Weihnachtszeit ist Geschenke-Zeit. Das wussten schon die alten Römer und beschenkten ihre Sklaven, um sich für deren Treue zu bedanken. Auch im Mittelalter war es zumindest im Schusterhandwerk üblich, dass der Meister zum Weihnachtsfest seinen Gesellen ein Stück Leder schenkte, damit die sich ein paar Schuhe nähen konnten. Und seit dem 17. Jahrhundert ist es in England Tradition, Angestellten am Tag nach Weihnachten eine Christmas Box zu überreichen.
1952 gab’s in Deutschland erstmals Weihnachtsgeld
Doch als jährlicher Bonus zum Lohn hat sich das Weihnachtsgeld erst in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt. In Deutschland war es die Gewerkschaft ÖTV, die 1952 erstmals in einem Tarifvertrag eine „Weihnachtszuwendung“ durchsetzte. Inzwischen allerdings ist das Weihnachtsgeld gang und gäbe: „Knapp 86 Prozent der Tarifbeschäftigten erhalten 2022 Weihnachtsgeld“, titelte das Statistische Bundesamt über eine Pressemeldung vom 16. November. Im Durchschnitt, so die Statistiker, liegt dieses Jahr die tarifliche Weihnachtsgeldgabe bei 2.747 Euro, wobei 2.768 Euro den Tarifbeschäftigten in Westdeutschland aufs Konto fließen, in Ostdeutschland allerdings rund 150 Euro weniger.
Die höchsten Beträge können dabei – wer hätte das gedacht! – die Tarifbeschäftigten des Bereiches „Gewinnung von Erdöl und Erdgas“ mit 5.504 Euro erwarten. Am anderen Ende liegen die Tarifbeschäftigten im Bereich „Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften“, worunter auch Zeitarbeitskräfte in der Pflege fallen. Hier gibt es nur durchschnittlich 327 Euro.
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Gute Aussichten auf Weihnachtsgeld mit Tarifvertrag
Doch wie sieht es sonst in der Pflegebranche aus? 87,6 Prozent der Tarifbeschäftigten im Gesundheitswesen erhalten im Schnitt 3.439 Euro, in den Pflegeeinrichtungen sind es 96,4 Prozent, die sich auf durchschnittlich 3.190 Euro Weihnachtsgeld freuen können, so das Statistische Bundesamt.
Zu etwas anderen Zahlen kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hanns-Böckler-Stiftung. Hier sind es 75 Prozent der Pflegekräfte mit Tarifvertrag und gerade mal 30 Prozent ohne tarifliche Bindung, die Weihnachtsgeld erhalten. Dr. Malte Lübker vom WSI:„In der Altenpflege gilt der gleiche Zusammenhang, den wir auch sonst beobachten: Wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist, sind die Aussichten deutlich besser, dass es Weihnachtsgeld gibt.“
10 wichtige Fragen und Antworten zum Weihnachtsgeld
Allerdings muss man diese Zahlen für die Pflegebranche mit Vorsicht betrachten. Denn seit September 2022 gilt die Pflege-Tariftreueregelung. Seitdem dürfen Pflegekassen nur noch Versorgungsverträge mit Pflegeeinrichtungen abschließen, die sich tariflich gebunden haben, den kirchlichen Arbeitsregelungen unterliegen oder ihre Pflegekräfte mindestens in der Höhe der in der Region gültigen Pflege-Tarifverträgen oder gemäß kirchenarbeitsrechtlicher Regelungen entlohnen.
Und das bedeutet in den meisten Fällen dann auch den Anspruch auf Weihnachtsgeld, da „zu der tariflichen Entlohnung auch Jahressonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zählen“, so Amanda Barthel, auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin der Chevalier Rechtsanwälte.
Trotzdem: Auch bei dem Weihnachtsgeld liegt einiges im Detail. Hier die Antworten zu den wichtigsten Fragen:
1. Frage: Hat jede Pflegekraft automatisch Anspruch auf Weihnachtsgeld?
Nein, denn es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf diese Sonderzahlung. Nur wenn der Arbeitsvertrag, der Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung dies vorsieht, können Pflegekräfte Weihnachtsgeld verlangen. Mit der Pflege-Tariftreueregelung sollten aber die meisten Pflegekräfte einen Anspruch haben.
2. Frage: Bekommen Pflegekräfte in der Zeitarbeit Weihnachtsgeld?
Auf jeden Fall alle Pflegekräfte, die bei Zeitarbeitsfirmen arbeiten, die sich dem entsprechenden Branchen-Tarifvertrag unterworfen haben.
3. Frage: Wie kann ein Anspruch auf Weihnachtsgeld auch noch entstehen?
Ein Anspruch kann auch aufgrund einer „betrieblichen Übung“ entstehen, wenn der Arbeitgeber einfach so Weihnachtsgeld zahlt, ohne dass dies vertraglich geregelt wurde. Die „betriebliche Übung“ zählt zu den Gewohnheitsrechten und gilt, wenn ein Arbeitgeber drei Jahre in Folge seinen Angestellten Weihnachtsgeld gezahlt hat, ohne die Freiwilligkeit der Leistung „ausdrücklich, schriftlich und eindeutig“ zu klar gemacht hat.
4. Frage: Wann wird das Weihnachtsgeld ausgezahlt?
Die Auszahlung wird meistens mit der Lohnabrechnung für November, also Ende November, angewiesen.
5. Frage: Wie viel Weihnachtsgeld bekommt man?
Die Höhe des Weihnachtsgeldes regelt kein Gesetz – nur Tarif- und Arbeitsverträge. Die Höhe ist von der Branche, dem Unternehmen, der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie von innerbetrieblichen „Gepflogenheiten“ abhängig. In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld als fester Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. In einigen Branchen beträgt er 100 Prozent, das Weihnachtsgeld ist damit das klassische 13. Monatsgehalt. Unternehmen können ihren Arbeitnehmerinnen unterschiedlich hohe Weihnachtsgelder zahlen, sofern dafür sachliche Gründe vorliegen. Allerdings gilt hier, dass eine höhere Qualifikation eines Beschäftigten laut eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts nicht allein ausreicht.
6. Frage: Wann darf Weihnachtsgeld anteilig oder gar nicht gezahlt werden?
Besonders in Sanierungstarifverträgen kommt es vor, dass der tariflich begründete Anspruch auf Weihnachtsgeld ausgeschlossen oder gekürzt wird. Allerdings kann ein arbeitsvertraglich begründeter Weihnachtsgeldanspruch weder durch einen Tarifvertrag noch durch eine Betriebsvereinbarung aufgehoben oder reduziert werden.
7. Frage: Kann das Weihnachtsgeld bei Krankheit gekürzt werden?
Ja. Bei längeren Krankheitszeiten kann das Weihnachtsgeld anteilig gekürzt werden.
8. Frage: Kann der Arbeitgeber eine Rückzahlung vom Weihnachtsgeld fordern?
Besteht eine Stichtags- oder Rückzahlungsklausel, kann der Arbeitgeber eine Rückzahlung des Weihnachtsgeldes fordern. Laut Stichtagsklausel besteht ein Anspruch auf Weihnachtsgeld als Sonderleistung nur, wenn das Beschäftigungsverhältnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt besteht und bis dahin auch ungekündigt ist. Dies gilt nicht nur bei einer Kündigung der Pflegekraft, sondern auch bei einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber. Ist im Vertrag eine Rückzahlungsklausel formuliert, kann der Arbeitgeber ebenfalls eine Rückzahlung vom Weihnachtsgeld fordern.
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9. Frage: Bekomme ich als Pflegekraft im Mutterschutz Weihnachtsgeld?
Das hängt vom Arbeitsvertrag ab. Der Europäische Gerichtshof allerdings urteilte, dass das Diskriminierungsverbot Arbeitgebern untersagt, Mutterschutzzeiten bei der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation nicht oder nur anteilig zu berücksichtigen.
10. Frage: Kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld mit dem Pflegebonus verrechnen?
Nein. Der Pflegebonus ist eine einmalige Leistung des Staates und kann nicht mit vertraglich ausgehandelten Zusatzzahlungen verrechnet werden.
Weihnachtsgeld: Puffer in der Inflation
„Angesichts historisch hoher Inflationsraten ist für viele Beschäftigte das Weihnachtsgeld so wichtig wie nie zuvor“, weis Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs. „Es schafft zumindest kurzfristig einen Puffer, um auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten reagieren zu können.“
Text: Hans-Georg Sausse