Der erste Aufschlag kam gleich mit einem „wumms“. Kaum war der Ampel-Koalitionsvertrag präsentiert, twitterte der zukünftige Kanzler Olaf Scholz: „Bis Ende des Jahres wollen wir dafür gesorgt haben, dass 30 Millionen Menschen in Deutschland geboostert werden, ein großer Kraftakt – darum kümmern wir uns.“
Wohl wahr, ein großer Kraftakt, den Deutschlands bald oberster Kümmerer ankündigt. Bleibt die Frage: Wie soll das bei dem augenblicklichen Impf-Chaos funktionieren? Denn gelingen kann das nur wenn „Mann und Maus“ wie RKI-Chef Lothar Wieler dieser Tage sagte, zur Spritze greift. Das heißt: Die Impfzentren müssen wieder eröffnet werden, das Angebot mobiler Impfteams deutschlandweit massiv ausgeweitet werden, Apotheken in die Impfkampagne einbezogen werden. Und ja, auch die Pflegefachkräfte, bestens ausgebildet, müssen mitmachen. Wie Olaf Scholz sagt: Es geht um 30 Millionen Impfungen bis Ende des Jahres
Hausärzte sperren sich auch gegen Impfzentren
Die Pflegefachkräfte stehen bereit. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein und AGVP-Präsident Thomas Greiner haben in dieser Woche der Politik einmal mehr das Angebot gemacht, die Pflegefachkräfte an der Impf-Kampagne zu beteiligen.
Nur: Sie müssen auch mitimpfen dürfen.
Doch dagegen sperren sich seit Start der Corona-Impfkampagne die Hausärzte. Gegen alles und alle. Impfzentren? „Rausgeschmissenes Geld“, findet Jakob Maske, Sprecher des Bundesverbands für Kinder- und Jugendärzte. Impfen in Apotheken? Wäre eine „Kampfansage“ an die niedergelassenen Ärzte, poltert KBV-Chef Andreas Gassen. Pflegefachkräfte? „Ich weiß nicht, ob das Berufsgruppen machen sollten, die das nicht gelernt haben“, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigelt.
Auch bei der Grippeimpfung dulden sie niemand neben sich
Worum geht es dabei den Hausärzte-Verbänden? Um Einfluss, um Macht und um Geld. Es geht um das Verteidigen der Pfründe, keiner soll den Hausärzten irgendetwas wegnehmen.
Dafür kämpfen sie mit harten Bandagen: Als im Sommer darüber diskutiert wurde, ob die Apothekerinnen in diesem Herbst flächendeckend bei den Grippeschutzimpfungen mitmachen sollten, kam es auf einer Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zum Aufstand. Peter Heinz, Chef der Kassenärzte in Rheinland-Pfalz, empfahl den Hausärzten, dass man Versandhändler den Apotheken vorziehen und beispielsweise den Praxisbedarf nicht mehr in Apotheken bestellen solle, die an Impfprojekten teilnehmen. Dann sei »dieser Spuk« schnell vorbei.
Lothar Wieler: Schluss mit dem Lobbyismus bei Impfen!
Bei Zeit Online brachte RKI-Chef Wieler seinen Frust über die Hausärzte auf den Punkt: Es müsse endlich Schluss damit sein, dass „Lobbygruppen bestimmter Berufe verhindern, dass andere Berufsgruppen impfen.“
Und den Schluss setzen müssen die Gesundheitspolitiker. Während der ersten Welle haben Sie dafür gesorgt, dass im Infektionsschutzgesetz die „Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten“ für Pflegefachkräfte in Paragraf 5a in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite für möglich erklärt wird. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite gibt es nicht mehr. Aber was spricht dagegen die Voraussetzungen anzupassen – sie, wenn es sein muss, so präzise zu formulieren, dass die Hausärztevertreter noch ruhig schlafen können. Oder eben auch nicht. Stand da nicht ohnehin etwas im Koalitionsvertrag von Ergänzung der professionellen Pflege durch heilkundliche Tätigkeiten? Da wäre das Boostern doch ein guter Anfang – auf das es doch noch mit dem Impf-Wumms klappt!.
Autoren: Hans-Georg Sausse/kig