Manchmal kommen Revolutionen auf leisen Sohlen und ihre wirklich dramatischen Auswirkungen merkt man erst Jahre später! So verhält es sich mit den Reformen der Pflegeversicherung zur Anerkennung von Tariflöhnen bei Kostenverhandlungen. Im Paragraf 84 Pflegeversicherung steht es schwarz auf weiß: Tarifgehälter sind als wirtschaftlich zu akzeptieren.
Geiz-ist-geil-Politik hat massenweise Pflegekräfte vertrieben
Und übersetzt in „Klardeutsch“ heißt das: Die zunehmend knappe, professionelle Pflege wird ein teures Gut! Und das ist richtig so. Zwei Jahrzehntelang hatte die Pflegeversicherung dem zynischen „Standard Pflegesatz-Modell“ angehangen – und dies mit nur einer Zielrichtung: Im direkten Vergleich sollte und musste Pflege immer billiger werden. Die Folgen einer solchen Kahlschlag-Politik sind heute überall zu besichtigen: Unter dem allgegenwärtigen Kostendruck nahmen Pflegekräfte zu Hunderttausenden Reißaus.
Was jetzt passieren muss: Teilkasko-Logik nachjustieren
Jetzt also Paradigmenwechsel: Pflege darf uns etwas kosten. Deswegen streben seriöse, tarifgebundene Anbieter nun nach dem Schulterschluss zum teureren Krankenhaustarif. Lohnangleichung also auch mit Blick auf gleiche Bedingungen in der Konsequenz generalistischer Ausbildung.
Des einen Freud ist des anderen Leid – so lange die Pflegeversicherung nicht ihr Teilkasko-Logik nachjustiert zahlen die teure Zeche erst einmal die Pflegebedürftigen und ihre Angehörige. Nach der Reform ist also vermutlich vor der Reform.
Illustrator: Peter Funken
Der Kommentar erschien erstmals am 9. April 2019 auf pflegen-online