Tipp 1: Bitte nicht zu schick, Vorsicht vor Erinnerungsräumen
Atmosphäre für alte Menschen — da denken manche Einrichtungen an Kuscheligkeit, an rustikale Gemütlichkeit. Und meinen, mit einem Erinnerungszimmer zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: ein stimmiges Ambiente zu schaffen und zugleich – gerade für Demenzkranke – die Erinnerungsarbeit zu fördern. Doch diese Strategie birgt Fallstricke, wie die Altenpflegerin Jutta König im Buch „100 Fehler im Umgang mit Menschen mit Demenz” (Schlütersche, 2020, mit Claudia Zemlin) warnt: Sehen die Räume nämlich gar zu gut hergerichtet aus, halten Bewohner sie für die „gute Stube“, die sie aber in ihrer Kindheit oder Jugend lediglich sonntags nutzen durften. So werde ungewollt eine Barriere geschaffen.
Zudem sind Schränke oder Vitrinen in diesen Zimmern – und manchmal auch die Zimmer selbst – häufig abgeschlossen, auch das fördert nicht die Wohnlichkeit. Also: Zimmer öffnen, die Schränke zugänglich machen und mit spannenden Sachen, die man auch in einem Wohnzimmer zu Hause finden würde, Papier beispielsweise. Und bitte: Für den Möbel- und Accessoires-Kauf nicht gerade den schicksten Antiquitätenladen der Stadt aufsuchen.
[Sie legen Wert auf Exklusiv-Interviews und fundierte Recherche aus der Pflegebranche? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter, damit Sie keinen neuen Beitrag auf pflegen-online mehr verpassen!]
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Tipp 2: Kahle Decken, nein, danke! Himmel über dem Bett, ja, bitte!
Gerade schwer demenzkranke Menschen verbringen viel Zeit in ihrem Zimmer, liegen dabei meist in ihrem Bett, da es ihnen kaum noch möglich ist, aufrecht zu sitzen. Ergebnis: Sie schauen ständig an die Wand oder an die Decke, sehen nur einen Teil ihres Zimmers. Hier ist es ratsam, ihnen durch bestimmte visuelle Reize eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Das könne etwa ein hübsch dekorierter Zweig sein, wie Johanna Radenbach in ihrem Buch „Aktiv trotz Demenz” (Schlütersche 2014) vorschlägt, oder auch ein Mobile.
Besonders effektvoll sei auch ein über das Bett gespannter Himmel aus einem großen farbigen Tuch mit Lichterkette. Doch Achtung: Bitte kein blinkendes Licht einsetzen, da das Flimmern zu Kopfschmerzen oder Unruhe führen kann. Auch per Projektor an die Wand geworfene Bewegtbilder wirken oft zu bedrohlich für Demenzkranke. So oder so gilt: Prüfen Sie die Wirkung auf die Bewohner. Und das Gespräch mit der Haustechnik kann bei Einsatz von Lichterketten auch nicht schaden — gemeinsam lässt sich Brandgefahr vermeiden.
Tipp 3: Ruhe schaffen heißt auch Lärm vermeiden
Menschen mit Demenz sind sensibler als solche ohne Beeinträchtigungen, sie fühlen sich leichter gestört und schneller überfordert. Das zeigten diverse Untersuchungen über Dementia Care Mapping, betont Claudia Zemlin, klinische Psychologin, PBD-Gerontologin sowie Co-Autorin von Jutta König. Was diese Menschen brauchen, ist eine Atmosphäre der Ruhe, vor allem akustischer Art.
Hinzu kommt: Plärrt im Hintergrund ein Fernseher oder ist es auf dem Flur vor dem Zimmer laut, können Menschen mit Demenz Gesprächen mit Pflegekräften nicht mehr gut folgen, sind abgelenkt. Hier gilt: akustische Reize begrenzen, Radio und Fernseher abstellen oder leiser drehen, die Tür zum Flur schließen, und vielleicht auch organisatorisch dafür sorgen, dass man für die Zeit der Beschäftigung mit dem Demenzkranken nicht durch Kollegen gestört wird.
Tipp 4: Mehr körperliche Sinnlichkeit
Wohlgefühl fängt im eigenen Körper an. Das gilt auch für Demenzkranke. Körperpflege sollte daher als angenehme, sinnliche Aktivität gestaltet werden. Beim Duschen oder Baden (Angehörige fragen: Was mochte ihr Familienmitglied früher am liebsten?) könnte man die Bewohnerin etwa bewusst den Duft der Seife einatmen lassen, empfiehlt Johanna Radenbach, auch eine leichte Massage könnte mit dem Waschen verbunden werden. Und warum nicht beim Schaumbad einen Spaß mit den Schaumflocken veranstalten, sie in die Luft pusten — und gemeinsam darüber lachen? Vielleicht bietet sich auch Aromapflege an? Und übrigens: Hilfsmittel wie etwa ein Duschstuhl oder eine Anti-Rutschmatte nehmen dem Waschgang von vornherein eine etwaige Bedrohlichkeit.
Tipp 5: Schlaf zulassen, auch außerhalb des eigenen Zimmers
Manche Bewohner mit Demenz empfinden ihr Zimmer in einer Pflegeeinrichtung als fremd, fühlen sich weder in ihren Räumlichkeiten noch in ihrem Bett daheim. Hier tagsüber die nötige Ruhe zu finden, gar in einen Mittagsschlaf zu fallen, fällt ihnen schwer. Warum sie also nicht dort schlummern lassen, wo sie eingenickt sind? Und sei es am Mittagstisch oder auf einem Stuhl während einer Gruppenaktivität? Auch wenn das für Außenstehende „ungemütlich” aussehen mag, wie Jutta König bemerkt: Für die ermüdeten Demenzkranken ist das allemal besser, als sie ins Bett zu bringen, wo sie – einmal alleingelassen – oft wieder aufwachen und dann in Unruhe verfallen.
Tipp 6: Sich geborgen fühlen im Glauben und in Spiritualität
Atmosphäre entsteht auch durch Sicherheit und das Gefühl von Geborgenheit. Viele Demenzkranke finden eben dies im Glauben oder in Spiritualität. „Leider werden Gottesdienste nur sehr selten angeboten“, bedauern Jutta König und Claudia Zemlin. Zweimal im Monat ein Gottesdienst sei zu wenig, stille das Bedürfnis nach einer geistigen Heimat nicht genug. Natürlich schwinde im Fortlauf der Krankheit die kognitive Religiosität, so Johanna Radenbach – Menschen mit Demenz verstehen immer weniger den Inhalt von Predigten. „Allerdings nimmt er die Atmosphäre von religiösen Ritualen wahr und genießt sie — besonders, wenn er aus einer gla?ubigen Familie stammt.” Liebe, Hoffnung und Gemeinschaft, das liege alles im Langzeitgedächtnis verankert. So könnten auch heute noch religiöse Rituale wie ein Morgengebet oder ein Gebet zu Beginn einer Mahlzeit Struktur geben — und ein gutes Stück Geborgenheit.
Autorin: Romy König