Ist ein flächendeckender Tarifvertrag in der Altenpflege überhaupt möglich? Über diese Frage diskutieren Politiker, die Gewerkschaft Verdi und einige - meistens freigemeinnützige - Träger seit Jahren. Die Hürden sind hoch, doch der politische Wille ist stark. So dramatisch darf man es formulieren. Denn es geht um die Zukunft aller, die in Deutschland leben. Das legen die Vereinbarungen zur Konzertierten Aktion Pflege (KAP) nahe, die Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminiser Hubertus Heil (SPD) gemeinsam initiiert und verabschiedet haben. In der Vereinbarung „Entlohnungsbedingungen in der Pflege“ steht klipp und klar: Nur mit deutlich höheren Löhnen wird es möglich sein, so viele junge Leute für die Altenpflege zu interessieren, wie nötig sind, um die stark wachsende Zahl Pflegebedürftiger würdevoll zu versorgen.
Eine Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil macht es möglich
In der KAP hat eine Mehrheit der über 30 Mitglieder der Arbeitsgruppe 5 den Weg zu einem flächendeckenden Tarifvertrag vorgezeichnet: Zunächst vereinbaren zwei Tarifpartner einen normalen Tarifvertrag mit festen Lohnuntergrenzen und weiteren Mindestarbeitsbedingungen. Dieser Tarifvertrag wird dann auf alle anderen Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) ausgedehnt. Möglich wird dies durch das Arbeitnehmerentsendegesetz (Paragraf 7a). Dieses besagt, dass die Vorgaben eines Tarifvertrags auch auf alle anderen, an diesen Tarifvertrag ursprünglich nicht gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeweitet werden darf - wenn das Bundesarbeitsministerium dies so verordnet.
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Der Tarifvertrag, der nun alles ins Rollen bringen soll, wird zwischen Verdi und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) geschlossen. Zum BVAP gehören vor allem Wohlfahrtsverbände wie der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Diakonischen Dienstgeber in Niedersachsen, der Paritätische Gesamtverband und die Volksolidarität.
Den Rahmen für den Tarifvertrag haben die beiden Tarifparteien bereits vereinbart. Zu den Eckpunkten zählen:
- ein Mindest-Stunden-Entgelt in drei Schritten für Pflegefachkräfte auf 18,50 Euro die Stunde - das entspricht einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 3.137 Euro brutto
- ein Mindest-Stunden-Entgelt für Pflegekräfte mit ein- oder zweijähriger Ausbildung von 15 Euro
- ein Mindest-Stunden-Entgelt für Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung von 14,15 Euro
- ein Weihnachtsgeld von mindstens 500 Euro für Vollzeitbeschäftigte
- ein Urlaubsanspruch von mindestens 28 Tagen im Jahr
- gleich Bezahlung für Arbeitnehmer in Ost und West
Private Träger kündigen Verfassungsklage an
Der Tarifvertrag soll bereits am 1. Juli 2021 inkrafttreten. Bis dahin muss es noch zu einer Einigung mit den kirchlichen Trägern kommen und mit den privaten Trägern. Die kirchlichen Träger werden voraussichtlich einlenken, sie haben dem Vorhaben schon in der KAP-Arbeitsgruppe zugestimmt, viele von ihnen zahlen ohnehin vergleichsweise gute Gehälter. Die konfessionellen Altenpflege-Träger machen allerdings zur Voraussetzung, dass ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht (Stichwort Dritter Weg) etwa bei der Besetzung der Tarifkommissionen respektiert wird.
Auf Ablehnung stößt das Vorhaben von Bundesarbeitsminister Heil hingegen bei den privaten Trägerverbänden, zu diesen zählen unter anderem der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) und der Arbeitgeberverband Pflege. Sie halten sich in Gehaltsfragen grundsätzlich eher bedeckt und haben rechtliche Schritte angekündigt.
Autorin: Kirsten Gaede