Es gibt viele gute Gründe, als Pflegekraft selbstständig unterwegs zu sein: Weniger Überstunden, mehr Gehalt, freie Zeiteinteilung, Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Klingt ein wenig nach Zeitarbeit – aber die ist hier nicht gemeint. Denn Zeitarbeiter sind auch Angestellte (der Zeitarbeitsfirma),
Viele schrecken aber davor zurück, ganz auf sich gestellt zu sein. Manchmal einfach nur, weil sie den bürokratischen Aufwand fürchten und nicht wissen, wo die Tücken der Selbstständigkeit liegen. Unser Überblick zeigt, was als selbstständige Pflegekraft möglich ist – und was nicht.
Frage 1: Was ist die Voraussetzung für Selbstständigkeit?
Grundvoraussetzung für die Selbstständigkeit in einem Pflegeberuf ist eine entsprechende Ausbildung. Ohne eine formale und nachweisbare Ausbildung läuft nichts. Und in vielen Bundesländern werden erste Erfahrungen erwartet: Meistens heißt es, man sollte mindstens zwei Jahre in den letzten fünf Jahren als Pflegekraft gearbeitet haben.
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Die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen, gibt es in allen Pflegeberufen. Von A wie Altenpflegerin über G wie Gesundheits- und Krankenpflegerin bis zu P wie (ausgebildete) Pflegehelferin.
Frage 2: Welche Möglichkeiten gibt es, sich selbstständig zu machen? Kann ich als selbstständige Pflegekraft in Kliniken oder stationären Pflegeeinrichtungen arbeiten?
Das ist umstritten. Das Bundessozialgericht Kassel hat 2019 entschieden, dass Pflegekräfte, die als Honorarkräfte in stationären Pflegeeinrichtungen arbeiten, in dieser Tätigkeit nicht als Selbstständige anzusehen sind, sondern als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Damit können Pflegeeinrichtungen (Pflegeheim, Krankenhäuser, ambulante Dienste) ihre Personalengpässe nicht länger mit selbstständigen Pflegekräften überbrücken. Denn „wer in einem Krankenhaus als Pflegekraft arbeitet, ist in den Betrieb integriert und vor allem Weisungsgebunden. Damit ist er Arbeitnehmer und nicht mehr selbstständig.
Wenn eine Pflegekraft zum Beispiel als Springer einspringt und damit eine angestellte Pflegekraft ersetzt, ist sie nach Auffassung der Rentenversicherung Angestellte und muss Sozialabgaben leisten. Probleme haben Krankenhäuser schon lange vor 2019 wegen der Beschäftigung von Honorarkräften bekommen. Das ist ein entscheidender Grund, weshalb Krankenhäuser angefangen haben, mehr und mehr Zeitarbeitskräfte einzusetzen – bei ihnen gibt es das Problem der Scheinselbstständigkeit nicht.
Haftungsbeschränkte Pflege-UG – ist das die Lösung?
Optimistischer sieht Patricia Drube vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) die Situation. Sie berät für den DBfK Pflegekräfte, die sich selbstständig machen wollen, und verweist auf ein Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg: Das Gericht hat einer selbstständigen Pflegekraft, die eine haftungsbeschränkte Pflege-UG – „eine Art Mini-GmbH“ – gegründet hatte, die Arbeit in Kliniken als Honorarkraft zugestanden. Drube: „Dass die das durchgewinkt haben, hat mich schon erstaunt.“ Und wenn es hart auf hart kommt, wenn also wegen fehlender Pflegekräfte in Kliniken Abteilungen geschlossen werden müssten, so glaubt sie, würden die Kliniken auch Honorarkräfte buchen. „Das kommt schon öfter vor. Da gehen die Kliniken ins Risiko und zahlen im Zweifelsfalle die Sozialabgaben nach.“
Frage 3: Kann eine Pflegekraft als Pflege-Dozentin auf Honorarbasis arbeiten?
Ja. Das machen auch viele Pflegekräfte, die in Teilzeit angestellt sind, als freiberufliche Ergänzung. Sie unterrichten in Pflegefachschulen oder Fortbildungsinstituten; auch größere Pflegeeinrichtungen buchen die freiberuflichen Pflege-Dozentinnen und -dozenten gern. Hier gelten – wie bei der Honorartätigkeit in Einrichtungen die rechtlichen Voraussetzungen des Einzelunternehmers Pflege (siehe weiter unten Frage 6 ff.).
Über die beruflichen Qualifikationen hinaus werden häufig keine weiteren formalen Qualifikationen wie eine pädagogische Ausbildung verlangt. Allerdings, so die Erfahrung von Patricia Drube, „ist die Vergütung nicht sonderlich gut. Die Schulen und Institute zahlen einfach schlecht.“
Frage 4: Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, selbstständig als Pflegekraft zu arbeiten?
Wer gerne fliegt und es liebt in der Welt herum zu kommen, kann sich über spezielle Agenturen als selbstständige Flight Nurse vermitteln lassen. Da muss man Patienten über den Wolken begleiten und versorgen. Angeboten werden der Krankentransport im Linienflugzeug und der Krankentransport im Ambulanzflugzeug für akut erkrankte Patienten.
Beim Krankentransport im Linienflug betreut ein medizinischer Flugbegleiter mit medizinischer Notfallausrüstung vor allen Dingen geschwächte oder körperlich eingeschränkte Reisende. Beim Krankentransport im Ambulanzflugzeug versorgen ein medizinisches Team, ein Arzt und ein fachlich qualifizierter Flugbegleiter kranke und verunglückte Menschen in einem Rettungsflugzeug. Pflegekräfte, die sich für die Arbeit als Flight Nurse interessieren, brauchen als Grundvoraussetzung eine Weiterbildung in der Intensivpflege.
Weitere Informationen über Voraussetzungen und Abläufe gibt es beim größten Anbieter für Auslandsrückholung und Krankentransporte in Deutschland, dem Malteser Hilfsdienst. . Auch der Medical Flight Service, der sich auf Versicherungen spezialisiert hat, sucht Pflegekräfte. Die Ambulanzflug Zentrale bietet Patienten nicht nur ein medizinisches Team, sondern stellt auch Flugzeuge und Hubschrauber zur Verfügung.
Frage 5: Was darf eine selbstständige Pflegekraft alles machen?
Aus der Ausbildung und etwaigen Schwerpunkten ergibt sich das Leistungsspektrum. Jede Pflegekraft sollte daher genau wissen, was sie darf und was eben nicht. Das heißt: Immer an die in der Ausbildung vermittelten Inhalte halten. Natürlich ist es auch möglich, sich in bestimmten Bereichen mit Blick auf bestimmte Krankheitsbilder fortzubilden und sich auf ein Gebiet zu spezialisieren, zum Beispiel für Intensivpflege, die im ambulanten Bereich nachgefragt wird.
Frage 6: Was ist bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit zu beachten?
Als erstes muss die freiberufliche Tätigkeit beim Finanzamt angemeldet werden, das dann eine neue Steuernummer vergibt. Die muss auf allen Rechnungen angegeben werden. Zudem wird in den meisten Bundesländern eine Anmeldung beim zuständigen Gesundheitsamt gefordert, wobei auch ein Gesundheitscheck vorgesehen ist. Auch ein Führungszeugnis wird in einigen Bundesländern vorausgesetzt. Außerdem ist die freiberufliche Tätigkeit als Pflegekraft bei der Berufsgenossenschaft anzumelden, im Falle der Pflege bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.
Frage 7: Was ist bei Steuer zu beachten?
Klar, auch hier gilt: Alle Einkünfte sind einkommenssteuerpflichtig. Insofern müssen sie jedes Jahr bei der Steuererklärung mithilfe einer recht einfachen Einnahme-Überschussrechnung (EÜR) angegeben werden. Generell gilt, dass sämtliche Leistungen in den Heilberufen nicht von der Umsatzsteuer erfasst werden. Rechnungen, die für Pflegeleistungen gestellt werden, sollten einen dementsprechenden Hinweis auf Paragraf 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) enthalten.
Frage 8: Welche Versicherungen braucht eine freiberufliche Pflegekraft?
Die wichtigste Versicherung ist die Berufshaftpflichtversicherung. Und sie sollte leistungsstark sein, um möglichst umfassend Risiken abzusichern.
Auch eine Rechtschutzversicherung kann sinnvoll sein, da sich kostenintensive Rechtstreitigkeiten nicht ausschließen lassen.
Darüber hinaus öffnet sich durch die selbstständige Tätigkeit der Weg in die private Krankenversicherung - und dies unabhängig von der Höhe der erzielten Einkünfte.
Auch an die Altersversorgung sollte gedacht werden. Hier bietet sich an in einen Rentenfonds einzuzahlen.
Frage 9: Kann ich mich mit mehreren Pflegekräften zusammenschließen?
Das geht. Da wäre ein Genossenschaftsmodell möglich. Mehrere Pflegekräfte gründen eine Genossenschaft. Da muss dann die zuständige Behörde seine Zustimmung geben. Unter Ärzten ist dieses Modell nicht ungewöhnlich. Patricia Drube rät davon eher ab: „Das ist relativ aufwendig und teuer. Es gibt viele bürokratische Hürden, deshalb hat das bisher auch keine große Verbreitung gefunden.“
Frage 10: Was gibt es für Selbstständige in der ambulanten Pflege zu beachten?
Da die meisten Pflegekräfte, die sich selbstständig machen, im ambulanten Bereich als Solo-Pflegekraft mit Einzelverträgen unterwegs sind, ist es ganz wichtig, vorher einen Versorgungsvertrag/eine Vergütungsvereinbarung mit den Krankenkassen-Landesverbänden und/oder den Pflegekassen abzuschließen. Denn nur so kann mit den Kassen abgerechnet werden.
Natürlich ist es auch möglich, direkt mit seinen Patienten abzurechnen und Rechnungen auszustellen. Die Preise sollten sich dann an den allgemeinüblichen Honoraren für Pflegekräfte richten. Individuelle Leistungen im Bereich der häuslichen Pflege – die dann auch nicht immer von den Kassen übernommen werden – müssen mit den Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen ausgehandelt werden. Auch hier sollte man sich vorab über vergleichbare Honorarforderungen informieren.
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Frage 11: Was ist, wenn ich einen ambulanten Dienst gründe?
Das geht natürlich auch, aber dann ist man nicht nur selbstständig sondern eben auch Unternehmerin. Und dann kommt schon in der Planung allerhand auf die Gründerin zu: Business- und Finanzierungsplan, Räumlichkeiten für den Dienst, Unternehmensform (GmbH oder GbR) und, und, und... Das ist also eine ganz andere Nummer als die der auf eigene Rechnung arbeitenden Pflegekraft.
Für Pflegekräfte, die sich selbstständig machen wollen, hat DBfK-Beraterin Patricia Drube noch einen guten Rat: „Ich sage den Pflegekräften, die ich berate, immer, dass sie sich für ihre Ausbildung und ihre Qualifikationen auch gut bezahlen lassen müssen. Viele tun sich schwer, gerade wenn es darum geht, Privatrechnungen für zusätzliche Leistungen zu erstellen. Wer da nicht durchsetzungsfähig ist, fällt finanziell schnell hinten runter. Also: Selbstbewusst auftreten.“
Autor: Hans-Georg Sausse