Notfälle passieren leider nicht nur dort, wo Kompetenz und Instrumentarium gut organisiert zur Hand sind, auf Intensivstation oder in der Notaufnahme. Nein, mit Notfällen ist überall zu rechnen: in der ambulanten Pflege, im Pflegeheim, in der Reha-Klinik, in Supermarkt, Bahn, auf der Straße und, und, und … Deshalb lohnt es sich für jede Pflegekraft, die durch Corona bedingten wichtigsten Empfehlungen des ERC (European Resuscitation Council) und der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)1 für die Wiederbelebung zu kennen:
1. Abstand vom Kopf halten
SARS-CoV-2 wird hauptsächlich durch Tröpfchen übertragen. Die Atemkontrolle sollte in größerem Abstand erfolgen. Ersthelfende sollten sich dem Gesicht des Betroffenen nicht so weit nähern, dass Atemgeräusche sicher wahrgenommen werden können. Nach Überstrecken des Kopfes durch Anheben des Kinns sollte stattdessen auf die Brustkorbbewegungen geachtet werden. Wenn keine Brustkorbbewegungen erkennbar sind, ist davon auszugehen, dass der Betroffene nicht normal atmet.
2. Herzdruckmassage bleibt ein Muss
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Wenn Schutzausrüstung fehlt, birgt die Mund-zu-Mund-Beatmung oder die Mund-zu-Nase-Beatmung jetzt ein besonders hohes Infektionsrisiko. Trotzdem: Bei Atemstillstand sollten Ersthelfer immer mindestens die Herzdruckmassage konsequent anwenden. Das ist die Kernaussage der ERC-Leitlinien. Unverzüglich eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen können die Überlebensrate bei Kreislaufstillstand verdoppeln bis vervierfachen. Ein ausgebildeter Helfer soll Thoraxkompressionen und Beatmung kombinieren.
3. Mund und Nase mit Tuch abdecken
Zur Vermeidung einer Übertragung des Corona-Virus wird empfohlen, zumindest durch Herzdruckmassage den Kreislauf aufrecht zu erhalten. Dabei kann ein Tuch oder Handtuch über Mund und Nase des Betroffenen gelegt werden. Dies dient dem Schutz vor möglichen Aerosolen, die dabei aus dem Mundraum des Betroffenen strömen.
4. Rettungsdienst über Covid-Gefahr informieren
Besteht das Risiko einer Infektion mit Covid-19, bitte das Rettungsdienstpersonal umgehend in Kenntnis setzen, damit rechtzeitig Infektionsschutz angelegt werden kann.
5. Danach am besten duschen
Nach der Erste-Hilfe-Leistung sollen die Hände gründlich gewaschen und optimalerweise ergänzend desinfiziert werden. Ebenso wird Duschen und Kleidung wechseln danach empfohlen.
Wenn Einsatzkräfte des professionellen Rettungsdienstes vor Ort sind, sollte der bzw. die Ersthelfende die eigenen Kontaktdaten weitergeben, für den Fall, dass bei der betroffenen Person nachträglich eine infektiöse Erkrankung festgestellt wird.
6. Eventuell Gesundheitsamt informieren
Besteht bei dem Patienten Covid-19-Verdacht, wenden Sie sich als Ersthelfer nach den Sofortmaßnahmen umgehend an das Gesundheitsamt; lassen Sie einen Schnelltest und einen PCR-Test machen.
Hilfsmittel für Mund-zu-Mund-Beatmung
Gerade für Pflegekräfte, die etwa in der ambulanten Pflege arbeiten, können Hilfsmittel für die Beatmung sinnvoll sein. Sie bieten in der Corona-Pandemie immerhin einen gewissen Schutz, wenn doch eine Beatmung nötig werden sollte. Zu diesen Hilfsmitteln zählen
- Beatmungsmasken, sogenannte Pocket Masks oder Safe-Masks mit Filtereinsatz, sind unter anderem in Apotheken und im Versandhandel erhältlich. Es handelt sich hierbei um Mund und Nase umschließende Masken, die auf das Gesicht des Patienten aufgesetzt werden können. Sie können komprimiert und damit platzsparend in einer kleinen Plastik-Transportbox mitgeführt werden. „Das Einwegventil und der Filter gewährleisten effektive Beatmung und schützen gleichzeitig den Helfer. Zudem kann der Helfer durch den Abstand zum Patienten besser sehen, ob sich der Brustkorb hebt und senkt“, so Anton Müller, Ausbilder bei der Johanniter Unfallhilfe (JUH) in Würzburg (Foto siehe unten)..
- Beatmungstücher: In einem kleinformatigen Mäppchen, das als Schlüsselanhänger am Körper getragen wird, befindet sich eine spezielle, zusammengefaltete Beatmungsfolien mit Mundstück, die bei einer Reanimation über Mund und Nase des Patienten angebracht werden kann.
- „Deutlich schneller geht es, einfach ein Tuch, Taschentuch, Geschirrtuch oder einen dünnen Schal über das Gesicht des Patienten zu legen – es ist alles geeignet, nur nichts Dickes“, sagt Anton Müller. „Um eine Mund-zu-Nase- oder Mund-zu-Mund-Beatmung in herkömmlicher Weise durchzuführen, muss man einfach etwas flexibel sein.“
- Auch das Dreiecktuch oder ein Verbandtuch aus dem Erste-Hilfe-Kasten kann schnell über das Gesicht des Patienten gelegt werden. Während der Thorax-Kompression schafft es eine gewisse Barriere und reduziert die Viruslast, die eventuell aus der Mundöffnung des Patienten austreten kann.
Auf Zulassung der Notfall-Hilfsmittel achten
Bei der Beschaffung von Beatmungshilfsmitteln sollte man darauf achten, dass sie nach EU-Verordnung 765/2008 zugelassen sind. Das ist erkennbar am CE-Zeichen plus einer vierstelligen Kennzahl (CE=Communauté Européenne, das heißt Europäische Union). Noch besser sind Produkte, die auch zertifiziert und unabhängig – und nicht nur vom Hersteller selbst – geprüft sind. „Nicht alles, was auf dem Markt und frei verkäuflich ist, ist zu empfehlen“, so Müller. Es gebe viele, oft auffallend günstige Produkte. Aber nicht jedes Hilfsmittel sei auch zweckmäßig. Der Rettungssanitäter empfiehlt, sich beim Kauf in der Apotheke beraten zu lassen oder über den Fachhandel zu beziehen.
Was tun, wenn die Atemwege blockiert sind?
Kompliziert wird ein Notfall, wenn die Atemwege verlegt sind, etwa, weil sich der Patient verschluckt hat. Dann sind zunächst die bekannten Erste-Hilfe-Maßnahmen angebracht: Husten lassen, mit der flachen Hand mehrmals zwischen die Schulterblätter klopfen. Sollte dies nicht wirken, ist der Heimlich-Handgriff das allerletzte Mittel, sprich, die ruckartige Kompression des Oberbauchs. Anschließend empfiehlt es sich, den Patienten einem Arzt vorzustellen, um auszuschließen, dass durch den Heimlich-Handgriff Verletzungen entstanden sind. Fest steht jedenfalls: Wenn die Atemwege blockiert sind und es zu einem Atemstillstand kommt, muss sofort mit der Reanimation begonnen werden. „Dabei ist es durchaus möglich, dass der Fremdkörper durch den erzeugten Druck bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung aus den Atemwegen befördert wird“, so Anton Müller.
AED-Defi noch in den ersten 3 Minuten einsetzen!
„Im Durchschnitt überleben einen plötzlichen Herztod nur sechs von 100 Menschen, weil die Sofortmaßnahmen zu spät kommen“, so Müller und bezieht sich dabei auf eine Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Bei einem plötzlichen Herztod zählt jede Minute. Eine Defibrillation mit einem AED (Automatisierter Externer Defibrillator) innerhalb von drei Minuten nach dem Kollaps kann die Überlebensrate auf bis zu 75 % erhöhen, so der Ausbilder der JUH. Jede Verzögerung darüber hinaus reduziert die Überlebenschance um 10 % pro Minute. Der AED ersetzt aber keineswegs die Herzdruckmassage, sondern ist eine wertvolle Ergänzung.
Wo hängt der nächste AED-Defi? 3 Apps geben Antwort
Inzwischen gibt es verschiedene Apps, um den nächststationierten AED zu finden:
Aber Achtung: „Die Ergebnisse der Standortsuche sind nicht immer vollständig und können oft nur bedingt helfen“, so der JUH-Ausbilder. „Zudem ist die Standortsuche immer eine Zeitfrage. Sofern ein AED aber sehr schnell verfügbar ist, sollte dieser immer zum Einsatz kommen.“
In jedem Fall ist es für jeden potenziellen Ersthelfer ratsam, dort, wo er sich regelmäßig aufhält, nach AED-Defibrillatoren Ausschau zu halten, um im Ernstfall sofort reagieren zu können. Es gibt diese Geräte inzwischen an Flughäfen, U-Bahnhöfen, Fußballstadien und anderen öffentlichen Plätzen, ebenso wie in vielen öffentlichen Einrichtungen wie Rathäusern, Finanzämtern, Stadtbibliotheken, in vielen Betrieben – und hier und da sogar schon auf dem Land.
Autorin: Melanie Klimmer
1 DGUV Fachbereich Erste Hilfe, Handlungsempfehlung für Ersthelfende, FBEH-101, 07.08.2020