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Rote Schleife auf hellblauem Hintergrund

Welt-Aids-Tag

Dos and Don’ts im Umgang mit HIV-Patienten

Aids-Expertin Uschi Mogendorf vom Caritasverband Koblenz gibt im Interview Tipps für einen empathischen Umgang. Außerdem erklärt sie, warum einige Menschen noch immer an HIV sterben

Der Artikel erschien zuerst am 9. September 2019 und wurde am 29. November 2022 aktualisiert. 

Frau Mogendorf, sind HIV und Aids überhaupt noch relevante Themen?

Uschi Mogendorf: Oh ja. 2017 haben sich in Deutschland 2.700 Menschen mit HIV infiziert. Nach wie vor sterben Menschen an Aids. Es sind zwar viel weniger als früher, doch das Problem ist geblieben. Außerdem gibt es ja auch noch diejenigen, die seit Jahren HIV-positiv sind und erfolgreich behandelt werden.

Als gelernte Krankenschwester kennen Sie HIV/Aids noch aus der Anfangsphase.

Ich habe ab den 80er-Jahren 20 Jahre lang in einer Wohneinrichtung für HIV-Betroffene gearbeitet. Ich habe vieles an begleitenden Erkrankungen gesehen. Es war damals wirklich fürchterlich.

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Heute ist HIV nicht mehr tödlich. Wie ist die Lage?

In den 80er-Jahren führte eine HIV-Infektion praktisch immer zum Ausbruch von Aids – das Todesurteil. Heute haben wir wirksame Medikamente, die das Virus unterdrücken. Aids bricht nicht mehr aus. HIV ist zu einer chronischen Infektionskrankheit geworden. Die Nebenwirkungen der Medikamente sind geringer, die Betroffenen haben eine normale Lebenserwartung. HIV ist nicht heilbar, aber gut behandelbar.

Warum sterben dann dennoch Infizierte?

Weil sie zu spät erkennen, dass sie infiziert sind. Sie kommen erst in Behandlung, wenn sie bereits akute Aids-Symptome haben. Da ist die Medizin auch heute oft noch machtlos.

Welche sind heute die Risikogruppen für eine HIV-Infektion?

Es gibt noch immer drei Hauptgruppen: Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), das sind die meisten, aber die Zahlen gehen leicht zurück. Bei den beiden anderen, Drogenkonsumenten über Spritzen oder Menschen, die sich bei heterosexuellem Sex infizieren, steigt die Zahl leicht an. Bei manchen Heterosexuellen herrscht vielleicht immer noch eine trügerische Sorglosigkeit.

Wo trifft man als Pflegekraft heute auf HIV-Infizierte?

Praktisch überall. Die allermeisten HIV-Infizierten leben seit Jahren ein normales Leben. Sie erkranken an „normalen“ Dingen oder erleiden Unfälle. Sie können auf jeder Station oder in jeder Arztpraxis sein.

Wie ist die Informationslage?

Niemand muss mitteilen, dass er HIV-positiv ist. Doch kaum jemand wird es riskieren, es zu verheimlichen. Schon im eigenen Interesse.

Warum?

Weil diese Menschen hochwirksame, komplexe Medikamente einnehmen und es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann, die ihnen neu verabreicht werden.

Was sagt ein HIV-Betroffener dem Arzt oder Pflegepersonal?

Am besten klärt er kurz auf, dass er betroffen ist. Und bittet darum, dass genau und sorgfältig gearbeitet wird in Bezug auf Blut und Medikamente.

Wie sollen Pflegefachleute darauf reagieren?

Sie sollten Ruhe bewahren und sachlich bleiben. Sie sind nicht in Gefahr. HIV ist nur durch Blut- und Sexualkontakte übertragbar, nicht etwa durch Hautkontakt, Essen oder über Gegenstände. Werden die normalen Hygienestandards eingehalten, gibt es im Pflegealltag kein Übertragungsrisiko.

Zu welcher Haltung raten Sie?

HIV ist immer noch ein sehr sensibles Thema mit einem starken Stigma. Hier gilt es diskret und besonnen vorzugehen. Ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch unter vier Augen sind sehr hilfreich. Dazu muss man Situationen suchen, in denen man in Ruhe reden kann. Auf keinen Fall darf man etwa das Bett markieren oder das Thema HIV vor anderen, also öffentlich ansprechen.

Sind HIV-Positive andere Patienten?

Sie haben oft eine etwas andere Lebensgeschichte. Viele lebten in Bereichen, denen gesellschaftlich häufig immer noch ein Tabu anhängt, wie Drogen oder Homosexualität. Sie haben die Gefahr des Todes intensiv erlebt. Wertschätzung und Zuwendung tut ihnen besonders gut.

Sie veranstalten regelmäßig das Koblenzer Aids-Hepatitis-Forum - jetzt Aids-Covid-Hepatitis-Forum. Ist die Prävention da auch Thema?

Natürlich. Gerade beim Thema Infektionen ist die Prävention besonders wichtig. Es gibt in Deutschland genügend Maßnahmen, um eine Infektion zu vermeiden. Man kann gar nicht genug darüber informieren. Wir laden auch Schülergruppen, Lehrer oder Altenpflegefachkräfte ein. Unsere Teilnehmer sind ein guter Querschnitt der Gesellschaft.

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Was sind die wichtigsten Präventionsmaßnahmen?

Da hängt vom persönlichen Lebensstil ab. Wer wechselnde oder einen neuen Sexualpartner hat, sollte ein Kondom benutzen, offen darüber sprechen und bei Unklarheit einen HIV-Test machen. Den kann man zum Beispiel beim Hausarzt oder beim örtlichen Gesundheitsamt machen lassen. In den Apotheken kann man auch Selbsttests kaufen. Hier unterstützen auch die örtlichen AIDS-Hilfen. Es gibt aber auch Medikamente zur akuten Prä- oder Post-Expositionsprophylaxe. Dieses Verfahren sollte man sich jedoch gut überlegen und am besten einen HIV-Behandler, also einen Infektiologen aufsuchen.

Interview: Johannes Kornacher

Über Uschi Mogendorf

Die Krankenschwester arbeitet beim Caritasverband Koblenz und ist Mitglied des Arbeitskreis Aids/STI Rheinland-Pfalz Nord.

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