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Pflege und Politik

Generalistik: Bringt der Kompromiss Erfolg?

Ab 2019 wird es bei der Pflegeausbildung massive Änderungen geben. Nach zwei Jahren gemeinsamen Lernens entscheiden die Auszubildenden, ob sie Generalisten oder Spezialisten werden wollen.

Nach mehr als einjährigen Verhandlungen hat sich die Regierungskoalition auf einen Kompromiss zur Pflegeausbildung geeinigt: Künftig soll die Ausbildung in allen Pflegeschulen mit einer zunächst zweijährigen generalistischen Pflegeausbildung beginnt. Nach zwei Jahren entscheiden die Auszubildenden dann, ob sie die generalistische Ausbildung fortsetzen oder im Bereich der Kinderkranken- oder Altenpflege ihren Abschluss wählen. Einen Einzelabschluss in der Krankenpflege wird es ab 2019 nicht mehr geben. Die Ausbildung soll über einen Fonds finanziert werden, dadurch würden die bisher üblichen Schulgebühren entfallen. Wichtiges Ziel der Generalistik ist es, mehr Personal zu gewinnen und die Pflegeberufe wieder attraktiver zu machen.

Überprüfung nach sechs Jahren

Sechs Jahre nach dem Start der neuen Ausbildungsgänge werden Gesundheits- und Familienministerium auswerten, wie viele junge Menschen die getrennten Ausbildungsgänge in Alten- und Kinderkrankenpflege und wie viele die generalistische Ausbildung mit Vertiefung in diesen beiden Bereichen gewählt haben. Das dürfte frühestens 2025 möglich sein.

Haben dann mehr als die Hälfte der Azubis den generalistischen Abschluss mit einem der beiden Schwerpunkte gewählt, werden die eigenständigen Berufsabschlüsse in Altenpflege und Kinderkrankenpflege nicht mehr fortgesetzt. Dazu Prof. Karl Lauterbach (SPD) und Fraktionskollegin Carola Reimann: „Über die Abschaffung oder die Beibehaltung entscheidet dann der Deutsche Bundestag.“

Finanzierung

Alle Ausbildungswege würden künftig über einen gemeinsamen Ausbildungsfonds finanziert, wodurch u. a. das Schulgeld in der Altenpflege entfällt. Dazu die beiden SPD-Abgeordneten: „Damit erreichen wir für den Auszubildenden die größtmögliche Entscheidungsfreiheit.“ So werde sich das bessere Ausbildungsmodell am Arbeitsmarkt durchsetzen.

DPR: Reform in Scheiben

"Es ist eine scheibchenweise Reform der Pflegeausbildung", fasst Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR) den Kompromiss der Bundestagsfraktionen zusammen: „Der Deutsche Pflegerat bedauert das Scheitern der großen Reform der Pflegeausbildung. Den zwischen den Koalitionsfraktionen jetzt gefundenen Kompromiss zum Pflegeberufereformgesetz sieht der DPR als ersten Schritt einer Reform an, auch wenn die drei Berufsabschlüsse erhalten bleiben. Für die Krankenpflege ist es ein größerer, für die Alten- und Kinderkrankenpflege leider aber nur ein kleiner Schritt, um die Pflegeberufe zukunftssicherer zu machen und damit die Patientensicherheit zu gewährleisten."

  • Der Deutsche Pflegerat trage den Kompromiss zum Pflegeberufereformgesetz konstruktiv mit. Nicht verhandelbar seien für den DPR jedoch zum einen, dass gesetzlich endlich anerkannt werde, dass die professionell Pflegenden einen ureigensten Bereich haben, der als sogenannte vorbehaltene Aufgaben definiert wird. Das umfasse die Erhebung des Pflegebedarfs, die Planung der pflegerischen Versorgung sowie die Überprüfung der Pflegequalität. "Dadurch wird die Qualität der Pflege gesteigert", so Westerfellhaus. Zum anderen müsse es eine hochschulische Ausbildung als zweiten Zugang zum Beruf geben. Für fachlich, berufspädagogisch und verfassungsrechtlich fragwürdig hält der DPR hingegen die geplante Regelung zur Pflegeassistenz.

Pflegekammer Rheinland-Pfalz: Kompromiss ist ein erster Schritt

„Der großen Koalition im Deutschen Bundestag fehlte offensichtlich der Mut zu einer großen Reform der Pflegeausbildung. Der nun gefundene Kompromiss zwischen den Fraktionen von CDU/CDU und SPD bedeutet aber immerhin den ersten Schritt auf dem Weg zu einer generalistischen Pflegeausbildung“, kommentiert der Präsident der rheinland-pfälzischen Landespflegekammer, Dr. Markus Mai, die Kompromisslösung.

Bedauern bei Pflegeverbänden

  • „Die generalistische Pflegeausbildung, die die bisherige Ausbildung in der Krankenpflege ablöst, bereitet die künftigen Pflegenden auf einen Einsatz in allen Arbeitsfeldern der Pflege vor und erleichtert einen Wechsel zwischen den Pflegebereichen. Diese Chance zur Attraktivitätssteigerung hätten wir uns für alle Auszubildenden in der Pflege gewünscht. Damit wäre, unabhängig davon, an welchem Ort der Patient behandelt wird, das nötige pflegerische und medizinisch orientierte Wissen umfassend vorhanden“, bemängelt Mai.

  • Als „absolut positiv“ bewertet der Kammerpräsident hingegen die hochschulische Ausbildung als weiteren Zugang zum Berufsfeld und die avisierten Vorbehaltsaufgaben. „Damit steigern wir die Attraktivität des gesamten Berufsbildes“, ist sich Mai sicher. Beide Punkte müssten sich zwingend im verabschiedeten Gesetz wiederfinden, damit die Reform Akzeptanz bei den Pflegenden finden könnte.

Arbeitgeber zurückhaltend

Auffällig zurückhaltend reagierte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) auf den Berliner Kompromiss, obwohl, wie gewünscht, die eigenständige Altenpflegeausbildung erhalten bleibt. Sprecher Olaf Bentlage: „Ob der Kompromiss umsetzbar und durchsetzungsfähig sei, werden das Gesetz und die Ausbildungs- und Finanzierungsverordnung zeigen.“ Denn noch sei unklar, wie der Wechsel zwischen den Trägern der Ausbildung organisiert werden soll, wenn sich die Auszubildenden nach zwei Jahren für einen anderen Abschluss entscheiden.“

AGVP gegen generalistische Pflegeausbildung

Thomas Greiner, der sich als Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP) immer gegen die Generalistik ausgesprochen hat, sagt: „Die verbindlich vorgeschriebene generalistische Ausbildung für alle Pflege-Azubis ist am geballten Widerstand der Praktiker der Altenpflege gescheitert." Er wertet die den Kompromiss als "bürokratisches Kuddelmuddel", und befürchtet, dass die Unterweniger ausbilden werden. Greiner: "Viele Hauptschüler werden von zu viel Theorie abgeschreckt werden. Die alten Menschen und die Altenpflege werden zum Opfer dieser Reform.“

Ausblick

Ansonsten fordert der Deutsche Pflegerat, beim Gesetzesverfahren zur Reform als maßgebliche Interessenvertretung mit am Tisch zu sitzen. „Unverhandelbar“ sei die gesetzliche Anerkennung von Vorbehaltsaufgaben für professionell Pflegende wie die Erhebung des Pflegebedarfs, die Planung der Pflegeversorgung und die Überprüfung der Pflegequalität. Ebenso strikt dringt der Dachverband von 16 Pflege- und Hebammenverbänden für Hochschulausbildungen als zweiten Berufszugang. Dagegen seien die Regelungen zum Pflegeassistenz-Abschluss nach zweijähriger generalistischer Ausbildung fachlich, berufspädagogisch und verfassungsrechtlich fragwürdig.

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