder ganz ausfallen. Alles, was dazu dient, ein paar Minuten Zeit für den persönlichen Kontakt mit den Bewohnern zu gewinnen, hat Priorität. Die Dankbarkeit und die Rührung, die du als Betreuungskraft zurückbekommst, ist ein Geschenk. Ein Weihnachtsgeschenk!“
„Heiligabend geht es nur um die Bewohner“
Gabriele Schweller wird noch deutlicher: „Am 24. Dezember stehen nicht die Bedürfnisse der Pflegekräfte im Vordergrund. Es geht einzig und allein darum, es den Senioren für ein paar Stunden so schön wie möglich zu machen. Und ich rate jedem, der jetzt die Augen verdreht, sich einmal zu überlegen: Wäre ich Bewohner, wie würde ich selbst mir den Heiligabend wünschen? Wie möchte ich, dass andere mit mir umgehen? Vor allem wenn ich keine Angehörigen mehr habe, die mich besuchen oder nach Hause holen.“ Es sei immens wichtig, gerade diesen Bewohnern ein Gemeinschaftsgefühl zu geben. Sie müssen spüren: „Ich bin nicht allein. Mir wird Wärme und Respekt entgegen gebracht.“
Für die Planung ist auch ausschlaggebend, in welcher Verfassung die Bewohnerinnen und Bewohner sind. „Aber letztlich ist nicht das Was entscheidend, sondern immer das Wie", sagt Gabriele Schweller. Unerheblich also, ob nun gesungen oder vorgelesen wird, ob es eine kleine Weihnachts-Andacht gibt, (alkoholfreien) Punsch oder Plätzchen, ob die Musik aus der Konserve kommt oder jemand ein Instrument spielt, die Geschenke vor oder nach dem Essen verteilt werden. Entscheidend ist, mit der richtigen Einstellung an Weihnachten heranzugehen.
Warum nicht Kinder und Mann ins Pflegeheim mitbringen?
Ist das gegeben, eröffnen sich Dutzende Möglichkeiten für die Gestaltung von Heiligabend. Katja Borchert-Giel: „Der 24. Dezember war für mich jedes Jahr eine Herzensangelegenheit. Deswegen habe ich mich immer gerne zum Dienst gemeldet und die Feiern mitgestaltet. Ein paar Jahre lang kamen sogar meine Söhne und mein Mann mit ihren Instrumenten mit und haben das Weihnachtsliedersingen begleitet. Das waren mit die berührendsten Momente in meinem Leben, die ich niemals vergessen werde. Gleichzeitig konnten wir diese Stunden auch familiär zusammen nutzen.“
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Apropos, weihnachtliches Programm. Das generationenübergreifende Miteinander steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Aber wie schön ist es, wenn etwa Grundschuldkinder oder auch ältere Schüler in die Heime gehen und den Bewohnern kleine, selbst gebastelte Geschenke überreichen oder mit ihnen gemeinsam Weihnachtslieder singen. Ein paar Tage vor Weihnachten ein wunderbares Ritual, dieses so wichtige Fest des Jahres einzuläuten.
Autorin: Nina Sickinger