„Besuche müssen möglich bleiben“, sagte Andreas Westerfellhaus, als er seine Handreichung „Besuche sicher ermöglichen“ am Freitag (4. Dezember 2020) gemeinsam mit Gesundheitsminister Jens Spahn vorstellte. Der persönliche Kontakt mit An- und Zugehörigen sei für die Heimbewohner „unverzichtbarer Teil ihres Lebens“, der „nicht in Frage gestellt werden“ dürfe. Was selbstverständlich klingt, ist es nicht immer: Viele Pflegeheime hätten kreative Lösungen entwickelt, es gebe aber noch immer welche, die auf Isolation setzen, kritisierte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung schon im Oktober und kündigte in der Osnabrücker Zeitung eine „Handreichung“ an, die den Pflgeheimen Sicherheit geben solle.
Heime müssen unaufgefordert über Besuchskonzept informieren
Nun ist sie also da, die Handreichung. 14 000 Exemplare sollen an Alten- und Pflegeheime verschickt werden. Außerdem ist sie auf den Websites des Pflegebeauftragten und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) abrufbar. Andreas Westerfellhaus warnt in der Handreichung vor Entscheidungen über die Köpfe der Bewohner hinweg. Grundsätzlich müssten die einrichtungsspezifischen Besuchsregelungen mit der Bewohner- und gegebenenfalls Angehörigenvertretung beraten werden. Die Heime müssten daher „transparent, umfassend und vor allem unaufgefordert“ über die Maßnahmen, deren Ziele und Anpassung im Laufe der Pandemie informieren. Gute Kommunikation beuge „deeskalierend“ Konflikten vor. Dabei sei auch auf Mehrsprachigkeit zu achten. Regelmäßige Rundschreiben, Telefonate und Videokonferenzen seien empfehlenswert.
Die Handreichung ist kein Besuchskonzept
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Zugleich gilt: Die Handreichung ist nicht rechtlich bindend und ersetzt auch kein einrichtungsspezifisches Besuchskonzept. Geltendes Recht, auch länderspezifische Regelungen und Allgemeinverfügungen, bleiben erhalten. Klar sei zudem, so heißt es in der 18 Seiten umfassenden Broschüre: „Vorgefertigte Lösungen für jede mögliche Situation gibt es nicht.“ Die Maßnahnahmen müssten immer wieder neu abgewogen und an sich ändernde Umstände, Erkenntnisse und wissenschaftliche Empfehlungen angepasst werden.
7 bekannte Regeln für den Umgang mit Besuchern
Vieles, was in der Handreichung notiert ist, dürfte den Heimen allerdings geläufig oder gar selbstverständlich sein. Hingewiesen wird etwa auf
- den nötigen Sicherheitsabstand
- eine gute Belüftung
- den Mund-Nasen-Schutz (MNS)
- die Test-Möglichkeiten
- digitale Formen der Kommunikation für Besuchern mit MNS-Attest. Eine Alternative wäre auch ein „Fensterbesuch“ oder Treffen hinter Plexiglas in gut gelüfteten Räumen mit entsprechendem Abstand und vorheriger Testung. Diese Besuchsformen sollten allerdings „nur in individuellen Sondersituationen ermöglicht werden“.
- das Abfragen von Erkältungssymptome das das Temperaturmessen bei jedem Besucher
- das Zutrittsverbot für Besucher mit Symptomen
Bei der Besuchsregelung sei auch auf die „Bedarfslagen der Besucher“ zu achten, etwa bei Berufstätigen oder Menschen mit weiten Anreisen. Kinder könnten die Heime in Begleitung von Erwachsenen betreten, sofern sie die Hygieneregeln beachten.
Wann AHA-Regeln kurz ausgesetzt werden dürfen
Ausnahmen von den AHA-Regeln könnten zum Beispiel gemacht werden bei Bewohnern mit kognitiven Einschränkungen. Hier könne man kurz den MNS abnehmen, etwa zur Begrüßung, um voll erkennbar zu sein. Auch kurze Berührungen mit den Händen seien möglich. Das Ganze müsse jedoch abgestimmt sein mit der Heimleitung.
Über den Umgang mit Geschenken und Wäsche
Geschenke und Wäsche dürfen uneingeschränkt überreicht werden. Für das Anreichen von Speisen und Getränken an die Bewohner benötigen Besucher eine „mit der Einrichtung abgestimmte Sonderregelung“. Gemeinsames Essen und Trinken sei zwar „kurzzeitig möglich, generell aber zu vermeiden“.
Wann Schnelltests für Besucher sinnvoll sein können
In einigen Fällen schlägt die Handreichung ergänzend Schnelltests vor. „Empfehlenswert“ seien Testungen bei einem erhöhten regionalen oder lokalen Infektionsgeschehen oder/und dann, wenn in Abstimmung mit der Pflegedienst- oder Heimleitung die Grundregeln der Hygienemaßnahmen „teilweise ausgesetzt“ werden. Hier werden folgende Situationen für Besucher genannt:
- beim Anreichen von Speisen
- bei der Körperpflege
- bei der Betreuung von Personen mit kognitiven Einschränkungen oder auch anderen Bewohnern in Stresssituationen, in denen physische Zuwendung das Wohlbefinden oder zustand insgesamt verbessert
- in palliativen Situationen
Gerd Antes (Cochrane): Schnelltests sind eine Zeitbombe
Schnelltests in Pflegeheimen bleiben allerdings ein wunder Punkt in der Diskussion: Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte im Morgenmagazin von ARD und ZDF, es müsse dringend geklärt werden, wo Schnelltests zu bekommen sind, wer die Qualität der Tests sicherstelle und wer sie vornehme – sowohl bei Besuchern wie beim Personal.
Den Einsatz von Schnelltests ohne kompetente Begleitforschung kritisiert wiederum Professor Gerd Antes, wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung, als „grob fahrlässig“ und „im wahrsten Sinne des Wortes eine Zeitbombe“. Die Sensitivität der Schnelltests, also die Trefferquote, sei „mangelhaft“ und damit die Gefahr groß, dass man sich nach einem „negativen“ Testergebnis in falscher Sicherheit wiege und weitere Personen anstecke.
Was passiert, wenn es einen Covid-19-Fall gibt?
Gibt es einen Covid-19-Fall in der Einrichtung, sollten die Besuche grundsätzlich ausgesetzt werden, heißt es in der Handreichung. Ausnahmen sind aber auch hier möglich, doch müssen Besucher sie mit der Heimleitung abstimmen. Wichtig sei dann die „strikte Einhaltung“ der Hygieneregeln. Auch sollte der Besuch möglichst kurz sein und sich auf ein und dieselbe Person beschränken, die zusätzlich einen Schutzkittel trägt. Wenn es sich wirklich nur um einen einzigen Bewohner mit Covid-19 handle, könne dieser streng isoliert werden - den übrigen Bewohnern wäre es dann möglich, wieder Besucher zu empfangen. In jedem Fall ist es wichtig, dass sich die Heimleitung mit dem Gesundheitsamt abstimmt.
Autorin: Birgitta vom Lehn