1. Überzeugung: Ob ich Handschuhe trage oder nicht, ändert nichts an meiner Beziehung zu dem Menschen, den ich pflege.
→ Irrtum!
„Würden Sie Freunde mit Handschuhen anfassen? Oder gar Ihr Kind?“, fragt Ingrid Hametner, Pflegefachfrau und Autorin aus Bremerhaven. „Und würden Sie gern in einem Restaurant speisen, in dem man Ihnen behandschuht ihr Gericht reicht?“ Handschuhe, davon ist die Diplom-Pädagogin überzeugt, bauen im zwischenmenschlichen Umgang eine Distanz auf; vor allem signalisieren sie: Ich wende mich Dir nicht ganz zu. Hametner hat lange als Lehrerin für Pflegeberufe gearbeitet – und hat hier Pflegeschüler regelmäßig einen Test machen lassen: Hat ihnen Handschuhe gegeben, sie gebeten, sie überzuziehen – und damit ihre Kommilitonen anzufassen. „Ein unschönes, kaltes Gefühl“, attestierten die so Berührten, und auch die Handschuhträger sagten, sie spürten eine ungewohnte Distanz, die Sensibilität gehe verloren. Hametners Appell deshalb: Beim Essenanreichen, beim Gesicht waschen, oder auch beim Einreiben des Rückens sollten Pflegekräfte auf Handschuhe verzichten. Besonders gelte das im Umgang mit Menschen mit Demenz: „Diese Menschen lassen sich mit Worten kaum mehr erreichen. Gerade hier braucht es den bloßen Hautkontakt, um eine Beziehung herzustellen.“
Der Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Neunkirchen Ojan Assadian appelliert an Pflegekräfte und Ärzte, sich bewusst zu machen, ob, wann und warum sie sich Handschuhe anziehen. „Fragen Sie sich zwei Dinge“, rät der international bekannte Hygieniker und Infektiologe:
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
- Ist bei meiner nächsten Tätigkeit wirklich eine Kontamination meiner Haut vorhersehbar?
- Und: Wäre diese relevant?
2. Einmalhandschuhe helfen in peinlichen oder heiklen Intimsituationen.
→ Fakt!
Helfen können Handschuhe, um einen professionellen Rahmen zu schaffen, sagt Ursula Immenschuh, Professorin für Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft an der Katholischen Hochschule Freiburg. Denn nicht immer erkennen Menschen, die gepflegt werden, dass es sich beispielsweise bei der Körperreinigung um eine reine Pflegeleistung handelt, die nichts mit sexuellen Absichten zu tun hat. Berührungen im Intimbereich können, auch wenn sie höchst professionell durchgeführt werden, hin und wieder sexuelle Erregung auslösen. Handschuhe können in solch heiklen Fällen als Symbole wirken, die, ähnlich wie Dienstkleidung, einen klaren Kontext herstellen. Immenschuh: „Die Handschuhe zeigen an, dass es hier um eine professionelle Tätigkeit geht, einen Auftrag, der zu erfüllen ist.“ Handschuhe seien also für die Schamregulation sinnvoll, könnten Nähe und Distanz in delikaten Situationen regeln. Aber auch hier gelte, so Immenschuh: nicht das Mitgefühl abstellen, zugewandt bleiben.
3. Wenn ich Einmalhandschuhe trage, schütze ich Patienten und Heimbewohner vor ansteckenden Krankheiten.
→ Mythos!
Einmalhandschuhe sind Teil der Schutzausrüstung von Pflegern und Ärzten. Und nur das. Den Anspruch, auch den Patienten zu schützen, hatten sie nie, sagt Ojan Assadian. Tatsächlich suggerieren die Handschuhe eine gewisse Sterilität, was manche Pflegekräfte dazu bringt, sie häufig zu tragen, auch dann, wenn sie nicht nötig sind. Einzusetzen sind sie aber lediglich zum „Schutz des Trägers vor Kontamination mit Blut, Sekreten und Exkreten einschließlich Krankheitserregern und indirekt zur Unterbrechung von Infektionsketten“, so auch die Empfehlung der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, Teil des Robert-Koch-Instituts). Zudem sind sie angezeigt, um zu verhindern, dass Erreger von der Hand in aseptische Bereiche freigesetzt werden, wenn die erwarteten Erreger „unempfindlich gegen Alkohol-basierte Händedesinfektionsmittel“ oder besonders gefährlich sind, beispielsweise bei Erregern des viralen hämorrhagischen Fiebers.
Autorin: Romy König