Foto: jens schuenemann jps-berlin.de
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Altenpflege

Berufspolitik? Nein, Danke!

Nur 11 Prozent aller Mitarbeiter in der Altenpflege sind in einer Gewerkschaft (etwa Verdi). Die meisten haben noch nicht einmal über eine Mitgliedschaft nachgedacht.

Pflegekräfte in Deutschland sind kaum organisiert. Trotzdem wünscht sich die Mehrheit weniger Zeitdruck, mehr Gehalt und selbstbestimmtere Arbeitszeiten. Dies bestätigt jetzt eine Studie von Wolfgang Schroeder, Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor an der Universität Kassel. Für seine Studie befragte er bundesweit 750 Beschäftigte in der Altenpflege.

Pflegekräfte zeigen auf den Staat

Die Befragung ergab, dass nur eines von zehn privaten Pflegeheimen einen Betriebsrat hat. Jedoch sehen neun von zehn Pflegekräften nicht den Arbeitgeber, sondern den Staat in der Verantwortung für ihre Arbeitssituation. „Richtig ist, dass der Staat die Bedingungen grundlegend verbessern sollte. Aber es braucht die kollektive Selbstorganisation in den Betrieben und durch die Gewerkschaften, um für die Beschäftigten etwas zu erreichen“, sagt Schroeder. Nur so könne der Pflegeberuf aufgewertet werden.

Schwache Gewerkschaft, weil die Mitglieder fehlen

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In der Altenpflege gibt es bisher keine gewerkschaftliche Tradition. Das Berufsfeld hat sich in Deutschland, anders als in manchen anderen europäischen Ländern, fernab klassischer Formen der Interessenvertretung entwickelt. 81 Prozent der Befragten gaben an, noch nie durch eine Gewerkschaft angesprochen worden zu sein. Nur 11 Prozent der Befragten sind in einer Gewerkschaft, über die Hälfte hat noch nie über eine Mitgliedschaft nachgedacht. Gewerkschaften würden als Akteur der Veränderung kaum erkannt. Gerade weil ihnen die betriebliche Machtbasis fehle, könnten die Gewerkschaften dann tatsächlich wenig bewirken, meint Schroeder. „Das ist ein Teufelskreis."

Streiken kommt für die meisten nicht infrage

Die Alten- und Krankenpflege stehe noch immer in der Tradition eines wohltätigen „Liebesdienstes“. Dieses Denkmuster mache es schwer, aus Pflegejobs „normale Arbeitsverhältnisse“ zu machen und gemeinsam Rechte einzufordern, erläutert Wolfgang Schroeder. Das zeigten auch die Antworten der Befragten. Knapp 70 Prozent sagten, sie erhielten die Wertschätzung für ihre Arbeit von den Patienten, aber nur 20 Prozent gaben an, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft sehr geschätzt werde. Zu streiken bedeutet für 77 Prozent der Befragten, ihre Patienten im Stich zu lassen.

Kein kollektives Selbstverständnis

Die Branche ist zudem stark zerklüftet – in stationäre und ambulante Pflege, die verschiedenen Träger, gut ausgebildete Fachkräfte und angelernte Hilfskräfte. Die Ausbildung ist nicht einheitlich. Viele gelangen über Umwege in die Altenpflege und üben hier ihren Zweit- oder Drittberuf aus. Die Unterschiede bei Entlohnung, Arbeitsumfang und beruflicher Verweildauer sind entsprechend groß. „Das erschwert die Herausbildung eines kollektiven Selbstverständnisses, wie es zum Beispiel in der Industrie existiert“, sagt Schroeder.

Quelle: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

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