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Foto: Maren Schlenker

Digitalisierung

Altenpflege: Ein bisschen Wlan reicht nicht 

Die meisten Pflegeheime können ihren Bewohnern kein Wlan anbieten und arbeitserleichternde digitale Anwendungen nicht nutzen. Doch sie scheuen die Kosten für den Wlan-Ausbau. Vermutlich völlig zu Unrecht  

Die Generation 65+ ist im digitalen Zeitalter angekommen. Für Senioren ist ein Umzug in eine Seniorenresidenz oder ein Pflegeheim ohne Wlan kaum noch vorstellbar. Eine Befragung des Netzwerk-Infrastruktur-Unternehmens CommScope ergab, dass für 77 Prozent der Befragten der Internetzugang bei der Wahl einer Seniorenresidenz oder eines betreuten Wohnheims eine wichtige oder sehr wichtige Rolle spielt. Von diesen 77 Prozent wären über die Hälfte (51,3 Prozent) sogar bereit, für Wlan in allen Bereichen der Einrichtung monatlich einen Zusatzbeitrag zu zahlen. Die technische Ausstattung wird bei der Auswahl einer Seniorenresidenz also immer mehr zum Entscheidungskriterium.

Die meisten Bewohner müssen ohne Wlan auskommen 

Das Problem: Viele Pflegeheime und Seniorenresidenzen befinden sich noch immer im analogen Zeitalter. Dieses Bild zeichnet zumindest eine Studie des Online-Portals pflegemarkt.com: Nur 37 Prozent der befragten Pflegeheime konnten 2018 ihren Bewohnern Wlan anbieten. Und über 80 Prozent der Einrichtungen mit Wlan im Angebot berechneten diese Leistung extra. Der Anteil der Häuser, die ein kostenfreies Netz zur Verfügung stellen, lag gerade mal bei 6 Prozent.

Auch wenn seitdem Einiges passiert ist und die Corona-Pandemie auch in den Pflegeheimen und Seniorenresidenzen für einen digitalen Schub gesorgt hat: „In vielen Pflegeheimen ist das Thema Digitalisierung immer noch ein Randthema“, sagt Stefan Baumann, der für CommScope aus North Carolina/USA Pflegeheime und Seniorenresidenzen in Deutschland bei der Digitalisierung berät. „Weder gibt es feste Budgets für die digitale Ausstattung noch IT-Manager, die sich um dieses Thema kümmern.“ Viele Einrichtungen seien nur mit rudimentären Netzen ausgerüstet, die für umfassende digitale Dienstleistungen nicht ausgerüstet sind.

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Experten-Tipp: Auf bestehende Wlan-Struktur aufsetzen 

Baumann liegt als Berater nichts daran, Pflegeheime zu großen, halsbrecherischen Würfen zu verleiten: „Natürlich kann man Pflegeheime komplett neu mit der neuesten Verkabelung ausrüsten. Aber da entstehen Kosten, die sich wirtschaftlich dann oft nicht mehr rechnen.“ Er setzt daher auf Lösungen, die auf der bestehenden Wlan-Struktur aufsetzen: „Auch mit kleineren Budgets sind digitale Strukturen umsetzbar.“

12.000-Euro-Förderung bis 2023 verlängert 

Die Zeit für einen Netzausbau ist in jedem Fall günstig. Denn Pflegeheime und ambulante Dienste erhalten von den Pflegekassen einen einmaligen Zuschuss bis zu 12.000 Euro. Ursprünglich sollte die Frist für die Förderung, die Teil des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG), Ende dieses Jahres auslaufen, doch nun ist sie bis 2023 verlängert worden. Die Politik möchte auch diesem Wege Pflegekräfte entlasten – insbesondere beim internen Qualitätsmanagement und beim Erheben von Qualitätsindikatoren. Reibungsloser sollen durch die Förderung der Digitalisierung auch die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeheimen ebenso wie die Aus-, Fort- und Weiterbildung laufen.

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Sturzprophylaxe, Hitzeschutz, Videosprechstunde via Wlan 

Stefan Baumann nennt drei Beispiele jenseits der digitalen Pflegedokumentation, die zeigen, wie sich die Situation für Bewohner und Pflegekräfte gerade im Pflegeheim durch die Digitalisierung verbessern lässt:

  • „Wenn man weiß, das eine Pflegekraft in der Nacht für bis zu 60 Bewohner zuständig ist, dann sind Sturz-Sensoren um das Bett oder Lichtsysteme, die auf Bewegungen reagieren und als Wegweiser zum Bad dienen, große Hilfen. Bei den Bewohnern reduzieren sich die Ängste, unbemerkt nach einem Sturz hilflos auf dem Boden zu liegen. Die Pflegekräfte haben mehr Überblick und können so gezielt auf einen Alarm reagieren. Und damit mehr Zeit, um sich um Bewohner und Bewohnerinnen zu kümmern, die in der Nacht Ansprache brauchen.“
  • Anderes Beispiel: Das Hitzemanagement. Für ältere Menschen sind die sommerlichen Extrem-Temperaturen eine lebensgefährdende Bedrohung wie ein neuer AOK-Report eindrücklich belegt. Baumann: „Man kann ja nicht in jedes Zimmer eine Klimaanlage einbauen. Also braucht es ein intelligentes Hitzemanagement, das über Sensoren Rollos, Fenster und Türen steuert und die Pflegekräfte informiert, wenn die Zimmertemperaturen in den roten Bereich gehen.“
  • Oder Telemedizin: Per Videosprechstunde ist einer kurzer Weg von Hausarzt zu Patient möglich. Der Arzt kann sich den leidenden Bewohner anschauen, und dann entscheiden ob er zur Visite ins Heim fährt oder der Pflegekraft Beobachtungs- und Behandlungsanweisungen erteilt. So können notwendige therapeutische Entscheidungen zur Sicherheit der Patienten schneller getroffen werden.

Autor: Hans-Georg Sausse

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