Am 12. Mai, am Internationalen Tag der Pflege, hat sich der Bochumer Bund, Deutschlands erste Pflegegewerkschaft, gegründet. Eigentlich eine Nachricht, die es in sich hat. Doch nur vereinzelt war davon zu lesen oder zu hören (im März ein Interview im Deutschlandfunk, am 13. Mai ein Bericht im WDR). Und das, obwohl die Publikumsmedien von Spiegel bis Bild augenblicklich so viel wie nie zuvor über die Arbeit der Pflegekräfte berichtet hat. Woran es liegt? Vermutlich am Geld. Geld für Kampagnen, Geld für eine Agentur, Geld für schlaue Slogans, Geld für schicke Fotos. Und Geld, um einige Hauptmerkmal einer Gewerkschaft zu erfüllen. Denn bisher fehlen dem Bochumer Bund Streikkasse und Rechtsschutz für Mitglieder; Tarifpartner ist er selbstverständlich auch noch nicht.
„Viele Pflegekräfte sind enttäuscht von Verdi“
So gesehen ist der Bochumer Bund (die Namensanalogie zum Marburger Bund, der Interessenvertretung der Krankenhausärzte, ist beabsichtigt) noch keine richtige Gewerkschaft. Doch verspricht der Vorstandsvorsitzende Benjamin Jäger sich gute Chancen, zur Konkurrenz von Verdi zu werden. „Verdi ist ein großes Sammelbecken für die unterschiedlichsten Berufsgruppen. Die Gesundheitsberufe sind nur ein Teilbereich und stehen mit rund 380.000 Mitgliedern auch numerisch schwach da. Dabei sind Pflegekräfte wiederum auch nur ein Teil der Gesundheitsberufe. Viele Pflegekräfte sind enttäuscht von Verdi, manche sind auch schon ausgetreten und zu uns gewechselt.“
Vorstand bisher wenig involviert in Pflegepolitik
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Der 32-Jährige verkörpert wie viele der Bochumer-Bund-Gründer den Neuanfang: Nach einem dualen Pflegestudium an der Hochschule für Gesundheit in Bochum steht er am Beginn seiner Karriere. In seinen Zwanzigern hat Benjamin Jäger – nach einem Schlenker zu einem Geschichtsstudium – als Pflegehelfer und Betreuer gearbeitet, dabei auch Erfahrung mit Zeitarbeit gesammelt. Während seines Pflegestudiums befasste er sich mit Organisationen wie Berufsverbänden und Gewerkschaften. Angehört hat er einem Berufsverband aber nie, Verdi-Mitglied war er auch nicht.
„Wir möchten kein abgehobener Vorstand sein“
Ist die bisherige Mitgliedsabstinenz vielleicht auch ein Grund, weshalb die neue Gewerkschaft Bochumer Bund noch relativ unbekannt ist? Fehlt die Vernetzung, die Einsicht, gerade in der Politik abhängig von Beziehungen zu sein? Benjamin Jäger bezeichnet den Bochumer Bund als unbeschriebenes Blatt und wertet dies als Vorteil. „Wir sind eine Gewerkschaft, die von Pflegekräften aus der Praxis gegründet wurde. Dass Leute aus den Vorständen anderer Gewerkschaften gar nicht wissen, wie es ist, am Bett zu arbeiten, wird ja gerade an Verdi immer wieder kritisiert. Wir möchten kein abgehoben Vorstand sein, sondern die Kollegen miteinbeziehen – dieser Aspekt steht bei uns ganz stark im Vordergrund. Ich glaube, das kommt bei den jungen Menschen an – und genau die sind es, die wir ansprechen möchten: Diejenigen die jetzt in den Beruf hineinwachsen und nicht mehr nur jammern, sondern gestalten möchten.“
2 bis 5 Euro Mitgliedsbeitrag pro Monat
Interessierten wird die Mitgliedschaft leicht gemacht: Der monatliche Beitrag beträgt für Auszubildende 2 Euro und für alle regulär Erwerbstätigen 5 Euro. „Die Mitgliederversammlung muss zukünftig diskutieren, ob wir die Beiträge etwas angehoben werden, damit wir auch Leistungen wie Rechtsschutz und Beratung anbieten können“ sagt Benjamin Jäger.
Klares Bekenntnis zur Pflegekammer in Gründungserklärung
Auch wenn der Bochumer Bundes in der Branche bisher noch wenig bekannt ist: Es dürfte seine Akzeptanz auf der pflegepolitischen Bühne fördern, dass er etablierte Organisationen wie Berufsverbände und Pflegekammern nicht ablehnt. Benjamin Jäger betont im Gespräch, wie wichtig die Trias aus Verbänden, Gewerkschaften und Pflegekammern ist, in der Gründungserklärung gibt es sogar ein klares Bekenntnis zu Pflegekammern. Dort heißt es: „Landespflegekammern und eine Bundespflegekammer sollen die berufspolitischen Interessen aller Pflegenden gegenüber der Gesellschaft und nicht zuletzt gegenüber den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen vertreten.“
Einige „namenhafte Personen“ unterstützen den Bochumer Bund
„Pflegekammern abzulehnen ergibt keinen Sinn – damit würde man doch ausdrücken, dass man im Grunde nicht möchte, dass sich etwas bewegt“, sagt Benjamin Jäger. Diese Haltung hat sicherlich dazu beigetragen, dass einige „namenhafte Personen“, wie er es ausdrückt, dem Bochumer Bund bereits ihre Unterstützung angeboten haben. Um wen es sich handelt, möchte der Vorstandvorsitzende nicht sagen. Ebenso wenig gibt er die Mitgliederzahl preis. Zumindest in letzterem Punkt ist der Bochumer Bund seinem großen Konkurrenten Verdi sehr ähnlich.
Autorin: Kirsten Gaede
Klarstellung: In der ursprünglichen Version dieses Artikels lautete die Überschrift: „Bochumer Bund: Deutschlands erste Pflegegewerkschaft“. Zwei Leser haben uns daruf aufmerksam gemacht, dass es schon 1991 eine Pflegegewerkschaft (Gewerkschaft Pflege) gab. Sie ging später in die Gewerkschaft für Beschäftigte im Gesundheitswesen über, welche sich 2009 auflöste.