4.000 Euro Einstiegsgehalt für Pflegekräfte – Anfang 2019 wirbelte der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz mit dieser Forderung Staub auf. Markus Mai galt als traumtänzerisch. Doch heute lässt sich ohne viel Einschränkung sagen: Sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Es ist wohl kein Zufall, dass bei Interessenvertretern der Pflege hier und da jetzt schon die Summe von 4.500 Euro Einstiegsgehalt kursiert.
Auf die Summe von rund 4.000 Euro (und mehr – je nach dem, ob vom Grundgehalt oder dem gesamten Brutto inklusive Zuschlägen und Zulagen) kommen jetzt nicht nur Pflegefachkräfte die etwa bei der Caritas oder bei den wenigen kommunalen Trägern in der Altenpflege arbeiten: Auch viele Pflegefachkräfte, die bei den zahlreichen Altenpflege-Betreibern ohne Tarifvertrag arbeiten, kommen (bald) auf 4.000 Euro brutto im Monat und mehr.
Träger, die weniger Gehalt zahlen, müssen um Zulassung fürchten
Grund ist das Tariftreuegesetz, das vor gut einem Jahr in Kraft getreten ist. Das Gesetz sieht vor, dass nur noch solche Pflegeeinrichtungen eine Zulassung erhalten, die sich an Tarifverträgen orientieren oder an das regional übliche Entlohnungsniveau für ihr jeweiliges Bundesland. Das heißt: Die vielen Betreiber in der Altenpflege, die keinen Tarifvertrag haben, sind jetzt trotzdem in weitreichendem Maße an das gebunden, was Einrichtungen mit Tarifverträgen (oder kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien) zahlen.
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Der Lohn-Standard ergibt sich also aus den Tarifverträgen oder den regional üblichen Entlohnungsniveaus. Die Pflegekassen müssen prüfen, dass sich die Betreiber in der Altenpflege nach diesem Standard richten: Sie dürfen also nur Leistungen und Pflegesätze erstatten, die diesen Lohn-Standard erfüllen. Dazu müssen sie die regional üblichen Lohnniveaus errechnen. Diese Aufgabe hat der Dachverband der gesetzlichen Pflegekassen (und Krankenkassen), der GKV-Spitzenverband, übernommen: Er hat die mehr als 11.000 Meldungen von tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen ausgewertet und nun zum ersten Mal verbindliche Tabellen zum regionalen Lohnniveau veröffentlicht.
Ungelernte Pflegekräfte verdienen über 3.000 Euro brutto
Danach sind die durchschnittlichen Stundenlöhne im Vergleich zum vergangenen Jahr um circa zwei Prozent auf 20,77 Euro gestiegen. Wirft man den Blick in die Bundesländer, zeigt sich, dass je nach Region die Durchschnittslöhne in der Pflege zwischen circa 0,5 Prozent und 6,8 Prozent zugelegt haben.
Die neuen Vorgaben der GKV für die Entgelte (Grundgehalt):
- Bei Pflegehilfskräften (ohne Ausbildung) variiert der Stundenlohn nun zwischen 16,77 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 18,01 Euro in Berlin. Umgerechnet auf die Bruttomonatslöhne bei einer 40-Stunden-Woche sind das in MV 2.917,98 Euro, in Berlin 3.133,74 Euro.
- Pflegehelfer (mindestens einjährige Ausbildung) bekommen in Brandenburg 18,12 Euro die Stunde, in Nordrhein-Westfalen 20,44 Euro. Das bedeutet im Monat: 3.152,88 Euro oder 3.556,56 Euro.
- Pflegefachkräfte (dreijährige Berufsausbildung) erhalten in Sachsen 22,76 Euro, Hamburg liegt bei 24,58 Euro. Bedeutet: In Sachsen liegt das regional übliche Monatsentgelt bei 3.960,24 Euro, wer in Hamburg bei einem nicht tariflich gebundenen Pflegebetreiber arbeitet, sollte 4.276,92 Euro am Ende des Monats auf seinem Konto haben. Zur Gruppe der Pflegefachkräfte zählt der GKV-Spitzenverband alle Ebenen, auch Pflegedienstleitungen und Wohnbereichsleitungen. Sie verdienen in der Regel mehr als Pflegefachkräfte ohne Management-Funktion. Allerdings sind die Gehaltsunterschiede nicht gravierend, auch gibt es im Verhältnis betrachtet nicht viele Pflegefachkräfte mit Leitungsfunktion.
Zu den genannten Grundgehältern kommen noch die Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Sonderzahlungen etc., die meistens noch einige hundert Euro ausmachen.
Arbeit an Feiertagen lohnt sich: bis zu 135 Prozent Aufschlag
Die Nachtzuschläge für die Arbeitszeit zwischen 23 und 6 Uhr liegen in Hessen bei 17 Prozent am niedrigsten, mit 26 Prozent in Berlin am höchsten. Wer sonntags arbeitet erhält in den meisten Bundesländern einen Zuschlag von 26 Prozent, in Hamburg allerdings 34 Prozent. Bei Feiertagszuschlägen mit Freizeitausgleich sind zwischen 35 und 37 Prozent drin, Berlin sogar 42 Prozent. Feiertagszuschläge ohne Freizeitausgleich werden in Hamburg mit 120 Prozent und in Schleswig-Holstein mit 125 Prozent Zuschlag vergolten, ansonsten gibt es 135 Prozent Aufschlag.
Die Tabellen und die Berechnungsgrundlagen finden Sie hier
Nicht tarifgebundene Pflegeeinrichtungen, die ihre Beschäftigten nach dem regional üblichen Entlohnungsniveau bezahlen, die sogenannten Durchschnittsanwender, haben nun zwei Monate Zeit, die Höhe ihrer Vergütungen anzupassen. Tun sie es nicht, werden sie nicht mehr über die Kassen refinanziert: „Nur noch die Pflegeeinrichtungen, die sich an mindestens dieses Lohnniveau halten, erhalten eine Zulassung“, sagt Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.
Altenpflege-Träger müssen bis Ende 2023 Gehalt anpassen
Übrigens: Einrichtungen, die nicht tariflich gebunden sind, aber bei den Gehältern über den regional üblichen Entgeltniveaus liegen, bekommen auch das Mehr an Lohn refinanziert. So heißt es im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG): „Die Bezahlung nach Tarif wird vollständig refinanziert. Für Einrichtungen, die nicht tarifgebunden sind, wird eine Refinanzierung bis zur Höhe von 10 Prozent über dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne gewährleistet.“
Pflege-Mindestlohn steigt um bis zu 14 Prozent
Gut zu wissen: Damit liegen die regional üblichen Entgelte zumeist um rund zehn Prozent über den Mindeststundenlohn für Pflegekräfte, der von der paritätisch besetzten Pflegekommission festgelegt wird. Der soll sich nun in zwei Schritten zum 1. Mai 2024 und dem 1. Juli 2025 um bis zu 14 Prozent zu erhöhen. Für Pflegehilfskräfte werden dann im ersten Schritt 15,50 Euro fällig (rund 2.700 Euro im Monat), im zweiten 16,10 Euro. Für qualifizierte Pflegehilfskräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung 16,50 Euro (knapp 2.900 Euro) und 17,35 Euro und für Pflegefachkräfte 19,50 Euro (3.300 Euro) und 20,50 Euro. Außerdem sollen die Pflegekräfte einen Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub über den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen von neun Tagen pro Kalenderjahr bei einer Fünftagewoche erhalten. Nach Erkenntnissen des Arbeitsministeriums werden davon rund 1,3 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege profitieren.
[Sie legen Wert auf Exklusiv-Interviews und fundierte Recherche aus der Pflegebranche? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter, damit Sie keinen neuen Beitrag auf pflegen-online mehr verpassen!]
Für Pflegebedürftige wird es teuer
So positiv die Zahlen für die Pflegekräfte sind – auf die Pflegebedürftigen kommen damit wohl weitere Zuzahlungen hinzu. Denn, so Gernot Kiefer vom GKV, „was gut für die Pflegekräfte ist, wirkt sich jedoch auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen aus. Denn zur Gegenfinanzierung der höheren Löhne für die Pflegekräfte müssen häufig die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen steigen. Die Belastung der Pflegebedürftigen wird weiter steigen, wenn die Politik keine Wege aufzeigt, wie der Anstieg der Eigenanteile wirksam begrenzt werden kann. Es wäre schon viel geholfen, wenn die Bundesländer endlich ihrer Verantwortung nachkommen würden, die Investitionskosten zu übernehmen“.
Autor: Hans-Georg Sausse/kig