Die Palliativpflege müsste eigentlich boomen. Schließlich werden die Menschen immer älter und sind dann oft umso kränker. Und tatsächlich: „Der Bedarf an weitergebildeten Pflegenden in Palliative Care ist sehr hoch“, sagt Christiane Klimsch, Geschäftsführerin des stationären und ambulanten Hospizes in Jena. Trotzdem seien keine ansteigenden Zahlen von Weiterbildungsteilnehmern in diesem Feld zu verzeichnen.
Viel Bedarf, wenige Fachkräfte
Ihre Kollegin Anne Lucas, die am Uniklinikum Jena die Weiterbildung Pflegefachkraft in der Palliativversorgung leitet, bestätigt: „Corona hat zu einem weiteren Einbruch der Teilnehmerzahlen geführt. Das Interesse an reinen Online-Veranstaltungen ist in dieser Zeit gestiegen.“ Doch die Arbeit im palliativen Bereich eigne sich einfach nicht gut dafür, sich ausschließlich online dafür weiterzubilden. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier nichts den persönlichen Kontakt zwischen Teilnehmer und Ausbilder ersetzen kann.“ Die Ausbildung im Bereich Palliative Care ist am Uniklinikum Jena besonders umfangreich. Sie umfasst insgesamt mindestens 250 Weiterbildungsstunden und zusätzlich mindestens 160 Stunden (vier Wochen) Praktikum, das die Teilnehmer beispielsweise auf einer Palliativstation, in einem Hospiz oder im ambulanten Hospizdienst absolvieren können. „Wir haben die Rückmeldung, dass die Teilnehmer gerade diese praktische Zeit als besonders wertvoll empfinden“, berichtet Anne Lucas. Eine weitere Hürde ist ihrer Vermutung nach auf den derzeitigen Mangel an Fachpersonal zurückzuführen: „Immer weniger Fachkräfte werden von ihrem Arbeitgeber für Weiterbildungen freigestellt. Sie werden in ihren Einrichtungen gebraucht.“
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Palliativ-Pflegekräfte ermöglichen Sterben zu Hause
Auf Dauer sei dies natürlich zu kurz gedacht. Besonders in schwierigen Bereichen wie der Palliativversorgung seien gut ausgebildete Mitarbeiter eine wichtige Stütze für Kollegen und Patienten. Große Versorgungslücken, vor allem in ländlichen Gebieten, sieht auch Jana-Kristin Bieganski, Kursleitung an der Palliativakademie Dresden. „Der palliative Sektor leidet unter anderem an fehlendem, qualifiziertem Fachpersonal. Die Bedürfnisse von schwerstkranken und sterbenden Menschen unterscheiden sich in vielen Aspekten von denen aller anderen Patienten. Für eine suffiziente Betreuung dieser Menschen am Lebensende ist es wichtig, sich intensiver mit deren physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen zu beschäftigen.“ Zudem müssten die häufigsten Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit, Angst und Unruhe erkannt und gelindert werden können. Gäbe es mehr Palliativ-Pflegekräfte, könnte sich auch der Wunsch vieler Menschen nach einem Sterben zu Hause erfüllen. „In der Realität sterben die meisten Menschen immer noch im Krankenhaus.“
1. Frage: Wie viel verdienen Palliativ-Pflegekräfte?
Eines steht fest: Finanzielle Gründe dürften es kaum sein, die Pflegekräfte zur Palliativ-Weiterbildung bewegen. Denn die abgeschlossene Ausbildung ist tariflich nicht abgebildet. Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, ob er die Weiterbildung mit einer Höherstufung in der Gehaltsgruppe honoriert oder nicht. Einige Arbeitgeber zahlen eine Leistungszulage an weitergebildete Pflegekräfte.
Palliativ-Pflegekräfte treten selbstbewusst auf
Ohne Leistungszulage geht es wohl auch kaum mehr. Veronika Schönhofer-Nellessen, Leiterin der Servicestelle Hospiz und Geschäftsführerin des Vereins Palliativnetzwerk (Region Aachen) betont, dass examinierte Pflegekräfte mit der Zusatzausbildung „schon pokern und sehr selbstbewusst auftreten können“. In der Regel würden sie besser bezahlt. „Die Palliativfortbildung ist ein dickes Pfund, mit dem Pflegekräfte wuchern können“, so die Fachreferentin für Sterbe- und Trauerbegleitung. Rückendeckung erhalten die Palliativ-Pflegekräfte durch das Sozialgesetzbuch V. In den Paragrafen 37b und 39a ist festgehalten, dass der Palliative Care Kurs die Voraussetzung zur Qualifikation von Fachkräften erfülle und den Teilnehmern „neue berufliche Entwicklungschancen“ eröffne.
2. Frage: Was bringt mir die Palliativ-WB?
„In jedem Fall lohnt sich die Palliativ-Weiterbildung für die persönliche und professionelle Entwicklung von Pflegenden“, meint Christiane Klimsch. „Die spezielle Ausbildung kann pflegerisches Handeln erleichtern, Zusammenhänge werden besser erkannt. Professionalität gibt Sicherheit und Freiraum für Entscheidungen und Handlungen.“ Denn wenn man ständig mit Sterben, Tod und Trauer konfrontiert werde, ohne entsprechende Handlungskompetenzen und -sicherheit zu haben, könne der Umgang zur Belastung werden, warnt die Expertin. Ihr Fazit: „Eine Weiterbildung in Palliative Care ist in jedem Fall empfehlenswert für alle, die derzeit oder zukünftig in der Palliativversorgung tätig sind.“ Dieser Meinung ist auch Jana-Kristin Bieganski: „Der Gewinn an Erkenntnissen für das eigene Leben und die Sicherheit im Umgang mit sterbenden Menschen ist nach meiner eigenen Erfahrung langfristig wesentlich befriedigender als eine punktuelle Lohnerhöhung.“
3. Frage: Was brauche ich für die Palliativ-Care-Weiterbildung?
Zulassungsvoraussetzungen für einen von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) zertifizierten Palliative Care Kurs Pflege nach dem Curriculum von M. Kern, M. Müller und K. Aurnhammer ist eine dreijährige Ausbildung mit einem staatlichen Examen in Gesundheits- und Krankenpflege beziehungsweise eine dreijährige Ausbildung mit einem staatlichen Examen in Altenpflege. Empfohlen ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung. In Einzelfällen können auch Angehörige anderer Berufsgruppen (etwa Altenpflegehelfer mit Erfahrung im Feld) zum Kurs zugelassen werden. Auch die individuelle Veranlagung ist wichtig, betont Jana-Kristin Bieganski: „Persönlich sollten die Pflegenden den Wunsch mitbringen, sterbende Menschen zu betreuen. Eine empathische Grundhaltung ist ebenso von Vorteil wie die Bereitschaft, seine eigenen Grenzen im Umgang mit Sterben und Tod kennenzulernen.“ Man benötige zudem ein großes Maß an Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen und Strategien im Umgang mit Krisensituationen.
4. Frage: Wie lange dauert die Palliative-Care-Weiterbildung?
DGP-zertifizierte Palliativ Care Kurse erstrecken sich ungefähr auf ein Jahr, die genaue Dauer hängt immer vom Ausbildungsinstitut ab. Meistens umfasst der Kurs etwa 160 Unterrichtseinheiten (à 45 Minuten). Er ist in der Regel aufgeteilt in vier Blockwochen à 40 Stunden. Zwischen den Blockwochen ist genügend Zeit, das Gelernte im Alltag anzuwenden und zu festigen. Zu kurze (weniger als drei Monate) oder zu lange (mehr als sechs Monate) Abstände behindern entweder die Umsetzungsmöglichkeiten oder unterbrechen den Lernprozess der Einzelnen und der Gruppe. Bei Fehlzeiten von über zehn Prozent im Verlauf der Weiterbildung muss die versäumte Zeit nachgearbeitet werden, um das Zertifikat zu erlangen. Unter anderem am Uniklinikum Jena schreiben die Teilnehmer zum Abschluss eine Facharbeit. Den Abschluss der Weiterbildung stellt ein Kolloquium dar. Die Teilnehmer erhalten nach Abschluss ein Zertifikat, das den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen entspricht.
5. Frage: Was sind die Inhalt der Palliativ-Care-Weiterbildung?
- Einführung in die Palliativpflege
- Hospizarbeit
- Das Erleben von chronischer / schwerer Krankheit, Alter, Sterben und Tod und Bewältigungsformen
- Kommunikation und Beratung
- Symptommanagement
- Palliativpflege in der Sterbephase
- Bedeutung von Spiritualität in der Sterbephase
- Umgang mit Verstorbenen
- Trauer
- Ethik und Recht im Kontext von Palliative Care
- Ausgewählte Aspekte palliativpflegerischer Interventionen
- Spezielle Krankheitsverläufe
- Selbstpflege
- Grundlagen und Anwendungsbereiche der Palliativmedizin und Hospizarbeit
- Medizinisch-pflegerische, psychische, soziale, ethische, spirituelle, kulturelle Aspekte
- Aspekte der Teamarbeit und Selbstpflege
- Qualitätssicherung
- Lernkontrolle und Reflexion
Bitte beachten: Die Inhalte können sich von Weiterbildungsanbieter zu Weiterbildungsanbieter leicht voneinander unterscheiden.
6. Frage: Wo kann ich die Weiterbildung machen? Was kostet sie?
Für einen DGP-zertifizierten Weiterbildungskurs Palliative Care betragen die Kosten rund 1.500 bis 1.900 Euro und werden von verschiedenen Trägern in vielen Städten bundesweit angeboten. Eine Liste mit Anbietern hält die DGP bereit.
7. Frage: Wer bezahlt die Weiterbildung?
In vielen Fällen zahlt der Arbeitgeber zumindest einen Teil der Weiterbildung. Ist das nicht der Fall, muss der Teilnehmer die Kosten selbst übernehmen. Einige Anbieter, wie beispielsweise das Uniklinikum Jena bieten eine begrenzte Anzahl an kostenlosen Stipendien an. Nähere Informationen dazu erteilen die einzelnen Bildungsinstitute auf Anfrage. Das Programm „Bildungsprämie“, bei dem der Bund die Hälfte der Weiterbildungskosten getragen hat, ist leider Ende 2022 ausgelaufen. Für junge Erwerbstätige gibt es noch das Weiterbildungsstipendium, dazu finden Sie hier weitere Informationen: https://www.sbb-stipendien.de/weiterbildungsstipendium
Autorinnen: Birgitta vom Lehn/Melanie Thalheim