Foto: Canva

Pflege und Management

Bei häufiger Krankheit: Eingliederung ist ein Muss   

Wenn Pflegekräfte und andere Mitarbeiter länger als sechs Wochen krank sind, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. 7 wichtige Fragen zum BEM

Wenn Mitarbeiter über längere Zeit ausfallen, sind sie oft nicht sofort wieder voll einsatzbereit. Arbeitgeber sind deshalb verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) einzuleiten. Was dabei beachtet werden muss und welche Pflichten Betrieb und Mitarbeiter haben, erklärt Trixi Hoferichter, auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwältin.

Wann kommt es zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement?

„Der Arbeitgeber muss ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) einleiten, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres entweder länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen ist“, erläutert Hoferichter. So regelt es das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX). Die Einleitung eines BEM kann also sowohl bei langzeiterkrankten Mitarbeitern notwendig werden, als auch bei häufig kurz Erkrankten. Wichtig: „Die Jahresfrist bezieht sich dabei nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ab der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit“, so die Anwältin.

Darf der Arbeitgeber ein BEM ablehnen?

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

„Nein“, sagt Hoferichter. Das Sozialgesetzbuch verpflichte alle Arbeitgeber ohne Ausnahme zu einem BEM , wenn die Voraussetzungen vorliegen. Die Unternehmensgröße oder die Branche spielen dabei keine Rolle. „Auch kleine Betriebe unterfallen daher der Verpflichtung zur Einleitung und Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements“, sagt die Anwältin.

Muss der Mitarbeiter das BEM akzeptieren?

Anders als der Arbeitgeber darf ein erkrankter Mitarbeiter ein BEM ablehnen. „Der Arbeitnehmer muss seine Ablehnung nicht näher begründen“, so Hoferichter. Allerdings geht sie nicht davon aus, dass das in der Praxis häufig geschieht: „Der Arbeitnehmer könnte den Eindruck erwecken, dass er nicht am dauerhaften Erhalt seines Arbeitsplatzes interessiert ist.“ Gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber allerdings kein BEM-Verfahren einleiten.

Kann ein Mitarbeiter das BEM einklagen?

Hier wird es kompliziert. Bislang war es umstritten, ob ein Arbeitnehmer ein einklagbares Recht auf ein BEM hat. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) darüber entschieden – und dieses Recht verneint. Nach Ansicht des BAG trifft nämlich die Verpflichtung ausschließlich den Arbeitgeber. Dem erkrankten Arbeitnehmer stehe deshalb gerade kein individueller Anspruch zu.

„Dies begründen die Richter und Richterinnen vor allem mit der Regelung in § 167 Absatz 2 Satz 8 SGB IX. Sie räumt nur den Interessensvertretungen wie Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehindertenvertretung durchsetzungsfähige Ansprüche ein, nicht jedoch dem einzelnen Arbeitnehmer“, erläutert Hoferichter. „Für die Praxis bedeutet das BAG-Urteil, dass eine Klage eines Arbeitnehmers auf Einleitung und Durchführung eines BEM keinerlei Erfolgsaussichten hätte.“

Welche Folgen hätte es für den Arbeitgeber, wenn er kein BEM anbietet?

Trotzdem sollten Arbeitgeber eine Wiedereingliederung nicht ignorieren, betont die Anwältin. Das Verweigern habe Konsequenzen für die Rechtmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. 

„Die Durchführung eines BEM stellt ein ,milderes Mittel‘ gegenüber einer Kündigung dar“, sagt Hoferichter. „Und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, dass der Arbeitgeber vor einer Kündigung mildere Mittel ausschöpfen muss.“

Zudem sei ein BEM gerade in Zeiten des Fachkräftemangels dringend zu empfehlen, um Mitarbeiter im Betrieb zu halten. „Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit von erfahrenen Mitarbeitern sollte in den allermeisten Fällen auch im Interesse des Arbeitgebers liegen“, sagt Hoferichter.

Wie läuft das BEM ab?

„Grundsätzlich erlaubt das Gesetz eine gewisse Flexibilität, um möglichst erfolgsversprechende Maßnahmen für den jeweiligen Einzelfall zu finden“, sagt Hoferichter. Deshalb müsse sich der Arbeitgeber sowohl mit dem Betroffenen wie auch mit den Interessensvertretungen wie Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung abstimmen. Auch diese Verpflichtung sei gesetzlich geregelt.

„Ausgehend von diesen Beratungen können dann individuell passende Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa eine stundenweise Wiedereingliederung in den Betrieb oder Änderungen an der Arbeitsumgebung“, sagt die Anwältin.

Was muss der Arbeitgeber formal beachten?

Auf den Arbeitgeber kommen verschiedene Verpflichtungen zu. „Zunächst ist es wichtig, den betroffenen Arbeitnehmer in einem Aufklärungsanschreiben auf die Ziele des BEM hinzuweisen und aufzulisten, welche personenbezogenen Daten dabei verarbeitet werden“, betonte Hoferichter. Ziel eines BEM sei immer, den Arbeitsplatz zu erhalten, indem eine bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden oder einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werde.

Was ist, wenn dem Betrieb Fehler unterlaufen?

Bei der Frage gibt die Anwältin Entwarnung: „Wenn es bei der Durchführung eines BEM zu Fehlern kommen sollte, drohen dem Arbeitgeber keine Geldbußen oder andere Strafen.“ Allerdings liege eine ordnungsgemäße Durchführung des BEM im Interesse des Arbeitgebers. „Gerade in Kleinbetrieben mit einer „dünnen Personaldecke“ können lange oder wiederholte Arbeitsausfälle zu Problemen führen.“

Text: Katharina Wolf

[Sie möchten mehr über Arbeitsrecht, Arbeitsbedingungen und Gehalt lesen? Sie legen Wert auf gründliche Recherche und Exklusiv-Interviews? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter!]   

Dieser Artikel erschien zuerst auf handwerk.com

Wir haben noch mehr für Sie!

Antworten und Impulse für die Pflegeprofession gibt es auch direkt ins Postfach: praxisnah, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für den pflegebrief an - schnell und kostenlos!
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.
Rückenschmerzen sind der häufigste Grund für lange Krankheit. Ein Eingliederungsmanagement kann helfen, Arbeitsplatz oder Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass sich die Beschwerden bessern.      

Arbeitsrecht

Über 42 Krankheitstage – was nun?

Mancher ist erschrocken, wenn er wegen häufiger Krankheit zum Eingliederungsmanagement (BEM) gebeten wird. Doch das hat durchaus positive Aspekte, sagt Gesundheitsschutz-Expertin Cornelia Rose im Interview

    • Recht

Fix mal was Nettes von der Arbeit posten? Vorsicht!  

Immer mehr Pflegekräfte präsentieren sich und ihre Arbeit in den sozialen Medien, manche avancieren gar zu Influencern. Doch für alle gibt es 5 wichtige Dinge zu beachten

Tipps von Pflegemanagerin Maren Lach

5-Stufen-Plan: Wenn Mitarbeiter blaumachen

Krankmeldung ohne Krankheit - ja, das passiert. Besonders um Brückentage und das Wochenende herum. Viele Führungskräfte fühlen sich hilflos. Das muss nicht sein.

    • Konfliktmanagement, Kommunikation, Dienstplan

Corona-Impfung

Dürfen Ungeimpfte nach dem 15. März weiterarbeiten?

Die Antwort ist eigentlich klar, doch das Gesundheitsministerium (BMG) hat in seiner aktualisierten Handreichung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Prozedere präzisiert – lesen Sie dazu Frage 11 unserer insgesamt 12 FAQs       

    • Corona, Heimleiterin, Pflege als Beruf, Pflege und Politik, Ambulante Pflege, Altenpflege