Vielen geht es so wie der Anästhesieschwester aus Norddeutschland, die ihren Namen in dieser Geschichte lieber nicht lesen möchte. Wer als Festangestellter in der stationären Pflege regelmäßig mit Zeitarbeitskräften zusammenarbeitet und erfährt, was sie teilweise verdienen, kommt ins Grübeln und hört sich selbst bei Personaldienstleistern um.
300 Euro netto mehr Gehalt
Mit ihrer langjährigen Erfahrung im Funktionsbereich könne sie als bei einer Zeitarbeitsfirma monatlich 300 Euro netto mehr verdienen, sagt die Schwester: „Und das bei einer 60-Prozent-Stelle mit drei Arbeitstagen pro Woche.“ Mittlerweile hat sie sich entschieden: Sie wechselt.
Tabu: kurzfristiges Einspringen
Die Zeitarbeitsfirmen haben gute Argumente. Neben dem meist höheren Gehalt versprechen sie bessere Planbarkeit und Flexibilität beim Dienstplan, vor allem aber mehr Mitbestimmung mit Blick auf Arbeitszeit und -umfang. Doppeldienste und kurzfristige Einsätze an freien Tagen seien tabu, sagt Sebastian Lazay, Geschäftsführer der Hamburger Extra-Personalservice GmbH: „Während in den Heimen oft ein sehr hoher moralischer Druck herrscht und die Kollegen dort auch erwarten, dass zusätzliche Dienste übernommen werden, schützen wir unsere Leute davor.“
Schluss mit Cliquen- und Zicken-Zirkus
Das hat auch die Krankenschwester aus Norddeutschland überzeugt. „Ich lege meine Dienste künftig selber fest, habe Nachtschichten ausgeschlossen und kann auch meine Urlaubspläne gestalten, ohne mich mit jemandem absprechen zu müssen.“ Hinzu komme ein weiteres Plus: „Der ganze Cliquen- und Zicken-Zirkus auf der Station ist für mich jetzt Vergangenheit.“ Sollte die neue Art zu arbeiten ihr wider Erwarten doch nicht gefallen, bleibe zudem immer ein Hintertürchen offen: „Ich lerne jetzt verschiedene Häuser und Teams kennen, und angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte eine Rückkehr in eine Festanstellung dort kein Problem sein.“
Tipps für die Auswahl der Zeitarbeitsfirma
Wer mit dem Job bei einer Zeitarbeitsfirma liebäugelt, kann wählerisch sein – auch in der Altenpflege. In vielen Regionen suchen gleich mehrere Personaldienstleister neue Mitarbeiter. Stürzen Sie sich nicht auf das erstbeste Angebot, beachten sie folgende Tipps:
- Schon eine kurze Internetrecherche ergibt meist diverse Stellenangebote.
- Achten Sie darauf, dass die Chemie stimmt. Mit Blick auf Ihren Marktwert müssen Sie keine Kompromisse eingehen.
- Scheuen Sie sich nicht, vermeintlich unbequeme Fragen zu stellen. Der potenzielle neue Arbeitgeber sollte sie offen beantworten und nicht ausweichen.
- Was ist beispielsweise im Fall einer Krankheit? Werden die geplanten Dienste dann trotzdem bezahlt? Und wie sieht es mit der Urlaubsregelung aus?
- Lassen Sie sich Ihr individuelles Gehalt in brutto und netto von ihren favorisierten Zeitarbeitsfirmen ausrechnen.
Konkurrenz durch Springer-Pools
Bis zu maximal drei Monate würden die Zeitarbeiter an einem Einsatzort beschäftigt, sagt Olaf Bentlage vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Das verspricht auch für Zeitarbeitskräfte eine gewisse Konstanz und Bequemlichkeit – die in einzelnen Regionen allerdings bereits wieder zu schwinden scheint. Zumindest größere Häuser oder Heimkonzerne bilden zunehmend eigene Personal-Pools, in denen sie einen Stamm aus 450-Euro- und Teilzeit-Kräften als interne Springer beschäftigen.
Trend zu häufigeren Wechseln
In Krankenhäusern lässt sich dieser Trend schon länger beobachten. Der Berliner Klinikkonzern Vivantes etwa setzt konsequent auf Pools von Mitarbeitern, die dann auch über Standorte hinweg eingesetzt werden. „Externe Zeitarbeitskräfte brauchen wir auch weiterhin“, sagt Ralf Wagner, Pflegedirektor der Vivantes-Häuser Humboldt-Klinikum und Spandau: „Doch immer häufiger müssen sie an einer Stelle nur noch für wenige Tage einspringen.“ Für die Leiharbeiter heißt das tendenziell, dass sie ihre Einsatzorte noch häufiger wechseln müssen.
Jung, flexibel, ungebunden
Nicht nur deshalb ist die Entscheidung für die Zeitarbeit auch eine Typ-Frage. Wer mehr Freiheiten möchte, nicht in einem festen Team arbeiten mag oder darauf verzichten kann und regelmäßige Wechsel schätzt, liegt richtig. Grundsätzlich sei die Zeitarbeit eher etwas für Jüngere, die flexibel und nicht ortsgebunden sind, sagt Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK): „Sie können sich bei guter Bezahlung viele unterschiedliche Träger anschauen und ausloten, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln wollen oder wo ein Karrieresprung möglich scheint.“
Zeitarbeit - ideal neben dem Studium
Vielfach nutzten hoch qualifizierte Pflegekräfte diese Form der Beschäftigung, „weil sie sich nicht mehr in die Tretmühle einer Festanstellung begeben wollen“, ist Knüppel überzeugt: „Die wissen, dass ihr Marktwert hoch ist.“ Andere bauten sich nebenbei ein neues Standbein auf, beispielsweise durch ein Studium. „Für sie ist es ideal, dass sie ihre Einsätze in der Zeitarbeit Wochen im Voraus planen können.“ Zudem ließen sich dabei häufig auch Wechselschichten und Spätdienste ausschließen.
Zeitarbeiter darf keine Schwächen zeigen
Gerade deshalb liegt die Messlatte mit Blick auf die Leistung höher. „Mir ist schon klar, dass man als Zeitarbeiter auf Zack sein und Leistung bringen muss“, sagt die Krankenschwester aus Norddeutschland, die demnächst bei ihrem neuen Arbeitgeber beginnt. Die Situation der festangestellten Kollegen kennt sie schließlich genau: „Wenn die merken, dass man sich doof anstellt, ist man schnell unten durch.“
Autor: Jens Kohrs
Foto: Jens Schünemann