Eine rigide Abschottung der Pflegeheime wie im Frühjahr zum Schutz der Bewohner dürfe sich auf keinen Fall wiederholen - da ist sich die Pflegebranche in der Mehrheit einig. Trotzdem befürchten viele erneute Besuchsverbote, seitdem die Fallzahlen wieder steigen. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus hat deshalb einheitliche Corona-Regeln für Heime angekündigt.
Andreas Westerfellhaus: „Handreichung soll Sicherheit geben“
Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Andreas Westerfellhas am 22. Oktober: „In wenigen Wochen, deutlich vor Weihnachten, werden wir – unterstützt von Gesundheitsminister Jens Spahn und dem Robert Koch-Institut – eine Handreichung vorlegen, um dem Flickenteppich mehr Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu geben.“ Diese solle „von wissenschaftlichen Grundlagen untermauert sein“ und den Einrichtungen, die sie anwenden, „Sicherheit geben“. Man arbeite „mit Hochdruck“ daran, „denn die Zeit drängt“. In das Konzept sollten „auch Schnelltests eingebunden werden“, betonte Westerfellhaus in der Zeitung.
Wann kommt endlich die Handreichung des Pflegebeauftragten?
Inzwischen sind gur drei Wochen vergangen, aber die Handreichung lässt weiter auf sich warten. Die Ungeduld von Einrichtungen und Verbänden wächst. „Das angekündigte Besuchskonzept von Herrn Westerfellhaus muss endlich kommen“, fordert der Arbeitgeberverband Pflege in einer Pressemitteilung. Ohne ein einheitliches Besuchskonzept seien „schärfere Maßnahmen, wie Besuchsverbote zu Weihnachten, nicht zu vermeiden“. Derweil teilt Westerfellhaus‘ Sprecher Bernd Kronauer auf Anfrage mit, die Handreichung befinde sich zurzeit „in der Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut und den Verbänden“. Einen konkreten Veröffentlichungstermin kann oder will er nicht nennen. Er gehe davon aus, dass es „im Dezember, deutlich vor Weihnachten“, sein werde. So sei es „von Anfang an kommuniziert worden“, weil es „eine sehr komplexe Aufgabe ist“, betont Kronauer.
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Negativer Corona-Schnelltest bedeutet keine absolute Sicherheit
Die Pflegeheime haben auch große Hoffnung auf die Corona-Schnelltests gesetzt. Damit könnten Besucher relativ problemlos ein- und ausgehen. Grundsätzlich begrüße man die Möglichkeit zu Schnelltests, sagt Bodo de Vries, Vorstandsmitglied im Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP). Doch die Aussagekraft der Tests sei begrenzt: Für ein sicheres Testergebnis sei im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Virusmenge notwendig. Die Schnelltests sind Fachleuten zufolge daher eher geeignet, bei Personen mit Symptomen zu unterscheiden, ob es sich um eine harmlose Erkältung oder SARS-CoV-2 handelt. Bei symptomfreien Personen kann es schnell zu Fehlinformationen kommen. „Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt“, erklärt de Vries. Mit anderen Worten: trotz Negativ-Schnelltest könnten Besucher das Virus einschleppen.
[Wie genau die Schnelltest funktionieren, erfahren Sie in unserem Artikel Corona-Schnelltests - was Pflegeheime beachten sollten]
Bodo de Vries (DEVAP): Für Schnelltests sind 2,5 Vollzeitstellen nötig
Zum anderen fehlten für flächendeckende Tests von Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern im stationären Bereich schlicht die personellen Ressourcen. „Knapp gerechnet benötigt eine Einrichtung mit 80 Plätzen bis zu 2,5 Vollzeitstellen Fachkräfte bei wöchentlichen Testungen. Dieses zusätzliche Personal wird in der derzeitigen Fassung der Testverordnung nicht refinanziert. Hier wird ein Problem der Gesundheitsämter übergestülpt, ohne dass dieses ausreichend refinanziert wird. Die Einrichtungen werden dadurch zu ‚Testzentren light‘, was nicht hinnehmbar ist“, beklagt de Vries.
DBfK: Pflegeheime brauchen Unterstützung für die Schnelltests
Der „immense Personalaufwand“ ist auch dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) ein Dorn im Auge: Dies sei „weder organisierbar noch finanzierbar.“ Um die Tests sicher durchführen zu können, bräuchten die Einrichtungen Unterstützung, etwa Schulungen für die Mitarbeiter. Zugleich dürften die Testungen nicht dazu führen, dass die Versorgung der Heimbewohner unter der Abstellung von Pflegefachpersonal für die Testungen leide.
DEVAP: Pflegekräfte sollten vor allem mit PCR getestet werden
Der DEVAP fordert deshalb ebenfalls eine Klarstellung in der Testverordnung, dass die Sach- und Personalkosten gleichermaßen „als Leistung für Corona bedingte Aufwendungen im Rettungsschirm der Pflege verankert und damit angemessen refinanziert werden“. Auch sollte Pflegekräfte mittels PCR getestet werden und nicht per Schnelltest, um wirklich Sicherheit zu haben. Allerdings dauere es häufig „unerträglich lang“, bis die Ergebnisse übermittelt seien, klagt der Arbeitgeberverband Pflege. „Ein absolutes Unding. Ohne Priorisierung werden auch die Infektionszahlen in der Altenpflege weiter steigen.“
Corona-Schnelltests in Sachsen verzögern sich
In sächsischen Pflegeheimen gab es derweil Ärger aus organisatorischen Gründen: Nachdem die Heime gemäß der seit dem 15. Oktober bundesweit geltenden Testverordnung zügig ihre individuellen Testkonzepte an die Gesundheitsämter abgeschickt hatten, um möglichst schnell mit den Testungen beginnen zu können, warteten sie anschließend lange vergeblich auf eine Rückmeldung. „Stattdessen wurden sie eine Woche später um Geduld gebeten. Einige weitere Tage später wurde ihnen geantwortet, dass aktuell keine Testkonzepte entgegengenommen werden, da der Freistaat Sachsen gerade ein landeseinheitliches Testkonzept erarbeitet“, berichtet Jacqueline Kallé, Leiterin der Landesgeschäftsstelle Sachsen des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa).
Sachsen: Pflegeheime sauer auf Ministerium und Gesundheitsämter
Am 9. November seien die Einrichtungen schließlich aufgefordert worden, ein von den Gesundheitsämtern beigefügtes Konzeptformular auszufüllen und postalisch an diese zu übersenden. Weiterhin sei „um Verständnis gebeten“ worden, dass bereits eingesandte eigene Konzepte nicht bearbeitet werden können. „Hier haben offenbar Ministerium und Gesundheitsämter aneinander vorbei kommuniziert zulasten der Pflegeheime und ihrer Bewohner. Die Einrichtungen sind nahezu flächendeckend ausgebremst worden, die Anwendung der dringend benötigten Schnelltests ist unnötig behindert worden.“
Sozialministerium Sachsen: Heime können doch Schnelltests in den Apotheken kaufen
Aus dem Sozialministerium heißt es dazu auf Nachfrage, man könne diese Vorwürfe „nicht nachvollziehen“. Die Einrichtungen hätten bereits mit dem Antrag laut Testverordnung 30 Tage lang Schnelltests in der Apotheke kaufen können. Insofern liege „keine Verzögerung oder Schuld des Öffentlichen Gesundheitswesens“ vor. Kallé widerspricht dem vehement: „Die Gesundheitsämter fühlten sich doch überfordert und haben die Testkonzepte abgelehnt. Ohne Konzepte hätten die Heime aber gar keine Tests durchführen dürfen.“
Autorin: Birgitta vom Lehn
Extra-Info: So sind Pflegeheim-Besuche in den Bundesländern geregelt
Die Corona bedingten Besuchseinschränkungen für Angehörige in Pflegeheimen sind in den Bundesländern eigenständig geregelt. Auch innerhalb der Länder können und sollen die Heime „flexibel“ und „mit Augenmaß“ agieren. Die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V. (BIVA-Pflegeschutzbund) hat auf ihrer Homepage die Regelungen sämtlicher Länder zusammengetragen.