Foto: Peter Funken

Patientensicherheit

Ausländische Pflegekräfte: Sprach-Level B2 reicht nicht!

Experten schlagen Alarm, sie kritisieren oft unverantwortliche Zustände auf Station und im Wohnbereich. In einem 13-Punkte-Papier fordern sie einen C1-Level

Ohne sie läuft es selten rund in der Pflege: Sprache ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ausländische Pflegekräfte, die in Deutschland arbeiten wollen, sollten deshalb deutlich mehr Sprachkompetenz nachweisen müssen als bislang notwendig, fordert die Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG). In einem zwölfseitigen Positionspapier heißt es, die Berufsanerkennung als Pflegefachperson müsse künftig an das Sprachniveau C1 geknüpft werden. C1 steht für „Fachkundige Sprachkenntnisse“. Bislang reicht je nach Bundesland das Level B2 oder sogar nur B1 aus.

GQMG: Pflegekammern könnten Prüfungen abnehmen

Insgesamt stellt die GQMG 13 Forderungen zum Thema Sprachkompetenz. So sei für die entsprechende Prüfung ein einheitliches und standardisiertes Verfahren zu entwickeln und anzuwenden. Die Abnahme der Prüfung würde die GQMG gerne den Pflegekammern übertragen. Wo noch keine Kammer existiere, solle das jeweilige Bundesland dafür eine zentrale Stelle einrichten.

Wichtig: Kenntnisse von Fachbegriffen und Basics des Gesundheitssystems

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens sollen laut GQMG

  • qualifizierte Praxisanleiter die berufsspezifische Sprachkompetenz einschätzen
  • pflegerische und medizinische Fachtermini geprüft und in die Bewertung aufgenommen werden
  • Bewerbern grundlegendes Wissen über das deutsche Gesundheitssystem vermittelt werden
  • Arbeitgeber Angebote machen, um die sprachliche Qualifikation der zugewanderten Pflegekräfte weiter zu entwickeln und langfristig zu sichern
  • spezifische Integrationskonzepte eingeführt werden, um die neuen Kollegen zu binden

Vermittlung ist ein attraktives Geschäftsmodell geworden

„Sprache ist eine Schlüsselqualifikation“, betont Vivienne Thomas, die die GQMG-Arbeitsgruppe Pflege und Qualität leitet und das Positionspapier mitverfasst hat. „Fundierte Deutschkenntnisse sind die Voraussetzung, dass Pflegekräfte sich erfolgreich in ihrem Arbeitsumfeld integrieren und Patienten sicher und eigenständig versorgen können.“ Im Pflegealltag jedoch gehe es oft mehr um Quantität als um Qualität. Wegen des hohen Personalbedarfs sei „die Rekrutierung ausländischer Pflegefachpersonen zu einem attraktiven Geschäftsmodell für Vermittler geworden“, sagt Thomas. Ausreichende Sprachkenntnisse rückten dabei eher in den Hintergrund. Zudem hielten vorgelegte Zertifikate nicht immer, was sie versprechen.

In manchen Bundesländern reicht sogar B1

Hinzu kommen die je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen, die sich teilweise sogar mit dem Sprachniveau B1 zufriedengeben. „Das führt unter anderem zu dem Anreiz, die Berufsanerkennung in Bundesländern mit niedrigem Anforderungsniveau zu erwerben“, warnt Thomas. Um die Qualität zu sichern, seien „bundeseinheitliche Regelungen sowie standardisierte Vorgaben zwingend notwendig“, fordern die GQMG-Experten und sehen dabei vor allem die Politik in der Pflicht.

Mangelnde Einarbeitung gefährdet die Patientensicherheit ...

Aber auch in Kliniken und Pflegeeinrichtungen gebe es erheblichen Verbesserungsbedarf. Was dort vielfach Alltag ist, hält Thomas schlicht für „unverantwortlich“: „Zugewanderte Pflegekräfte werden meist sofort voll eingesetzt – egal, welches Sprachniveau sie wirklich haben, ungeachtet der kulturellen Unterschiede und ohne, dass sie ihre Rechte und Pflichten ausreichend kennen.“ Das führe im Alltag immer wieder zu kritischen Situationen – „besonders an Schnittstellen, bei Notfällen und Übergaben oder im Umgang mit Laborwerten“. Zudem sei es für die Pflegekräfte gleich mehrfach belastend.

... und verursacht emotionalen Stress bei ausländischen Pflegekräften

„Wer weder Alltags- noch Fachsprache richtig beherrscht, erlebt emotionalen Stress und ist unsicher“, sagt Thomas. Gleichzeitig teilten die heimischen Kollegen den zugewanderten Pflegekräften wegen der Sprachbarrieren eher einfache oder wenig qualifizierte Tätigkeiten zu – da ist Frustration programmiert. Statt ihrer Ausbildung entsprechende Aufgaben zu übernehmen, die sich in vielen Heimatländern zudem stark von den in Deutschland gefragten Tätigkeiten unterscheiden, „erleben viele zugewanderte Kollegen ein deprimierendes ‚De-Skilling‘ und Unterforderung“, beschreibt Vivienne Thomas. Dass Integration unter diesen Umständen kaum gelingen kann, versteht sich von selbst.

Verantwortung bleibt an hiesigen Pflegekräften hängen

Zumal die Unzufriedenheit auch bei den hiesigen Pflegekräften steigt. „Sie können die ausländischen Kollegen vielfach nicht voll einsetzen und empfinden die vermeintliche Lösung des Personalproblems deshalb eher als zusätzliche Last“, mahnt Thomas. Der überwiegende Teil der Aufgaben und vor allem die Verantwortung bleiben an ihnen hängen. „Alle sind belastet, alle stehen unter Druck, und am Ende sind nicht nur die Patienten gefährdet, sondern zahlreiche ausländische Pflegekräfte kehren Deutschland auch desillusioniert wieder den Rücken.“ Ein Teufelskreis mit vielen Verlierern.

Ausländische Pflegekräfte nicht gleich auf dem Stellenplan anrechnen!

„Sprache ist einfach das A und O“, betont Vivienne Thomas, „deshalb lohnt es sich, in die Ausbildung viel Zeit und Geld zu investieren.“ Dazu gehöre auch, die angeworbenen Pflegekräfte im Anerkennungsverfahren noch nicht als Arbeitskraft einzusetzen und sie auch nach der Anerkennung einige Monate noch nicht voll auf dem Stellenplan anzurechnen.

Manche Vermittler machen unseriöse Versprechen

Zudem fordert die GQMG, die Vermittler von Pflegepersonal ebenfalls stärker zu kontrollieren. „Wir wissen von einem Anbieter, der seinen Kunden vertraglich zusichert, angeworbene Pflegekräfte innerhalb von zwei Monaten von einem Sprachniveau B1 auf B2 zu bringen“, sagt Thomas. „Das ist völlig unrealistisch und unseriös, doch es gibt Kliniken, die das unterschreiben.“ Dass dabei vor allem der Personalmangel und der enorme wirtschaftliche Druck eine Rolle spielen, ist auch Thomas klar: „In den Häusern wird sich kaum jemand trauen, die Forderung nach dem C1-Level zu unterstützen – doch für die Qualität der Pflege, die Sicherheit der Patienten und die Zufriedenheit aller Kollegen ist genau das notwendig.“

Autor: Jens Kohrs

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