Gegen Blaumacher kann lässt sich nichts ausrichten, hat uns eine Leserin geschrieben, die nicht namentlich genannt werden möchte. Sie kommentiert damit ein Interview, das unsere Redaktion mit dem Berater und examinierten Altenpfleger Birger Schlürmann geführt hat. Birger Schlürmann kommt in dem Gespräch darauf zu sprechen, dass seine Kunden jetzt häufiger an Pflegekräfte geraten, die die prekäre Personalsituation ihres Arbeitgebers ausnutzen und systematisch Krankheit simulieren. Dazu meinte er:
„Ich rate in solchen Fällen dazu, den Blaumacher in jedem Falle dem Medizinischer Dienst zu zuführen und außerdem nach jeder Krankheitsphase – auch bei einem Tag – ein strukturiertes Rückkehrer-Gespräch zu führen. Ändert er sein Verhalten nicht, sollte ihm konsequent gekündigt werden.
Das ist übrigens nicht so schwer umzusetzen: Ich mache bei ihm regelmäßig eine Pflegevisite, weise ihn auf Fehler in der Pflege oder Dokumentation hin und fordere ihn auf, diese abzustellen. Da ergeben sich dann immer Anlässe für eine Abmahnung: Zum einen ist die Dokumentation grottenschlecht – zum Beispiel der Pflegeprozess nicht abgebildet, pflegerische Risiken nicht nachvollziehbar gesteuert, Lücken in Leistungsnachweisen, fehlende Indikationsformulare und so weiter und so fort.“
Lesen Sie nun zuerst den Kommentar unserer Leserin, dann die Reaktion von Birger Schlürmann auf den Kommentar, und dann eine Einschätzung (mit vielen Tipps) der Fachanwältin Nancy Novak aus der Kanzlei Laborius.
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Der Kommentar der Leserin:
Das Verhalten dieser Mitarbeitenden ist in der Tat ein Ärgernis – nur: mit dem Hinweis, dass Kündigung nicht so schwer ist, gebe ich Herrn Schlürmann nicht Recht. Gegebenenfalls, weil wir hier im öffentlichen Dienst arbeiten und es per se schwieriger ist, jemanden „loszuwerden“. Das Problem ist, dass diese Mitarbeitenden Sie schnell aushebeln können, wenn sie nachweisen, dass nur sie so beobachtet werden. Leider sind nicht nur diese Exemplare in der Regel nicht die besten Fachkräfte, sondern auch einige andere. Dann müsste ich mehrere Mitarbeitende luxieren – und das kann ich mir, sogar in der Psychiatrie, nicht leisten.
Die Antwort von Birger Schlürmann:
Ich kann Ihre Bedenken vor allem hinsichtlich des drohenden Personalverlustes absolut nachvollziehen. Die Aussage ist vor allem so gemeint gewesen, dass man Druck auf solche Mitarbeiter aufbaut. Manche gehen dann tatsächlich von allein und glauben, dass sie anderswo den ungeliebten Dokumentationstätigkeiten entrinnen können.
Ich beobachte nicht selten, dass solche Mitarbeiter mit ihrer insgesamt destruktiven Art das Team unterwandern. Sicherlich ist es auch ein Unterschied in Bezug auf eine rechtssichere Kündigung, wer der Dienstgeber ist. Meine Aussage zielt aber vor allem darauf ab, Führungskräften Mut zu machen im Umgang mit destruktiven Mitarbeitern.
Wir haben zum Thema Kündigung auch noch eine Fachanwältin für Arbeitsrecht gefragt: Nancy Novak aus der Kanzlei Laborius, mit der wir vor einigen Monaten schon über Kündigungen von Arbeitnehmern mit anschließender Krankmeldung gesprochen haben.
Nancy Novak von der Kanzlei Laborius hat dazu geschrieben:
Den Unmut in Bezug auf „Blaumacher“ kann ich nachvollziehen. Nicht nur, dass dies die pflegerischen Einrichtungen immer wieder vor organisatorische Problemen stellt. Ein solches Verhalten Einzelner kann auch zu erheblicher Unruhe im Team führen. Schließlich sind es am Ende doch die Kollegen, die diese Ausfälle – gegebenenfalls durch Überstunden und Mehrarbeit – auffangen müssen.
Ich gebe Herrn Schlürmann Recht, dass man ein solches Verhalten auf Dauer nicht durchgehen lassen sollte. Wenn ein Arbeitgeber sich dazu entscheidet, gegen „Blaumacher“ vorzugehen, gibt es – worauf auch Herr Schlürmann bereits hingewiesen hat – verschiedene Wege. Ein Weg sollte zunächst sein, den Medizinischen Dienst einzuschalten. Ein weiterer Weg sind arbeitsrechtliche Sanktionen in Form von Er- und/oder Abmahnungen bis hin zur Kündigung. Natürlich darf einem Arbeitnehmer nicht aufgrund seiner Erkrankung gekündigt werden. Ist er nachweislich aber nicht erkrankt und simuliert nur, handelt es sich um einen Pflichtenverstoß, der abgemahnt oder gar mit einer Kündigung sanktioniert werden kann. In der Regel lässt sich dies aber nur schwer nachweisen, so dass dem Arbeitgeber dann nur die Möglichkeit bleibt, anderes Fehlverhalten zu sanktionieren und gegebenenfalls schlussendlich die Kündigung auszusprechen.
Wird eine Kündigung des „Blaumachers“ angestrebt, sollte diese gut vorbereitet werden, da sie dem Arbeitgeber anderenfalls im Falle eines Kündigungsrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht auf die Füße fallen kann. Der Arbeitgeber sollte auf eine hinreichende Dokumentation achten und vor allem die Formerfordernisse bezüglich einer Abmahnung und einer Kündigung einhalten. Wichtig ist an dieser Stelle, den Unterschied zwischen einer Ermahnung und einer Abmahnung zu kennen. Die Ermahnung hat arbeitsrechtlich keine Auswirkungen, kann also zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht herangezogen werden. In manchen Fällen genügt aber bereits eine Ermahnung um den betreffenden Arbeitnehmer wachzurütteln.
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Abmahnung: 6 Dos and Don’ts
Hat man einen besonders hartnäckigen Fall, sollten Fehlverhalten abgemahnt und spätestens nach der zweiten oder dritten Abmahnung eine Kündigung ausgesprochen werden. In der Praxis ist allerdings immer wieder zu sehen, dass eine ausgesprochene Kündigung oftmals an unwirksamen Abmahnungen scheitert. So ist entweder das monierte Fehlerverhalten nicht ausreichend beschrieben oder aber es fehlt an der Androhung arbeitsrechtlicher Sanktionen. Vielfach werden Abmahnungen im Eifer des Gefechts auch nur mündlich ausgesprochen, was im Falle eines Rechtsstreits regelmäßig zu Beweisproblemen führt. Bei der Anfertigung einer Abmahnung sollte also auf Folgendes geachtet werden:
- Das Fehlverhalten muss präzise genug (bestenfalls nach Ort, Datum, Zeit und Sachverhalt) beschrieben sein.
- Dem Arbeitnehmer sollte mitgeteilt werden, wie er sich künftig vertragsgetreu zu verhalten hat.
- Die Abmahnung muss die Warnfunktion erfüllen: Dem Arbeitnehmer müssen also arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall eines erneuten Verstoßes gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten angedroht werden.
- Der Arbeitgeber sollte die Abmahnung schriftlich aussprechen um im Falle eines späteren Rechtsstreits darlegen und beweisen zu können, was konkret abgemahnt wurde und dass arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht wurden.
- Der Arbeitgeber sollte auch darauf achten, dass der Zugang der Abmahnung beim Arbeitnehmer bewiesen werden kann. Dies ist beispielsweise durch eine persönliche Übergabe im Beisein von Zeugen oder durch einen von einem Zeugen dokumentierten Einwurf im Briefkasten des Arbeitnehmers möglich.
- Für eine Kündigung herangezogene Pflichtverstöße können im Übrigen nur solche sein, die gleichartig sind. Das bedeutet, dass eine Kündigung nicht aufgrund eines Fehlers in der Pflege ausgesprochen werden kann, wenn ihr nur Abmahnungen zugrunde liegen, die sich auf das Nichterscheinen zur Arbeit oder die nicht rechtzeitige Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beziehen. Diese Pflichtverletzungen wären nicht als gleichartig anzusehen.
Das Umsetzen einer Kündigung mag insofern auf den ersten Blick „gar nicht so schwer umzusetzen“ sein, ist tatsächlich aber mit einer Menge Fallstricke für den Arbeitgeber verbunden. Eine schlecht vorbereitete Kündigung kann den Arbeitgeber daher eine Menge Geld kosten.
Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht unbedingt
Den Einwand der Pflegedirektorin, die Mitarbeitenden könnten den Arbeitgeber schnell aushebeln, wenn sie nachweisen, dass nur sie so beobachtet werden, kann ich nur bedingt unterstreichen. Hier scheint sie auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz anspielen zu wollen. Dieser ist im Kündigungsrecht grundsätzlich nicht, allenfalls aber nur eingeschränkt anwendbar, da es sich bei solchen Kündigungen immer um Einzelfallentscheidungen handelt. Vom Arbeitgeber ist also jeweils eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen. Gleichwohl gibt es aber durchaus eine instanz-gerichtliche Rechtsprechung, nach der der Gleichbehandlungsgrundsatz insoweit zu beachten ist, als dass eine „willkürlich“ strengere Beurteilung einzelner Arbeitnehmer unzulässig ist. Wie gesagt, hier muss man sich den Einzelfall anschauen.
Besser nicht andere Anbieter warnen!
Vorsicht würde ich mit einer Warnung gegenüber anderen Anbietern vor „Blaumachern“ walten lassen. Hier kann schnell der Vorwurf der üblen Nachrede oder der Verleumdung im Raum stehen. Der Arbeitnehmer könnte sich gegen solche Behauptungen mit Unterlassungsklagen wehren. Strafrechtlich drohen empfindliche Geld- und hohe Freiheitsstrafen.
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