Foto: jens schuenemann jps-berlin.de

GigWork

GigWork - bekommt die Zeitarbeit Konkurrenz?

Pflegekräfte und Klinikleitung – alle regen sich über die teure Leiharbeit auf. Seit zwei Jahren gibt es eine Alternative: GigWork, eine digitale Plattform, die ähnlich wie Airbnb funktioniert

Dieser Artikel erschien zuerst im November 2018 und wurde am 14. Dezember 2020 aktualisiert.

Noch ist es nicht soweit, dass Krankenhausträger sich die Pavillonbauweise des späten 19. Jahrhunderts zurückwünschen. Fest steht aber: Die Corona-Pandemie stellt Trends auf den Kopf oder lässt sie zumindest Zick-Zack laufen. So wie im Falle der Zeitarbeit. Ende 2019 galten sie vor allem im Kliniksektor als Auslaufmodell: Viel zu teuer, immer mehr Krankenhäuser begannen, auf hauseigene Pools zu setzen. Dann, zu Beginn der Corona-Pandemie, wurde es frostig für Zeitarbeitsfirmen: In den Krankenhäusern ging die Belegung zurück, weil Betten für Covid-Patienten frei gehalten werden sollten. Plötzlich wurde - besonders in der Endoprothetik und Rehabilitation - weniger Personal gebraucht. „Zudem war damals ganz am Anfang der Pandemie - als noch niemand vorhersagen konnte, wie sich die Corona-Situation entwickeln wird - auch die Verunsicherung bei den Kliniken und Einrichtungen groß“, sagt Sophie Guggenberger, Sprecherin der Start-up-Personalvermittlung Medwing.

Zeitarbeitsfirmen profitieren von der zweite Pandemie-Welle

Doch jetzt, in der zweiten Welle der Corona-Pandemie, sind Zeitarbeitsfirmen plötzlich wieder gefragt. „So viele Aufträge wie augenblicklich hatten wir noch nie“, sagt Andreas Worch, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Personalvermittlers Anbosa. „Gerade in der Altenpflege, aber auch in der Krankenpflege, gibt es einen eklatanten Personalmangel, weil ständig Mitarbeiter in Quarantäne wandern.“ Außerdem werde gerade händeringend qualifiziertes Personal für Massentests und Massenimpfungen gesucht, erzählt Sophie Guggenberger, die hier bereits von „neuen Geschäftsbereichen“ spricht.

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Zeitarbeiter kosten Kliniken oft mehr als das Doppelte

Also alles wie früher? Vergessen der Ärger der Klinikchefs über die teuren Zeitarbeiter, für die sie oft 2- bis 2,5-mal mehr als für eine festangestellte Pflegekraft zahlen? Nein, meint Nicolai Kranz (Foto ganz unten, 2. von rechts), der mit seiner Plattform GigWork der Zeitarbeit seit 2018 Konkurrenz macht: Er vermittelt deutlich günstiger und nimmt statt Provisionen nur eine Nutzungspauschale. Das kann er, weil er Krankenhäuser und Pflegekräfte auf einer digitalen Plattform zusammenführt, ein Matching (Abgleichen von Wünschen) ermöglicht und sich ansonsten aus allem heraushält – so wie Airbnb oder wie Parship. Selbst die konkret zu besetzenden Schichten (und nicht nur die Tage) können Arbeitgeber auf GigWork passgenau angeben.

[Sie interessieren sich für Zeitarbeit oder GigWork und fragen sich, ob es das Richtige für sie ist? Lesen Sie unseren Artikel Bin ich der Typ für Zeitarbeit?]

40 Krankenhäuser setzen auf GigWork

Die GigWorker sind – anders als Zeitarbeiter – direkt bei den Krankenhäusern angestellt. Die Vermittlung läuft digital ab, das Vertragliche und die Absprachen rund um die Einsätze finden direkt zwischen GigWorker und Krankenhaus statt. Bei mehr als 40 Krankenhäusern hat die Idee bereits gezündet. Das liegt auch daran, dass GigWork-Gründer Nicolai Kranz sein Modell den Krankenhausträgern gut vermitteln kann, denn er stammt aus der Branche und hat sich selbst nur zu oft über die hohen Zeitarbeitskosten geärgert: Der Jurist war Personalchef der Uniklinik Köln und kaufmännischer Vorstand der Uniklinik Essen. Zehn Unikliniken zählen inzwischen zu seinen Kunden, außerdem Asklepios, Deutschlands zweitgrößten Klinikkonzern (zunächst mit dem Krankenhaus Bad Abbach). Seit diesem Sommer bietet GigWork auch der Altenpflege seinen Dienst an: die Cellitinnen sind dabei, der größte kirchliche Verbund im Rheinland, ebenso wie die Schönes Leben Gruppe, ein stark expandierender privater Konzern.

7 Vorteile für Pflegekräfte

Die Vorteile für die Krankenhäuser liegen auf der Hand. Doch warum sollten sich Pflegekräfte für GigWork interessieren? Nicolai Kranz zählt sieben Gründe auf:

  1. GigWorker empfinden oft mehr Freiheit und ein Gefühl der Wertschätzung – anders als bei einer Zeitarbeitsfirma wird er nicht als gesandtes, anonymes, austauschbares Personal betrachtet. Schließlich führt die Pflegekraft die Verhandlungen selbst und kann gegenüber der Personalabteilung oder der Pflegedirektion auf ihre besonderen Fähigkeiten und Wünsche hinweisen.
  2. Weil GigWorker im Krankenhaus (temporär) fest angestellt sind, haben sie grundsätzlich auch Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
  3. GigWorker erhalten im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr Gehalt als dauerhaft Angestellte und teils sogar deutlich darüber hinaus – dafür leben sie auch mit einer gewissen Unsicherheit und müssen sich flexibel und anpassungsfähig zeigen.
  4. GigWorker sind während ihrer Einsätze mit weniger Vorbehalten konfrontiert als Zeitarbeiter: Auch GigWorker verdienen mehr als ihre dauerhaft angestellten Kollegen, doch entfallen für das Krankenhaus die Mehrwertsteuer und die hohen Vermittlungsgebühren.
  5. GigWorker haben für jeden Einsatz grundsätzlich Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis vom Krankenhaus und nicht wie bei der Zeitarbeit auf ein Zeugnis von der Zeitarbeitsfirma für alle Einsätze zusammen
  6. Aus einem GigJob kann sich ohne Probleme ein dauerhaftes Anstellungsverhältnis entwickeln. Bei Zeitarbeitsfirmen ist dies meistens mit größerem Aufwand und einer finanziellen Ablösesumme für das Krankenhaus verbunden.
  7. Pflegekräfte, die viele Jahre nicht mehr im Krankenhaus gearbeitet haben, können auf unkomplizierte Weise probeweise wieder in ihren alten Beruf einsteigen und später entscheiden, ob sie sich langfristig binden möchten. Wie Anke Schiller, die ihre Arbeitskraft schon in der ersten Corona-Welle über GigWork angeboten hat. Sie war GigWorks Aufruf nach Pflegereservisten gefolgt und bereit, nach ihrer Zeit in der Autovermietung und Logistik wieder in ihren alten Beruf als Krankenpflegerin zurückzukehren.

Wird GigWork Zeitarbeitsfirmen überholen?

GigWork ist übrigens nicht das einzige Unternehmen, das Pflegekräfte auf einer digitalen Platttform vermittelt. Auch Anbosa-Geschäftsführer Andreas Worch hat diese Dienstleistung in sein Angebot integriert. Doch fast alle seine Kunden fragen weiterhin nach Zeitarbeit. „Offenbar wünschen sie sich jemanden, der für die vermittelte Pflegekraft bürgt", vermutet Worch. Nicolai Kranz hingegen erlebt immer mehr Krankenhäuser, die soweit wie möglich auf Zeitarbeit verzichten wollen. „Es wird wohl auf eine Koexistenz hinauslaufen zwischen GigWork und der Zeitarbeit. Plattformen wie GigWork werden künftig sicher einen Marktanteil von zehn Prozent einnehmen, vielleicht auch etwas mehr. Denn man darf auch nicht vergessen: Die Bundesratsinitiative zur Reglementierung der Zeitarbeit liegt während Corona allenfalls auf Eis.“

Autorin: Kirsten Gaede

Foto: Jens Schünemann /privat (Gruppenfoto)

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