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Viele Jugendliche finden die Pflegeberufe attraktiv, die Bezahlung aber zu schlecht. Deshalb entscheide sich letztlich doch nur ein Bruchteil von ihnen für diese Branche. Dieses Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Sinus-Instituts für Markt- und Sozialforschung stellte kürzlich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) vor. Es entsprach damit einem Tenor, der seit Jahr und Tag in der Öffentlichkeit kursiert: die Pflege sei ein schlecht bezahlter Job.
Pflegehelferin verdient mehr als eine Friseurin
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Aber stimmt das wirklich? Sind die finanziellen Aussichten tatsächlich so ungerecht und düster? Laut „Entgeltatlas“ der Bundesagentur für Arbeit liegt das Durchschnittsgehalt für eine Altenpflegehelferin mit nur einjähriger Ausbildung bei 2035 Euro. Damit verdient sie zwar etwas weniger als eine Fachverkäuferin für Bürobedarf (2176 Euro), aber deutlich mehr als eine Friseurin mit dreijähriger Ausbildung (1626 Euro). Mit besserer Qualifikation geht natürlich noch mehr. So kommt eine examinierte Altenpflegefachkraft auf 2.877 Euro. Damit liegt ihr Gehalt sogar knapp über dem der Fachgehilfin in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen (2.760 Euro) und deutlich über dem der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten (2.523 Euro). Für beide letztgenannte Berufe benötigt man ebenfalls eine dreijährige Ausbildung – genau wie für die Altenpflegefachkraft.
Eine PDL verdient so viel wie eine Grundschullehrerin
Eine Pflegedienstleitung (PDL) kommt der Statistik zufolge auf ein Durchschnittsgehalt von 3.921 Euro und verdient damit so viel wie ein Grundschullehrer (3.943 Euro) oder wie ein Speditions- und Logistikkaufmann (3.953 Euro). Die Leitung einer Altenpflegeeinrichtung oder -schule bringt es immerhin im Schnitt auf knapp 5.000 Euro und erhält damit mehr als ein Gymnasiallehrer (4.638 Euro).
Manche Träger rücken mit konkreten Angaben zu Gehältern nicht raus
Da es sich bei der Statistik um Durchschnittswerte und Grundgehälter handelt, lohnt ein differenzierter Blick auf die Anbieter. pflegen-online hat bei mehreren Unternehmen nachgefragt, stieß aber hier und da auf taube Ohren. Für die Cura AG sagte etwa der Personalreferent, man möchte die Gehälter nicht öffentlich machen, weil es sich dabei ohnehin „nur um Momentaufnahmen“ handle. Vom Kuratorium wohnen im Alter (KWA) in München kam ebenfalls eine Absage. Der AWO-Bundesverband und die Azurit-Hansa-Gruppe antworteten schlichtweg nicht trotz mehrmaliger Nachfrage,
Diakonie, Caritas & Co. zahlen überdurchschnittlich
Diakonie, Caritas, Johanniter-Unfallhilfe e.V., Agaplesion gAG und Evangelische Heimstiftung GmbH (Stuttgart) hatten hingegen kein Problem damit, ihre Gehaltsstrukturen offen zu legen. Wohl auch deshalb, weil sie ihre Mitarbeiter überdurchschnittlich gut bezahlen inklusive diverser Zuschläge für Schicht-, Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Kinderzulagen, was insgesamt noch einmal mindestens 5 bis 10 Prozent des Bruttomonatslohns ausmacht.
Für Mitarbeiter ab 55 gibt es bei den Johannitern fünf Tage Sonderurlaub
30 Tage Urlaub sind Standard – bei den Johannitern 29, aber ab dem 55. Lebensjahr gibt es fünf Tage Sonderurlaub. Diakonie, Heimstiftung und Caritas berechnen eine 39-Stunden-Woche, bei den Johannitern sind es 40 Stunden pro Woche. Letztere weisen aber schon auf die nächste Tariferhöhung hin: Ab Januar 2021 bekommen alle Johanniter-Beschäftigte 3,1 Prozent mehr Geld.
13. Monatsgehalt („Sonderjahresvergütung“) bei Agaplesion, Johanniter und Diakonie
Die Caritas nennt zudem eine „Sonderjahresvergütung“, die im November gezahlt wird und bei Hilfs- und Fachkräften 86 Prozent, bei Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen 76 Prozent der monatlichen Vergütung entspricht. Bei Agaplesion liegt diese Jahressonderzahlung bei 98 Prozent der Bruttovergütung (Auszubildende: 80 Prozent). Diakonie und Johanniter-Unfall-Hilfe zahlen sogar 100 Prozent Sondervergütung aus.
Mit Examen gibt es bei der Diakonie 725 Euro mehr
Konkret sehen die Gehälter bei den vier Anbietern so aus:
- Für eine Altenpflegehelferin mit fünfjähriger Berufserfahrung liegen die Grundgehälter zwischen 2.363 Euro (Agaplesion) und 2.760 Euro (Evangelische Heimstiftung). Johanniter, Diakonie und Caritas bewegen sich mit 2.540, 2.630 und 2.700 Euro dazwischen.
- Mit höherer Qualifizierung geht es dann auch auf dem Gehaltskonto entsprechend nach oben. Eine Fachkraft mit fünfjähriger Berufserfahrung profitiert bei der Diakonie sogar vom größten Gehaltssprung: sie bekommt dort rund 725 Euro mehr als ihre gering qualifizierte Kollegin. Bei der Evangelischen Heimstiftung macht die höhere Qualifizierung immerhin einen Gehaltsunterschied von knapp 600 Euro aus, bei Agaplesion 577 Euro, bei den Johannitern 550 Euro, bei der Caritas allerdings nur noch 300 Euro.
Hilfskräfte bei der Caritas besonders gut gestellt
Nach zehn Jahren schneidet die Hilfskraft bei der Caritas mit einem Grundgehalt von gut 3.000 Euro wiederum deutlich besser ab als ihre Kolleginnen bei der Diakonie (2.760 Euro), bei den Johannitern (2.660 Euro) und Agaplesion (2.433 Euro): Berufserfahrung wird also hier besonders honoriert.
Erfahrene Pflegehelferinnen verdienen mehr als eine Physiotherapeutin
In jedem Fall verdienen Altenpflegehelferinnen bei allen fünf Trägern mehr als eine Arzthelferin (laut Entgeltatlas: 2.411 Euro) oder eine Physiotherapeutin (2.376 Euro).
Ev. Heimstiftung: 3.680 Euro Grundgehalt für examinierte Altenpflegerin
Für eine Fachkraft mit zehn Jahren Berufserfahrung zahlt die Evangelische Heimstiftung von den fünf Trägern das höchste Grundgehalt (3.680 Euro, mit Zuschlägen 4.206,58 Euro - siehe Tabelle weiter unten) gefolgt von Diakonie (3.516 Euro), Caritas (3.270 Euro), Johannitern (3.240 Euro) und Agaplesion (3.092 Euro). Das mag auch der Region geschuldet sein, denn in der Bezahlung macht sich auch ein Nord-Süd- sowie ein Ost-West-Gefälle bemerkbar: Die Heimstiftung agiert ausschließlich im teuren Stuttgarter Raum, die Agaplesion gemeinnützige AG bezieht sich in ihren Angaben auf Berlin.
Bis zu 5.460 Euro für eine PDL bei der Diakonie
Bei den PDL-Gehältern weisen Diakonie und Johanniter auch auf unterschiedliche Größen der Organisationseinheiten hin, die sich in den Gehältern widerspiegeln. So verdient die PDL einer großen Diakonie-Organisationseinheit mit zehnjähriger Berufserfahrung rund 5.460 Euro – und damit 1.230 Euro mehr als die Kollegin einer kleinen Einheit (4.230 Euro).
PDL-Gehalt liegt auf Redakteurs-Niveau
Bei den Johannitern liegen die entsprechenden Gehälter um rund 300 bis 400 Euro darunter. Insgesamt befinden sich die PDL-Gehälter in der Altenpflege damit auf dem gleichen Level wie die von Redakteuren (4.339 Euro). Die Vergleichsgröße ist insofern interessant, als viele junge Leute ja „was mit Medien“ machen wollen – der Verdienst ist dort: in den Medien - aber nicht besser als in der Altenpflege, zumal es gerade im Print-Journalismus viele gering bezahlte Stellen gibt.
So sieht ein Grundgehalt mit Zuschlägen bei der Ev. Heimstiftung aus
Bei all den genannten Summen kommen, wie gesagt, noch 5 bis 10 Prozent Zuschläge hinzu. Wie das Gesamtbrutto inklusive Zuschlägen aussehen kann, zeigt sich an der Gehaltstabelle der Evangelischen Heimstiftung (Stuttgart):
- Pflegehelferin (ohne Ausbildung), 5 Jahre Berufserfahrung: 2.806,62 Euro
- Pflegefachkraft, 5 Jahre Berufserfahrung: 3.877,96 Euro
- Pflegefachkraft, 10 Jahre Berufserfahrung: 4.206,58 Euro
- WBL, 5 Jahre Berufserfahrung: 4.125,67 Euro
- WBL, 10 Jahre Berufserfahrung: 4.504,20 Euro
- PDL, 5 Jahre Berufserfahrung: 4.398,09 Euro
- PDL, 10 Jahre Berufserfahrung: 4.820,39 Euro
- WBL, 5 Jahre Berufserfahrung: 4.125,67 Euro
- WBL, 10 Jahre Berufserfahrung: 4.504,20 Euro
[Sie möchten wissen, wie viel Caritas, Johanniter und Agaplesion zahlen? Lesen Sie unseren Artikel Altenpflege: pflegen-online-Gehaltscheck 2021]
Die Gehälter beinhalten Zuschläge für:
- zwei Wochenenddienste
- einen Feiertag
- eine Schichtzulage
- 30 Nachtstunden
- und zwei Vertretungsbereitschaften mit Einsatz
- sowie einen Zuschlag für ein Kind
Bis zu 1.400 Euro für Auszubildende in der Altenpflege
Auch die Ausbildungsgehälter in der Altenpflege können sich sehen lassen: Im ersten Jahr gibt es gut 1.100 Euro, im zweiten 1.200 und im dritten rund 1.300 Euro. Mit den üblichen Zuschlägen hat die Evangelische Heimstiftung für ihre Azubis sogar gut 100 Euro mehr je Monat errechnet. Bei Agaplesion liegt die Grundvergütung mit 1.200, 1.300 und 1.400 Euro bereits höher. Laut einer aktuellen Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung verdienen Auszubildende in der Pflege am meisten.
Gehälter in der Altenpflege: Es kommt ganz auf den Träger an
Damit erhalten Altenpflege-Azubis gut doppelt so viel wie Lehrlinge in Einzelhandel oder Handwerk, wo in den ersten drei Lehrjahren Vergütungen zwischen 550 und 850 Euro üblich sind. Hochgerechnet auf die drei Ausbildungsjahre starten angehende Altenpflegerinnen also mit einem Vorsprung von gut 20.000 Euro ins Berufsleben gegenüber ihren Altersgenossen, die in Einzelhandel oder Handwerk eine Karriere anstreben. Fazit: Die schlechte Bezahlung sollte fortan junge Leute nicht mehr davon abhalten, den Beruf der Altenpflegerin zu wählen. Sie können dort sogar mehr verdienen als in vielen anderen Branchen. Es kommt ganz auf den Träger an.
[Selbst wenn Sie nach Tarif bezahlt werden, können Sie im Vorstellungsgespräch verhandeln. Wie Sie dabei am besten vorgehen, erfahren sie im Artikel Gehalt verhandeln - das geht auch in der Pflege]
Autorin: Birgitta vom Lehn