Betroffene wissen es aus ihrer täglichen Erfahrung, doch nun ist es auch wissenschaftlich erwiesen: Die Versorgung von Covid-19-Patienten ist mit einer erhöhten psychischen Belastung für Pflegekräfte und Ärzte verbunden – auch im Vergleich zu „normalen“ Stationen. Eine Studie der Universitäten Augsburg und München mit 3.669 Beschäftigten im Gesundheitswesen stellte fest, dass diese dennoch eine hohe Kompetenz zeigen, mit der Herausforderung umzugehen.
Pflege ist belasteter als Ärzte
Die Befragung fand online vom 15. April bis 1. Mai 2020 statt und umfasste insgesamt 25 Aussagen, die in 5 Stufen befürwortet oder abgelehnt werden konnten. 61 Prozent der Teilnehmer waren weiblich, 35,9 Prozent gehörten zum Pflegepersonal, 19,2 Prozent arbeiteten direkt mit Covid-19-Patienten. 2,8 Prozent waren selbst positiv auf Covid-19 getestet worden, 26,5 Prozent gehörten zu einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf.
Pflegekräfte hatten verglichen mit anderen Berufsgruppen die höchste Zustimmung zu Aussagen über ihre subjektive Belastung, etwa zu dem Satz „Mein Alltag ist durch die Covid-19-Pandemie stressiger geworden“ oder „Seit Beginn der Pandemie schlafe ich weniger gut.“ Sie machten sich öfter als andere Sorgen um ihre Familie und fürchteten, den Virus auf diese zu übertragen. Pflegekräfte waren auch unzufriedener mit dem in ihrer Klinik ergriffenen Maßnahmen und der erhaltenen Unterstützung und Wertschätzung. Allerdings waren die Unterschiede zu anderen Berufsgruppen, etwa Ärzten, nicht groß – alle waren offenbar durch die Pandemie betroffen.
Trotz erhöhtem Risiko wenig Angst
Deutliche Unterschiede gab es zwischen dem Personal (Pflege und Ärzte), das direkt mit Covid-19-Patienten arbeitete und dem Personal auf anderen Stationen. Auf Covid-19-Stationen wurden mehr Überstunden geleistet, im Durchschnitt 3,36 pro Woche (versus 1,69 auf anderen Stationen). Covid-19-Ärzte und -Pflegende waren doppelt so oft selbst infiziert (4,8 versus 2,3 Prozent), und hatten auch öfter Fälle im Familien- und Freundeskreis. Bemerkenswert: Dennoch zeigte diese Gruppe keine stärkere Angst, sich zu infizieren. Das Bild von Heldinnen und Helden ist also, auch wenn es kritisch diskutiert wird, nicht ganz falsch.
Deutlich höher war aber die Zustimmung dieser Gruppe zu den Aussagen zur psychischen Belastung. Wer direkt Covid-19-Patienten versorgte, sagte beispielsweise häufiger „Durch die Pandemie habe ich deutlich weniger Zeit für mein Privatleben.“ Studienautor Prof. Dr. Alkomiet Hasan betont deshalb: „Insbesondere für Pflegende und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in COVID-19-Risikobereichen sollte es niederschwellige Angebote zum Erkennen von beginnenden stress-assoziierten Erkrankungen und dem Erhalt der psychischen Gesundheit geben.“
Schutzausrüstung hat gereicht
Überwiegend positiv wurde die Frage beantwortet, ob persönliche Schutzausrüstung verfügbar war. Auch meinten nur wenige Befragte, dass sie sich von ihrem Arbeitgeber sehr im Stich gelassen zu fühlten. Erfreulich: Die meisten Teilnehmer sagten, dass sie nach der Pandemie weiter im Gesundheitswesen arbeiten wollen. Insgesamt zeichnet die Befragung, auch wenn es Belastungen gibt, kein so schlechtes Bild der Lage. „Nur bei wenigen der Aussagen zeigten sich signifikante Werte“, schreiben die Autoren, „das weist auf ein hohes Maß an professioneller und persönlicher Kompetenz hin.“
Die Studie ist eine der ersten, die im großen Stil die Belastungen von Pflegekräften durch die Pandemie untersucht. Ähnliche Ergebnisse gab es zuvor bereits bei Studien in China, Italien und dem Iran, doch diese hatten weniger Personen befragt.
Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience“ veröffentlicht.
Text: Heike Dierbach