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Pflegeheime

Corona-Impfungen: Die Hausärzte schaffen das nicht

Weil die Ausbrüche in Pflegeheimen seit Mitte Oktober um 56 Prozent zugenommen haben, werden die mobilen Impfteams reaktiviert   

Ende September schien alles wieder gut. Die Inzidenz war moderat, in den Alten- und Pflegeheimen zog fast der Normalzustand ein. Viele der 430 Impfzentren wurden geschlossen, der „Freedom Day“ stand vor der Tür.

Zu früh gehofft. Denn kaum waren die Jubelmeldungen verhallt, kamen die ersten Warnschüsse:

  • In einem Bayreuther Altenheim brach die Corona-Pandemie wieder aus.
  • 21 Corona-Fälle wurden aus drei Mainzer Senioreneinrichtungen gemeldet.
  • In einem Altenpflegeheim in Kippenheim (Ortenaukreis) wurden zwölf Mitarbeiter und 26 Bewohnerinnen positiv getestet.
  • Ein Pflegeheim im Landkreis Bamberg zählte zwölf Covid-Fälle.
  • Gleich 60 Bewohnerinnen und 15 Mitarbeiter infizierten sich in einem Pflegeheim in Norderstedt bei Hamburg.
  • In einem Altenheim am brandenburgischen Wehrbellinsee starben elf Bewohner an Corona. Das Brisante: Der Heimleiter soll das Heim noch betreten haben, nachdem er bereits positiv auf Corona getestet worden war.   
  • In einem Pflegeheim in Mannheim-Neckarau, so berichtet der Sender SWR am 4. November, sind bei einem Corona-Ausbruch fünf Bewohner gestorben, allerdings: Vier von ihnen waren ungeimpft. Weitere Corona-Ausbrüche gab es in Pflegeheimen im Rhein-Neckar-Kreis.

Wie in den Pflegeheimen die Corona-Fälle geradezu explodieren, dokumentieren auch die aktuellen Zahlen des RKI: Waren es bis Mitte Oktober deutschlandweit 78 Einrichtungen, aus denen Corona-Ausbrüche vermeldet wurden, stieg die Zahl der betroffenen Alten- und Pflegeheime schon eine Woche später auf 122. „Die aktuelle Situation in der Altenpflege ist alarmierend“, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gegenüber der dpa.

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Wie konnte das passieren? Sind die Alten- und Pflegeheime zu schnell aus dem Lockdown in die Normalität zurückgekommen? Für Patientenschützer Eugen Brysch sind die Gründe fehlende Impfangebote und Tests. Er fordert ein Schutzkonzept für die Pflegeheime mit verbindlichen täglichen Tests, damit die Altenpflege nicht in ein „Desaster“ hereinschlittere.

Sind vielleicht Hygienemängel auch ein Grund für Ausbrüche? 

Doch könnte es auch an zu großer Lockerheit bei den Schutzmaßnahmen liegen? „Die Einrichtungen sind gut aufgestellt“, stellt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands fest. Der Deutsche Caritasverband deutet die steigenden Fallzahlen gegenüber ZDFheute so: „Da von den hochbetagten Menschen in den Pflegeheimen sehr viele Vorerkrankungen haben, kommt es in seltenen Fällen auch zu schwereren Infektionen und sogar Todesfällen, obwohl die Einrichtungen und Dienste effektive Hygienekonzepte haben und Personal und Besuchende kontinuierlich testen.“ Das RKI hingegen sieht noch Mängel im Hygienemanagement.

Dann gibt es noch den Verdacht, dass die erneuten Ausbrüche mit der relativ geringen Impfquote unter den Altenpflegekräften liege. Exakte Zahlen gibt es allerdings nicht: so geht der Paritätische Gesamtverband von weit über 70 Prozent geimpfter Pflegekräfte aus, der bpa (Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste) kommt in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern auf eine Quote von 80 bis 85 Prozent. 

Hausärzte-Chef: Wir sind die richtigen für Booster-Impfungen

Wenn also die Hygiene-Maßnahmen umfassend und jetzt doch schon mehr Pflegekräfte geimpft sind als vor einem halben Jahr, bleibt als Schutz für die Pflegeheim-Bewohnerinnen vor allem die Booster-Impfung. Und darauf setzt jetzt die Politik. Das Problem: Die meisten Impfzentren sind geschlossen, die bei ihnen oft angesiedelten mobilen Impfangebote ausgedünnt und die Hausärzte kommen und können – gerade auf dem Land – der von ihren Verbänden eingeforderten Impfhoheit ihre Verpflichtung nicht einlösen.

Daher fordert jetzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – geschäftsführend immer noch im Amt – die Wiedereröffnung der Impfzentren. Allerdings sehen die Länder das skeptisch. Auch Hausärztechef Ulrich Weigeldt hält davon „gar nichts“, wie er dem Magazin „Wirtschaftswoche“ berichtet. Die Hausärzte seien die richtige Adresse für die Booster-Impfungen. „Dazu ist das Hausarztmodell mit Kosten von 20 Euro pro Impfung deutlich günstiger als ein Impfzentrum, wo man immer wieder hört, dass eine Impfung 220 Euro kostet“.

Das Beispiel Israel macht Hoffnung

Dass die Booster-Impfungen die Pandemie-Lage entscheidend beeinflussen können, zeigt Israel. Dort wird schon seit Juli geboostert. Aktuelle Studien belegen den Erfolg: die Inzidenz unter 50, rund 90 Prozent weniger Infektionen, rund 80 Prozent weniger Krankenhausaufenthalte.

In den Pflegeheimen werden jetzt deutschlandweit mit Impfteams und niedergelassenen Ärztinnen die Auffrischungsimpfungen beschleunigt. Zumindest Mecklenburg-Vorpommern ist schon recht weit. Bis Anfang November waren schon 202 der 253 stationären Pflegeeinrichtungen mit Booster-Impfungen versorgt. Was, wie das Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern stolz vermeldet „einer sehr guten Quote von 80 Prozent“ entspricht.

Autor: Hans-Georg Sausse

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