Betreuungskräfte haben nach § 43b und 53c SGB XI eine tragende Rolle: Betreuungsassistenten, wie sie auch genannt werden, sollen Pflegefachkräfte unterstützen und den weitergehenden Betreuungs- und Beschäftigungsbedarf abdecken.
Wie und ob das in der Praxis funktioniert, darüber haben wir mit Anne Roder, Fachkraft in der Gerontopsychiatrie, Dozentin in der Altenhilfe und Teamerin in der Integrativen Validation® gesprochen. Detaillierte Einblicke zum Thema gibt sie auch in ihrem Buch Neu als Betreuungskraft. Aktuelles Fachwissen für Ein- und Umsteiger.
pflegen-online: Frau Roder, können Sie uns kurz etwas dazu sagen, wie das mit den Betreuungskräften angefangen hat?
Anne Roder: Gerne. Diese Maßnahmen gehen auf das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz von 2008 zurück. Zunächst bezogen sich die zusätzlichen Betreuungsleistungen durch Betreuungskräfte gemäß §87b SGB XI nur auf Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen in vollstationären Einrichtungen. Und im Sinne des §45a SGB XI auf Personen mit erheblichen allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf. Schon 2013 bestand auch für teilstationäre Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, zusätzliche Betreuungskräfte einzusetzen. Ab 2015 wurde im Rahmen des Ersten Pflegestärkungsgesetzes der Anspruch dann glücklicherweise auf alle Bewohner beziehungsweise Tagesgäste von Pflegeeinrichtungen ausgedehnt.
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Weiter angepasst wurden die Bestimmungen 2017 mit dem § 43b SGB XI, der die bisherigen Regelungen des §87b SGB XI ablöste. Das ist wunderbar und die Bewohner profitieren davon. Denn zu den Tätigkeiten gehören alle zusätzlichen Betreuungs- und Aktivierungsleistungen (stets in enger Kooperation mit den Pflegefachkräften), die über die notwendige Versorgung hinausgehen. Dazu zählt unter anderem die Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten wie Spaziergängen, Gesellschaftsspielen, Lesen, Basteln oder einfach auch nur Zuhören.
Und wie würden Sie die Zusammenarbeit von Pflegedienstleitungen, Pflegefach- und Betreuungskräften beurteilen?
Die Beantwortung dieser Frage ist tatsächlich ein etwas schwieriges Feld. Meiner Meinung nach funktioniert die Zusammenarbeit in einigen Bereichen wirklich sehr gut, was aber immer auch individuell von der jeweiligen Einrichtung abhängt. In vielen Fällen ist das Ganze aber entwicklungsfähig und meines Erachtens besteht in diesen Fällen Veränderungsbedarf. Manche Betreuungskräfte, mit denen ich gesprochen habe, beurteilen die Zusammenarbeit oft als wenig konstruktiv, sie fühlen sich mitunter von den Pflegekräften ausgegrenzt beziehungsweise außen vor gelassen. Das ist schade und nimmt der Arbeit der Betreuungsassistenten ihre eigentlich große Wichtigkeit. Das ist die eine Seite.
Eine andere Seite zeigen aber viele Einrichtungen, die deutlich erkannt haben, wie wertvoll Betreuungskräfte für die pflegebedürftigen Menschen im Pflegealltag sind und sie deswegen gerne einstellen. Denn wie ich immer wieder gesehen habe: Betreuungskräfte entlasten die Pflege und tun den Betreuten gut. Meiner Meinung nach gestaltet sich die Zusammenarbeit deswegen schwierig, weil noch nicht überall die Strukturen und die Kommunikation so funktionieren, dass das Gefühl eines Miteinanders zum Wohl der betreuten Menschen und eines gemeinsamen Teamgeistes besteht.
Worin sehen Sie die Hauptfehler?
Manchmal vermissen die Betreuungskräfte Wertschätzung und fühlen sich und ihre Arbeit nicht gewürdigt. Und wenn Anerkennung und Respekt fehlen, gerät das ganze System schnell in Schieflage. Andere Betreuungskräfte haben mir von Kommunikationsproblemen berichtet. Informationen über die einzelnen Bewohner erreichen sie nicht oder nicht ausreichend. Und so müssen sie dann quasi als Einzelkämpfer agieren. Wenn die Kommunikation nicht stimmt, behindert das den Pflegealltag eher als dass es ihn befördert.
Es müsste vor allem viel mehr auf einen strukturierten, konstruktiven und fachlichen Austausch geachtet werden, damit Pflegefach- und Betreuungskräfte besser Hand in Hand arbeiten können. Dies zu lenken, ist meiner Meinung nach in erster Linie die Aufgabe der zuständigen Leitungskräfte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in sehr großem Maße davon abhängt, welche Philosophie und Haltung in einer Einrichtung gelebt wird, wie die Mitarbeiter generell miteinander umgehen. Aber auch die Pflegekräfte sind hier in der Pflicht. Betreuungskräfte sollten als Bereicherung gesehen, anerkannt und ins Team integriert werden.
Finden Sie den Einsatz von Betreuungsassistenten wichtig?
Unbedingt. Dass jede Einrichtung auf Betreuungskräfte zurückgreifen kann, ist eine wunderbare Möglichkeit, Räume für betreuungsbedürftige Menschen zu schaffen, für die die Pflege meist zu wenig Zeit hat. Es könnte mehr an einem „Wir-Gefühl“ gearbeitet werden. Betreuungskräfte haben von PflegekollegInnen auch schon mal Äußerungen gehört wie "wir hasten von Bewohner zu Bewohner, haben die ganze Arbeit, sind ständig unter Zeitdruck und ihr seid dann für den Spaß zuständig". Das klingt krasser als es in Wirklichkeit ist. Aber diese Aussage bringt es schon ganz gut auf den Punkt und schließt sich direkt nochmal an die vorherige Frage an. Es müsste seitens der Verantwortlichen mehr getan werden, um beide Bereiche zusammen zu bringen, damit eine wertschätzende, sich ergänzende und unterstützende Arbeit im Team entstehen kann. Denn Betreuungskräfte leisten weit mehr als nur Spiel und Spaß. Zum Glück habe ich auch viele kennen gelernt, die sehr zufrieden an ihrem Arbeitsplatz sind und gemeinsam mit der Pflege eine wirklich phantastische Arbeit machen.
Woher kommen die Betreuungskräfte eigentlich und wie sind sie ausgebildet?
Zunächst einmal, der Zulauf ist groß. Sprich, es gibt viele Bewerber, deren Hintergründe ganz unterschiedlich sind: Quereinsteiger und Umsteiger, mit Vorerfahrung oder auch gänzlich ohne Bezug zum Pflegebereich. Auch sehr häufig sind es Aussteiger aus der Pflege. Personen, die lange in einem Pflegeheim gearbeitet haben und aus dem Stress raus wollen, um sich auf anderem Wege mit den Bewohnern beschäftigen zu können. Ich kenne tatsächlich niemanden, der das als Ausbildungsberuf gemacht hat.
Für mich auch ein Punkt, der zu überdenken wäre: Wenn man sich mal anschaut, dass als Voraussetzung und für die Qualifikation zur Betreuungskraft eine einwöchige Orientierungs- Hospitation, ein zweiwöchiges Berufspraktikum, 160 Stunden Theorie, und pro Jahr 16 Stunden Fortbildung verlangt werden, ist schon deutlich, dass der theoretische Input zu Beginn doch sehr knapp bemessen ist. Auch die Eignung für diese Tätigkeit ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Nicht jeder ist dazu befähigt. Gerade die Arbeit mit älteren, kranken oder dementen Menschen verlangt ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Empathie und Geduld. Herausforderungen, denen am Ende nicht alle Bewerber gewachsen sind. An diesem Punkt müsste meines Erachtens in den Richtlinien noch nachjustiert werden.
Was könnte Ihrer Meinung nach noch unternommen werden, damit es besser funktioniert?
Zum Glück wurde der Handlungsbedarf erkannt. In vielen, gerade größeren Einrichtungen gibt es mittlerweile eine so genannte "Leitung der Betreuungskräfte", meist unter der Obhut einer Pflegefachkraft, oder auch Ergotherapeuten oder langjährigen Betreuungskräften. Als erste Ansprechpartner sind sie der heiße Draht zwischen den Parteien. Eine sehr wichtige Maßnahme zur Steuerung der Arbeitsprozesse und Förderung der Zusammenarbeit.
Um es noch einmal zu betonen: Es müsste ein regelmäßiger Austausch aller am Pflegeprozess Beteiligten stattfinden. Und zwar über alle Belange, aber auch um zu beobachten, in welchen Bereichen es Probleme gibt. Konkret, zu schauen, wo drückt denn der Schuh? Wo läuft es nicht gut? Wo gibt es Konfliktpotential? Was ließe sich besser machen? Aber auch, gutes Gelingen gemeinsam zu feiern.
Außerdem fände ich einheitliche Regelungen für die "Betreuungs-Leitung" sinnvoll und wenn diese Position von Gerontopsychiatrischen Fachkräften ausgeführt werden würde. Außerdem dass sich Betreuung und Pflege als gemeinsames Team verstehen. Dann lassen sich positive Veränderungen auch erreichen.
Interview: Nina Sickinger