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Landtagswahl 2018

Bayern: Welche Parteien gut für die Pflege sind

Was bedeutet die Bayern-Wahl für Pflegekräfte und pflegende Angehörige? Oliver Weymann und Florian Croseck, Pflegeexperten aus Augsburg, haben die Parteien unter die Lupe genommen.

CSU: lavierend bei Pflegekammern, aber voller Respekt

Die christlich-soziale Union (CSU) tut sich beim Thema Pflege schwer. Was ihr jedoch leicht fällt: Dankbarkeit zeigen. Gegenüber Pflegekräften, aber auch gegenüber pflegenden Angehörigen in Bayern. Zuletzt hat die bayerische Landesregierung sogar eine Art „Belohnung“ für pflegende Angehörige durch den Landtag gebracht. Ob diese nun eher populistisch motiviert ist, oder tatsächlich die Angehörigen in Bayern entlasten soll, werden die nächsten Monate zeigen.

Zur Pflegekammer hat die CSU im Wahlkampf keine klare Aussage getroffen. Allerdings hat Markus Söder den Pflegenden in Bayern einst, 2011, eine Pflegekammer versprochen. Ähnliche Vorstöße sucht man nun vergeblich in der CSU.

Wie fast jede Partei hat die CSU aber die dramatische Lage in der Pflege erkannt. Jedoch klingen die „Versprechen“ eher wie die Statements eines Fußballvereins, der vom Abstieg bedroht ist. Sätze wie „Wir tun was für die Pflege“ und „Es werden gut überlegte Entscheidungen zu Gunsten der Pflege gefällt“ hören sich vielversprechend an, sind aber so allgemein formuliert, dass nicht klar ist, was genau am Ende herauskommen soll. Als erster Schritt sind jetzt – zwar auf Bundesebene durch Gesundheitsminister Spahn – bindende Personaluntergrenzen für einige Bereiche im Krankenhaus festgelegt.

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Die CSU hat 37,2 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am Sonntag (14. Oktober 2018) erhalten.

Die Grünen: Antreiber, Freunde der Kammer

Die Grünen sind in immer mehr Landesregierungen anzutreffen. Sie haben ihr Profil geschärft und sind heute mehr als nur eine Protestpartei. Dafür sprechen auch die 17,5 Prozent der Stimmen, die sie jetzt in der Landtagswahl in Bayern erhalten haben. Die Pflege könnte mit ihnen eine starke Stimme im Landtag erhalten: In anderen Bundesländern haben sich die Abgeordneten der Grünen immer wieder für eine Pflegekammer stark gemacht und die beruflich Pflegenden dazu aufgerufen, ihre starke Stimme und Macht zu benutzen.

Bei einer Regierungsbeteiligung mit der CSU könnten die Grünen vielleicht bei Markus Söder die Erinnerung an sein Versprechen, eine Pflegekammer einzurichten, wachrufen. Und wenn der Weg in die Opposition führt, werden die Grünen, die jede Menge Erfahrung im Bereich der Oppositionsarbeit haben, auch dort den Pflegenden ein offenes Ohr und eine starke Stimme bieten. Selbst wenn die Pflege im Wahlkampf kein zentrales Thema war.

SPD: irgendwie nicht richtig bei der Sache

Nach ihrem deutlichen Debakel, wird die SPD an Einfluss verlieren. Wird das Konsequenzen für die Pflegekräfte und die Pflege haben? Bisher hat die SPD zur Pflege kaum Ideen präsentiert. „Wir wollen nicht das, was die CSU will.“ So lautete ihr Credo im SPD-Wahlkampf. Wer die Wahlarena im BR mit Natascha Kohnen gesehen hat und sich auch nur minimal mit der Pflegeausbildung auskennt, hat sich die Augen gerieben: Da antwortet sie völlig an der Sache vorbei auf den Einwurf eines Bürgers. Dieser berichtet über einen 18-jährigen Flüchtling, der wegen seiner Volljährigkeit und afghanische Herkunft nun von der Abschiebung bedroht sei. Er absolviere zurzeit eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer. Diese Helfer-Ausbildung dauert bekanntlich ein Jahr. Doch Natascha Kohnen kommt auf die 3+2 Regel bei Flüchtlingen zu sprechen. Diese besagt, dass Flüchtlinge, die ein dreijährige Ausbildung absolvieren und danach noch zwei Jahre im Beruf bleiben, nicht von Abschiebung bedroht sein sollten.

Wenn eine Politikerin verspricht, die Situation der Pflege in Bayern zu verbessern, sich mit den Ausbildungsstrukturen aber überhaupt nicht auskennt, dann geht leicht jegliches Vertrauen in Bezug auf Pflege verloren. Daher ein Appell an die Bayern-SPD und die Bundes-SPD: Macht eure Hausaufgaben und meldet euch erst dann wieder zu Wort, wenn ihr wisst, worüber gesprochen wird.

Die SPD hat 9,7 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am Sonntag (14. Oktober 2018) erhalten.

Freie Wähler: Freunde der Kammer, ohne Wenn und Aber

Die Freien Wähler (FW) gelten in Bayern traditionell als konservative Alternative zur CSU. Alternativ (in Bezug auf die CSU) ist tatsächlich ihre Einstellung zur Pflegekammer: Die Forderung nach einer Pflegekammer kommt von der höchsten Ebene der Partei. Der stellvertretende Vorsitzende und pflegepolitische Fraktionssprecher der Freien Wähler Professor Peter Bauer fordert ganz klar eine Pflegekammer, um Selbstverwaltung und Situation der Pflege zu verbessern. Weitere Forderungen sind: Ausbau alternativer Wohnformen (Beispiel Demenz-Wohngemeinschaft), Unterstützung von ambulanten Pflegediensten und den Ausbau der Unterstützung von pflegende Angehörige.

„Nur eine Pflegekammer kann ausschließlich die Interessen der Pflegekräfte vertreten. Die Staatsregierung (vor der Landtagswahl 2018) traut der Pflege offenbar keine echte Selbstverwaltung zu, wie sie mit ihrem Konstrukt einer Pflege-Vereinigung deutlich macht“, so Bauer.

Aktuell (Stand 15.Okober 2018) ist eine Koalition aus CSU und Freien Wählern wahrscheinlich. Spannend wird, ob die Verhandlungsführer der Freien Wähler ihre Pflegekammer-Forderung in den Koalitionsverhandlungen durchbringen können.

Die Freien Wähler haben 11,6 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am Sonntag (14. Oktober 2018) erhalten.

AfD: hehre Forderungen, wenig Substanz

Das Thema Pflege in Bayern wird von der AFD nur grob aufgefasst. In ihrem Wahlprogramm sind dazu zwei Punkte zu finden, die jedoch sehr allgemein und ohne große Aussagekraft sind:

  1. Forderung: Pflege in Krankenhäusern und Seniorenheimen deutlich verbessern durch hochwertige und menschenwürdige Betreuung in stationären Einrichtungen

  2. Forderung: Die Qualität der Pflegeausbildung erhöhen und Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal mit aufwandsgerechten Personalschlüsseln, Aufstiegsmöglichkeiten und Vergütungen attraktiver gestalten

Die AfD hat 10,2 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am Sonntag (14. Oktober 2018) erhalten.

FDP: Kämpfer für pflegende Angehörige

Die FDP ist auf die häusliche Versorgung fokussiert und möchte diese stärken. Die Intention ist „eine möglichst lange Pflege zu Hause zu gewährleisten“. .

Eine Kernforderung: Pflegen Angehörige ihr Familienmitglied, sollten sie von der Pflegekasse genauso viel für diese Leistung erhalten wie ein Pflegedienst oder eine stationäre Pflegeeinrichtung bekommen würde. Weitere Themen der FDP: die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, die Modernisierung von Krankenhäusern und eine gut ausgebaute Geburtshilfe in Bayern.

Die FDP hat 5,1 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am Sonntag (14. Oktober 2018) erhalten.

Fazit: gute Chancen für eine Pflegekammer

Je nach Koalition können sich für Pflegebedürftige, Angehörige und beruflich Pflegende unterschiedliche Veränderungen ergeben. Bei einer „Bayernkoalition“ aus CSU und Freien Wählern wird es auf das Verhandlungsgeschick der Freien Wähler ankommen, um die Einführung einer Pflegekammer durchzusetzen. Sicherlich ist eine Pflegekammer in Bayern kein Allheilmittel für die Probleme der Pflege in Bayern. Aber die Selbstverwaltung der Pflege könnte einen wichtigen Beitrag zur Problembewältigung leisten. Außerdem: Die Aussicht in einem „verkammerten Beruf“ zu arbeiten, könnte der Pflege einen Attraktivitätsschub verleihen (auch wenn die Gegner der Kammer oft recht laut auftreten und nicht immer sachlich argumentieren).

Über die Autoren

Oliver Weymann ist Gesundheits- und Krankenpfleger und studiert berufsbegleitend Pflegepädagogik an einer Hochschule in München.

Florian Croseck ist ebenfalls Gesundheits- und Krankenpfleger (Abschluss: Bachelor of Science). Zurzeit studiert er in einem Masterprogramm aus Saarbrücken an der deutschen Hochschule für Prävention- und Gesundheitsmanagement.

Die Autoren haben gemeinsam die Internetseite Carewelt gegründet.

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