Offenbar stören sich nicht nur die Pflegekräfte selbst daran, dass ihnen häufig zu wenig zugetraut wird. Nach einer Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos fällt es auch anderen in der Gesundheitsbranche auf. Denn unter den mit rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern befinden sich längst nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Pflegehaushalte, niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Kostenträger mit Pflegestützpunkten, Arbeitgeber in der Pflege, Wirtschaftsunternehmen, Kommunen und Verbände.
Drei Viertel der Befragten (72 Prozent) plädieren in der jährlich stattfindenden Umfrage namens Care-Klima-Index für eine Kompetenzerweiterung der Pflegefachkräfte. Für andere Berufsgruppen wünschen sich das längst nicht so viele: Für Hebammen, Therapeuten und Notfallsanitäter liegt die Zustimmung nur bei etwa 58 Prozent.
Dass examinierte Pflegekräfte eigentlich selbstständigeres Arbeiten ermöglicht werden sollte – nicht nur um ihretwegen, sondern auch im Sinne einer besseren und reibungsloseren Versorgung – , ist in Pflege- und Gesundheitsbranche und Politik seit Jahrzehnten bekannt. Zarte Vorstöße werden aber immer wieder von Ärzteverbänden wie den Kassenärztlichen Vereinigungen konterkariert.
Viele Ärzteverbände wollen keine selbstbewussten Pflegekräfte
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In der Diskussion geht es nicht nur um die Übertragung (Delegation) von Aufgaben wie das intravenöse Spritzen oder die Wundversorgung: Insbesondere die Substitution, also die eigenständige Übernahme von Aufgaben, wird von Ärzteverbänden oft hart bekämpft. Projekte, in denen beispielsweise extra geschulte Pflegekräfte (vielleicht sogar studierte Advanced Practice Nurses – APN) Patientenbesuche für Hausärzte übernehmen, kommen deshalb oft nicht weit. Dass Pflegekräfte in der ambulanten Pflege Hilfsmittel selbst verordnen, ist auch erst seit Kurzem möglich – wobei der dazugehörige Gesetzestext sehr vorsichtig ohne das Verb „verordnen“ formuliert ist.
Kassen geben Politik schlechteste Note seit 2017
Mit der Community Health Nurse möchte die Regierungskoalition einen neuen Vorstoß unternehmen und studierte Pflegekräfte mit extrem vielen Kompetenzen ausstatten. Allerdings: Die Befragten in der Umfrage zum Care-Klima-Index haben nicht den Eindruck, dass das Thema Pflege für Politikerinnen und Politiker von besonderem Belang ist: So stufen 80 Prozent von ihnen den politischen Stellenwert der Pflege im Vergleich zu anderen Themen als niedriger ein – „ein Negativrekord seit 2017“, laut Ipsos. Besonders hoch ist der Anteil der Enttäuschten mit 90 Prozent unter den Pflegekräften. „Auffallend negativ äußern sich auch die Kostenträger, die mit dem höchstem Negativwert seit fünf Jahren aufwarten. Während 2021 nur 39 Prozent einen negativen Stellenwert der Pflege angaben, tun dies in der aktuellen Befragung 72 Prozent – 33 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr“, heißt es bei Ipsos.
Autorin: kig