Ob digitale Dokumentation, Sensorsysteme oder Robotik – mehr Digitalisierung in der Pflege wird von allen Seiten gefordert. Meist wird sie als Voraussetzung genannt, um Pflegepersonal zu entlasten und die immer älter werdenden Menschen auch in Zukunft versorgen zu können. Doch wo stehen wir überhaupt? Die rheinland-pfälzische Studie „digit2care“ liefert erstmalig belastbare Daten zur Digitalisierung in der Pflege in einem Bundesland. Damit will Rheinland-Pfalz eine neue Digitalkultur in der Pflege anstoßen und kündigt an, eine digitale Bildungsoffensive auf den Weg zu bringen. Das Fazit zur Studie: „Wir sind auf einem guten Weg." Einige Ergebnisse lösen aber auch Erstaunen aus.
1. Wlan und Mobilfunk: Alles andere als selbstverständlich
Während man heute in fast jedem Café Wlan und Mobilnetz hat, ist das in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen noch lange nicht der Fall. In den Krankenhäusern geben weniger als die Hälfte an, über ein ausreichendes mobiles Netz (48,7 Prozent) sowie Wlan (46,2 Prozent) zu verfügen. In der Langzeitpflege und den ambulanten Diensten sieht dies zwar etwas besser aus, aber auch hier ist für mehr als 40 Prozent kein ausreichendes Internet verfügbar. Ausnahme: Beim Wlan stehen die ambulanten Pflegedienste mit 74,7 Prozent am besten da. Vielfach ist auch der Zugriff aufs Internet eingeschränkt – in Krankenhäusern haben zum Beispiel nur 20,5 Prozent uneingeschränkten Zugriff, also nur jeder Fünfte.
2. Pflegeschulen: Viele nutzen ihr eigenes Notebook
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Desktop-PC, Tablets und Notebooks scheinen in Pflege- und Gesundheitsschulen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stehen. 65,8 Prozent der Auszubildenden und 24,4 Prozent der Lehrkräfte nutzen ihre eigenen privaten Endgeräte in der Schule. Ob bei den Lehrenden ein Mangel an Geräten der Grund dafür ist oder sie ihre eigenen Notebooks favorisieren, ist aus der Studie nicht ersichtlich. Weniger als der Hälfte der Lehrenden wird eine Webcam (41,5 %) oder ein Headset (46,3 %) von der Schule zur Verfügung gestellt.
3. Pflegeplanung und Pflegedokumentation: oft noch auf Papier
Wer denkt, die Pflegeplanung und -dokumentation seien heute überwiegend digitalisiert, der irrt. Im Krankenhaus gibt knapp die Hälfte der Befragten (48,7 Prozent) an, diese noch immer auf Papierbasis durchzuführen. In der ambulanten Pflege zeigt sich mit 45,8 Prozent ein ähnliches Bild. Anders in der teil- und vollstationären Langzeitpflege: Diese ist mit 87,4 Prozent der absolute Vorreiter bei der digitalen Pflegeplanung und -dokumentation. Das Personal- und Rechnungswesen sowie die Dienst-/Tourenplanung schneiden in Sachen Digitalisierung besser ab als die Pflegedokumentation (in allen Versorgungsbereichen zwischen 61,5 und 84,6 Prozent).
4. Praktische Pflegetätigkeiten: wenig digitalisiert
Intelligente Pflegewägen, VR-Brillen, Emotionsrobotik (z. B. Paro), Telecare, Sensormatten zur Feuchtigkeitserkennung oder robotische Assistenzsysteme – heute ist vieles möglich. In der Pflegepraxis werden Robotik & Co. aber mit 0,5 bis 0,9 Prozent kaum genutzt.
Digitale Anwendungen gibt es dagegen, in einigen Bereichen mehr, in anderen weniger. Bei den Pflegediensten sind es beispielsweise Sicherheitssysteme (10,8 Prozent) und Aufstehhilfen (13,3 Prozent), in den Pflegeeinrichtungen Sensormatten zur Erkennung von Stürzen (41,4 Prozent) und Spielekonsolen (27,6 Prozent), und in Krankenhäusern ist es das Monitoring von Vitalparametern (51,3 Prozent) und Anwendungen der Telemedizin (35,9 Prozent). Einzig die Videotelefonie zeigt sich als ein relevantes Tool in allen Bereichen (26 Prozent).
5. Pflegeleitungen wenig interessiert an Robotik
Humanoide Roboter, robotische Assistenzsysteme oder die Emotionsrobotik – diese Helfer werden in den Medien häufig als zukunftsträchtig thematisiert. Fragt man die Leitungen, welche digitalen Tools sie sich in der pflegerischen Versorgung vorstellen können, schneiden genau diese am schlechtesten ab (9,8 bis 14,9 Prozent). In den ambulanten Pflegediensten werden digitale Erinnerungshilfen (45,8 Prozent) favorisiert, in der Langzeitpflege die Telemedizin (49,4 Prozent) und im Krankenhaus können sich die Leitungen am besten digitale Erinnerungshilfen (69,2 Prozent) vorstellen. In allen drei Settings sieht man in der Videotelefonie eine wachsende Bedeutung (42,8 Prozent).
6. Kliniken & Langzeitpflege: Weniger als die Hälfte nutzt Förderung
Um die Digitalisierung in der Pflege voranzubringen, gibt es verschiedene Förderprogramme, die Pflegeschulen und Versorgungseinrichtungen abrufen könnten. Dabei erstaunt, dass weniger als die Hälfte der Kliniken, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste überhaupt einen Förderantrag in einem der möglichen Förderprogramme gestellt hat (42,5 bis 45,8 Prozent). Als Gründe dafür werden vor allem fehlende Informationen, zu hohe bürokratische Hürden, fehlende Voraussetzungen und mangelnde Ressourcen angegeben. Deutlich besser stehen die Pflegeschulen da: 80,5 Prozent der Schulleitungen haben Fördermöglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung genutzt.
Über digi2care – Studie zur Digitalisierung in der Pflege
Die Landesstudie „digi2care“ wurde im Zusammenhang mit der „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.1“ beauftragt, ausgeführt hat sie das private Forschungsinstitut Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung GmbH (DIP).
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Für die Studie hat das Institut Leitungen von sämtlichen Pflegeschulen, Krankenhäusern, stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz befragt. Anschließend hat es die Ergebnisse der Befragungen in zwei Expertenworkshops mit je elf Experten aus Rheinland-Pfalz und dem Bundesgebiet diskutiert, um Schwerpunkte, Erkenntnisse und mögliche Empfehlungen zu formulieren. Die Rücklaufquoten der Befragung betrugen 63,1 Prozent bei den Pflegeschulen, 38,6 Prozent bei den Krankenhäusern, 17,1 Prozent bei stationären Langzeitpflegeeinrichtungen und 15,1 Prozent bei ambulanten Pflegediensten. Zudem haben 74 Lehrkräfte im Berufsfeld Pflege einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung ausgefüllt.
Den vollständigen Abschlussbericht finden Sie hier.
Text: Brigitte Teigeler