Die explodierenden Energiepreise haben die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen erreicht. Für viele Träger laufen jetzt die Verträge aus, und die Versorger bieten neue Verträge oft nur noch mit horrenden Aufschlägen an. Bis zum zehnfachen der bisherigen Energiepreise werden nun gefordert – für die meisten Betreiber nicht finanzierbar.
Wie dramatisch die Situation ist, beschrieb schon im September die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Ein Krankenhausbett verbrauche so viel Wärmeenergie wie eine vierköpfige Familie in einem Einfamilienhaus, so DKG-Präsident Gerald Gaß. Und nannte zwei Beispiele:
- 2022 hat das katholische Krankenhaus Bochum für Gas und Strom noch 4,358 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Für 2023 erwartet das 1.500-Betten-Haus nun eine Kostensteigerung von 7,3 Millionen Euro auf 11,683 Millionen Euro.
- Ähnlich die Entwicklung bei den fünf Standorten der kommunalen München Klinik. Waren im Jahr 2021 noch 14,4 Millionen Euro für die Gesamt-Energieversorgung (Wasser, Strom, Gas, Fernwärme, Dampf) aufzubringen, rechnet man dort für 2022 und 2023 mit Energiekosten von 28,4 Millionen und 42,7 Millionen Euro.
Diese Zahlen, auf alle deutschen Krankenhäuser hochgerechnet, würden bedeuten, dass die Energiekosten von 2021 bis 2023 um „sagenhafte“ vier Milliarden Euro steigen werden.
Die Alten- und Pflegeeinrichtungen müssen sich auf vergleichbare Kostenexplosionen bei den Energiepreisen einstellen. Schon im April forderte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) Nachverhandlungen mit den Pflegekassen, um die Preissteigerungen abfedern zu können. Mit mäßigen Erfolg: Die Pflegekassen weigerten sich in der Regel, die höheren Energiekosten zu übernehmen.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „täglich Notsignale“
Ende September schlugen dann Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Caritas Alarm: Der Weiterbetrieb zahlreicher Einrichtungen sei gefährdet. Ihn erreichten „täglich Notsignale", dass viele Pflegeeinrichtungen und Betreuungsdienste "die explodierenden Betriebskosten nicht mehr bezahlen können und im schlimmsten Fall ihren Betrieb einstellen müssten", so Diakonie-Präsident Ulrich Lilie gegenüber der Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Anfang November meldete sich dann auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) wieder zu Wort. „Ein Pflegedienst in Leipzig, der den Betrieb aufgibt, ein Pflegeheim in Flensburg, das wegen der hohen Kosten Insolvenz anmelden muss – allein in den letzten Tagen gab es mehrere Beispiele für Betriebsschließungen aufgrund der galoppierenden Kostenentwicklung“, warnte bpa-Präsident Bernd Meurer. „Bund und Länder müssen verhindern, dass daraus eine Kettenreaktion wird, die pflegerische Versorgung in Deutschland gefährdet.“ Auf Nachfrage konnte die bpa-Pressestelle allerdings keine konkret von einer Insolvenz gefährdeten Pflegebetreiber oder -Einrichtungen nennen.
Wohlfahrtsverband: fast alle Einrichtungen existenzbedroht
Zuletzt war es der Paritätische Wohlfahrtsverband, der mit einer bundesweiten Umfrage aufwartete: Danach stellen für 90 Prozent der gemeinnützigen sozialen Einrichtungen die aktuellen Preissteigerungen ein existenzielles Risiko dar. An der Umfrage hatten sich über 1.300 Einrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt – bilden somit einen repräsentativen Überblick ab. Werden keine umfassenden Schutzpakete geschnürt, so besteht „nichts Geringeres als die Gefahr von großflächigen Insolvenzen im Bereich der sozialen Infrastruktur“, so kommentiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider die Ergebnisse.
8-Milliarden-Fonds „Krankenhaus und Pflege“
Die Politik hat die Alarmmeldungen inzwischen gehört. Anfang November beschloss die Bund-Länder-Runde einem mit acht Milliarden Euro gefüllten Fonds „Krankenhaus und Pflege“, mit dem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bis Ende 2024 unterstützt werden sollen, um Insolvenzen zu vermeiden. 6 Milliarden Euro davon sind für Krankenhäuser gedacht, 2 Milliarden Euro für Pflegeeinrichtungen.
Die Milliarden soll das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verteilen – für die Krankenhäuser über die Länder und für die Pflegeeinrichtungen über die Pflegekassen. In einer sogenannten ersten Phase bis März 2023 sollen Pflegeeinrichtungen die Energie-Mehrkosten direkt erstattet bekommen – analog zum Pflegeschutzschirm. In einer zweiten Phase kommt ab März 2023 die Gas- und Wärmepreisbremse hinzu.
Und das Geld soll schnell fließen. „Ich glaube, dass wir mit dem Geld rechtzeitig auf dem Platz sein werden. Es wird kein Krankenhaus in unmittelbare Not geraten auf der Grundlage gestiegener Energiepreise. Das kann ich ausschließen“, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem Bund-Länder-Treffen.
Krankenhausgesellschaft: Geld muss spätestens im Januar fließen
„Bravo Bundesregierung“, kommentierte bpa-Päsident Bernd Meurer den beschlossenen Unterstützungsfonds: „Das ist eine einfache und schnelle Entlastung der Pflegeeinrichtungen und der Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Wir sind sehr froh, dass die Bundesregierung und zuvor auch die Expertenkommission unserem Vorschlag für eine Direkterstattung über einen Energie-Hilfsfonds gefolgt sind. Damit wird der einfachste Umsetzungsweg beschritten und den Einrichtungen wird geholfen, ohne dass sie unnötigen bürokratischen Aufwand bewältigen müssen.“
Auch die DKG begrüßte die Zusage. Das Geld müsse aber spätestens im Januar fließen. Denn zahlreiche Krankenhäuser müssten jetzt schon Überbrückungskredite in Anspruch nehmen, um Löhne, Gehälter und Rechnungen fristgerecht bezahlen zu können.
Großer Teil der Energie-Hilfe fließt nur über Einzelnachweise
Ist also alles gut? Eher nicht. Anfang Dezember brachte Karl Lauterbach den notwendigen Gesetzesentwurf zur 1. Lesung in den Bundestag. Und da war dann konkret zu lesen, wie sich die Bundesregierung die Auszahlung der Milliarden vorstellt. „Zu kompliziert“, monierte die Opposition. „Wir werden zum Europameister der bürokratischen Umsetzung“, warnte Andreas Jung von der CDU.
Kritik kam dann auch von der DKG. Denn lediglich 1,5 Milliarden Euro von den sechs Milliarden sollen als kurzfristige pauschale Zahlung je nach Bettenzahl an die Krankenhäuser fließen. An die Auszahlung der restlichen 4,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Energiepreissteigerungen, die nicht über die Preisbremsen abgefangen werden, seien aufwendige Nachweisverfahren geknüpft. Und diese Hilfen werden nach dem Gesetzentwurf erst nach Einzelnachweis und bis ins Jahr 2024 hinein ausgezahlt. DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald
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DKG fordert pauschale Hilfszahlungen
Gaß: „Wir fordern die Bundesregierung auf, den Krankenhäusern den Großteil der Hilfszahlungen schnell und pauschal zuzuweisen und dann jeweils nach den geprüften Jahresabschlüssen einen Spitzausgleich entsprechend der konkreten Energiekosten vorzunehmen“. Die Krankenhäuser müssten ansonsten mit hohen Finanzbeträgen in Vorleistung gehen, die sie nicht haben.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht noch Verbesserungsbedarf. Allerdings aus ganz anderen Gründen: Vorstand Eugen Brysch fordert direkte Unterstützung der Heimbewohner, damit „die zusätzlichen Milliarden nicht im Zahlenwerk der Träger versickern. Die Entlastung muss die Heimbewohner erreichen.
Autor: Hans-Georg Sausse