Sie habe Bedenkliches gehört, sagte auf der 25-Jahr-Feier des Deutschen Pflegerats im Juni dieses Jahres die pflegepolitische Sprecherin der Grünen Kordula Schulz-Asche: Immer mehr Pflegekräfte in Deutschland interessieren sich für die Arbeit in Österreich. Daraus lässt sich natürlich noch nicht der Schluss ziehen, dass mehr Pflegekräfte nach Deutschland abwandern (und es gibt auch niemanden, der dies bestätigt – inklusive dem Büro der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche). Doch es scheint ein recht attraktives Land aus Sicht deutscher Pflegekräfte: Der ökonomische Druck ist nicht ganz so groß wie in Deutschland, der Fachkräftemangel noch nicht so niederschmetternd – so zumindest das Stimmungsbild auf der größten Veranstaltung der österreichischen Pflegebranche, dem Pflegekongress 23 Mitte Oktober in Wien.
Auch wenn die Vergütung ähnlich wie in Deutschland ist, dem ersten Eindruck nach sogar etwas geringer: Es kann reizvoll sein, einmal im Ausland zu arbeiten (wo andere Urlaub machen, wie es in Stellenanzeigen so gern heißt), vielleicht auch nur für ein Jahr, um etwas Neues zu erleben und sich frischen Wind um die Nase wehen zu lassen – zumal es so unkompliziert ist. Wir bieten ihnen einen kleinen, ersten Einblick zur Orientierung – dabei dienen uns die Tirol Kliniken häufig als Beispiel, sie zählen mit vier großen Standorten – darunter die Uniklinik Innsbruck und die Pflegeklinik Tirol (163 Betten) etwa zehn Kilometer östlich von Innsbruck – zu den größten Krankenhausverbünden in Österreich.
Frage 1: Österreich ist EU-Mitglied – kann ich dort so spontan anfangen zu arbeiten wie in einem deutschen Krankenhaus oder Pflegeheim?
Nein, auch wenn Deutschland und Österreich beide EU-Mitgliedsländer sind, müssen Sie Ihren Abschluss in Österreich anerkennen lassen. Dokumente, die Sie für die Anerkennung brauchen:
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
- Reisepass
- Examenszeugnis
- ausgefülltes Antragsformular (eine Seite, es werden absolute Basics abgefragt)
Obwohl sich Anerkennungsverfahren auch in Österreich oft über Monate streckt: Als EU- Bürgerin oder –Bürger haben Sie den Vorteil, ein verkürztes Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, das oft nur Tage dauert. Dafür vereinbaren Sie einen Termin im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Ihre jeweilige Ansprechpartnerin (abhängig vom Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens) finden Sie auf der Website des Ministeriums samt Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
Neben der Anerkennung ist die Registrierung im Gesundheitsberuferegister (GBR) notwendig, um in Österreich als Pflegekraft/Pflegefachkraft arbeiten zu können. Für angestellte Pflegekräfte ist die Arbeiterkammer die zuständige Registrierungsbehörde, für selbstständig Tätige die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).
Frage 2: Welche Dokumente brauche ich für die Einstellung im Krankenhaus oder im Pflegeheim?
- Anerkennung vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
- Impfnachweise über die gängigen Pflicht-Impfungen für Pflegekräfte, wie Hepatits B, Masern etc.
- Führungszeugnis (Österreicher sagen Leumundszeugnis), das nicht älter als drei Monate ist
- Registrierungsnachweis im Gesundheitsberuferegister (GBR, siehe oben Frage 1) . Das ist üblicherweise der Berufsausweis, den Pflegekräfte mit der Registrierung erhalten.
Frage 3: Wie lange dauert die Probezeit?
In den Tirol Kliniken gibt keine Probezeit in dem Sinne, wie wir sie in Deutschland kennen allerdings ist der Arbeitsvertrag zunächst auf ein Jahr befristet. Nach fünf und nach zehn Monaten gibt es ein Feedback-Gespräch.
Frage 4: Gibt es unkomplizierte Unterkunftsmöglichkeiten?
Den Job zu wechseln, ist immer ein kleines Risiko. Deshalb möchten viele sich nicht gleich mit kompletter Wohnungseinrichtung niederlassen. Da kommt es einem entgegen, wenn der Arbeitgeber möblierte Wohnungen vermietet – so wie die Tirol Kliniken: Sie bieten 20-Quadratmeter-Appartments mit Bad und Koch-Nische für monatlich 500 bis 600 Euro (warm) an.
Frage 5: Wie viele Stunden beträgt die Wochenarbeitszeit?
Die Landesgesundheitsagentur, ein öffentlicher Klinikverbund (in Niederösterreich, im Osten, südlich von Wien) wie die Tirol Kliniken, hat eine 37,5 Stundenwoche; die Tirol Kliniken eine 40-Stundenwoche, nur die mobile Pflege hat dort eine 37,5 Stundenwoche.
Frage 6: Wie sind die Gehälter?
Das Bruttogehalt beträgt bei fünf Jahren Berufserfahrung in den Kliniken der Landesgesundheitsagentur 3.800 Euro bis 3.900 Euro, 4.100 bis 4.200 Euro auf spezialisierten Stationen (wie Intensiv). Tipp: Fragen sei bei Gehaltsangaben immer, ob es sich um das Grundgehalt oder das Gehalt mit Zulagen und Zuschlägen handelt – die Unterschiede können beträchtlich sein, häufig betragen sie um die 500 Euro. Und bedenken Sie: Es lohnt sich immer, das Gehalt in Bezug zu den Lebenshaltungskosten vor Ort zu setzen. Müssen Sie allein für Miete mit 1.500 Euro rechnen oder noch mehr, schmälert das den Reiz einer großzügigen Vergütung.
Frage 7: Ist die Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer verpflichtend?
Ja, sie ergibt sich automatisch, denn die Arbeiterkammer ist für die Registrierung der angestellten Pflegekräfte zuständig (siehe Frage 1 und 2 zu Gesundheitsberuferegister). Unter dem Dach der Arbeiterkammer befinden sich verschiedene Berufe. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 0,5 Prozent des Monatsgehalts, ist aber bei 15 Euro gedeckelt. Die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer besteht für Pflegekräfte mit:
- einjähriger Ausbildung (Pflegeassistenten)
- zweijähriger Ausbildung (Pflegefachassistenten)
- dreijähriger Ausbildung oder dreijährigem Fachhochschulstudium (Pflegefachpersonen)
Die Arbeiterkammer bietet ihren Mitgliedern verschiedene Serviceleistungen (so wie in Deutschland der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe und die Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Sie unterstützt allerdings auch bei Fragen, die mit dem Beruf kaum etwas zu tun haben – wenn es etwa um den Mietvertrag geht, um Verbraucheranliegen oder Sozialversicherungen. 172.507 Pflegekräfte sind in der Arbeiterkamm registriert.
Frage 8: Stimmt es, dass es die dreijährige Pflegeausbildung in Österreich nicht mehr gibt?
Ja, die Ausbildung ist seit rund zehn Jahren nach und nach durch ein dreijähriges Bachelor-Studium an einer Fachhochschule ersetzt worden. Es handelt sich um eine gesetzliche Regelung, die nach einer Übergangszeit ab Herbst 2024 verbindlich wird.
Sie bedeutet aber auch: Die dreijährige Ausbildung fast nur absolvieren, wer das Abitur (Matura) hat. Es gibt noch die Alternative, eine Berufsreifeprüfung oder eine Studienberechtigungsprüfung abzulegen, um das Bachelor-Studium anzutreten. Darauf weist Kurt Schalek von der Arbeiterkammer hin.
Möglicherweise sind die höhergeschraubten Voraussetzungen der Grund dafür, dass die Bewerberzahlen in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind.
Autorin: Kirsten Gaede