In Pflegeheimen arbeiten schon jetzt rund 50 Prozent Hilfskräfte. Diese Zahl wird künftig weiter zunehmen. Denn die Einrichtungen brauchen mehr Personal, vor allem mehr Hilfs- und Assistenzkräfte, wie eine Studie des Bremer Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang zeigt. Bei den Pflegefachpersonen liegt der Mehrbedarf an Personal bei 3,5 Prozent, bei den Assistenzkräften sogar bei 69 Prozent. Diese Studie war Grundlage für das neue Verfahren zur Pflegepersonalbemessung in der Altenpflege, das ab Juli 2023 kommt. Dann wird in jedem Heim individuell ermittelt, wie der Personalmix aus Pflegefachpersonen, einjährig qualifizierten Assistentinnen und Hilfskräften aussehen soll – abhängig vom Pflegebedarf der Bewohner.
Bereits jetzt ist die Situation dringlich: „Wir haben schon aktuell nicht genug Pflegefachpersonen, um die Fachkraftquote einzuhalten“, sagt Siegfried Huhn, Pflegeexperte und Berater im Gesundheitswesen. „Um die Versorgung zu sichern, brauchen wir mehr Hilfskräfte.“ Allerdings muss ihr Einsatz gut geplant, organisiert und begleitet werden. Wie sieht das konkret aus?
1. Gute Einarbeitung sicherstellen
Kommen Hilfskräfte neu in die Einrichtung, müssen sie schnell arbeitsfähig werden. „Viele hatten noch nie etwas mit Pflege zu tun. Bisher haben sie vielleicht im Supermarkt Regale aufgefüllt und jetzt sind sie plötzlich im Heim und stehen am Bewohnerbett“, sagt Huhn. Oft findet dann aber keine geplante Einarbeitung statt, es heißt dann nur: Bring Herrn X mal zur Toilette, gib Frau Z mal etwas zu trinken. „Es braucht ein gutes Einarbeitungskonzept, um Hilfskräfte wirklich fit zu machen“, sagt der Pflegeexperte. Dazu müssen man gut überlegen:
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
- Wer übernimmt die Anleitung und ist feste Ansprechperson?
- Welche Aufgaben soll die Person übernehmen?
- Was können wir an Schulungen vor Ort anbieten?
Sinnvoll sei es, die Hilfskräfte in den ersten Wochen mitzunehmen und anzuleiten wie eine Auszubildende beim ersten Einsatz. Speziell bei Tätigkeiten, die ohnehin von zwei Personen ausgeführt werden, können Pflegehilfskräfte unterstützen und zugleich lernen, wie man die Tätigkeiten richtig ausführt – ob bei der Ganzkörperwäsche im Bett oder dem Positionieren eines schwerbeweglichen Menschen. „Bei bestimmten Tätigkeiten, zum Beispiel dem Essenreichen, sollten Hilfskräfte langsam herangeführt werden. Zunächst assistieren sie und dann können sie langsam übernehmen“, sagt Huhn. Dabei schaut die Pflegefachperson zunächst zu und gibt anschließend eine Rückmeldung und kollegiale Tipps.
2. Aufgaben nach Kompetenzen verteilen
Im Moment sind in Pflegeeinrichtungen die Aufgaben oft nach dem Teamgedanken aufgeteilt, das heißt, jeder macht fast alles. „Pflegefachpersonen verbringen nicht selten die Hälfte des Tages mit Tätigkeiten, die auch geringer Qualifizierte übernehmen können“, sagt Heike Jurgschat-Geer, Beraterin im Gesundheitswesen. „Die examinierte Pflegeperson desinfiziert zum Beispiel Betten, während die Hilfskraft eine palliative Bewohnerin betreut.“ Die Aufgaben sollten jedoch so verteilt werden, dass es dem Wissensstand und den Kompetenzen der jeweiligen Mitarbeiterin entspricht. Hilfskräfte können Service- und einfachere Pflegemaßnahmen übernehmen, einjährig qualifizierte Pflegeassistentinnen bedürftigere Bewohner versorgen und Pflegefachpersonen schwerstpflegebedürftige oder auch palliativ erkrankte Menschen“, erläutert Jurgschat-Geer. Zudem sind die Pflegefachpersonen für die Planung und Evaluation der Pflege zuständig.
3. Nicht überfordern
Viel zu oft werden Hilfskräfte mit Aufgaben betraut, für die sie nicht qualifiziert sind. „Sie versorgen schwerstpflegebedürftige oder sterbende Menschen, ohne dass eine Fachkraft anwesend ist oder sie angeleitet werden“, sagt Jurgschat-Geer. Rothgang hat in seiner Studie festgestellt, dass Hilfskräfte 25 Prozent ihrer Zeit mit Aufgaben verbringen, für die sie nicht qualifiziert sind. „Ein solcher Einsatz führt schnell zur Überforderung und Erschöpfung, das gilt es unbedingt zu vermeiden“, sagt die Beraterin. Auffallend sei, dass gerade Hilfskräfte in der Altenpflege überdurchschnittlich häufig körperlich, aber auch psychisch erkranken. „Ein möglicher Zusammenhang mit der Überforderung, die viele Hilfskräfte erleben, ist dabei nicht von der Hand zu weisen.“
4. Pflege planen, Vorbehaltsaufgaben wahrnehmen
Mit dem neuen Pflegeberufegesetz übernimmt die Pflegefachkraft Vorbehaltsaufgaben, das .heißt, sie erhebt den Pflegebedarf, organisiert und steuert den Pflegeprozess und überwacht und evaluiert die Pflege. Diese Aufgaben darf sie nicht an Hilfs- oder Assistenzkräfte delegieren. Zur Steuerung der Pflege gehört auch einzuschätzen, wer im Team welche Aufgaben übernehmen kann – und das jeden Tag neu, da sich der Zustand der Bewohner schnell ändert. „Oft kann die Mundpflege oder auch das Essenanreichen viel herausfordernder sein als das Stellen von Medikamenten, das im Moment nur von examinierten Fachkräften übernommen werden darf“, sagt der Pflegeexperte Siegfried Huhn. Die Pflegefachkraft muss sich überzeugen, dass die Hilfskraft in der Lage ist, eine Aufgabe sicher auszuführen, und diese wie geplant durchgeführt hat – und wenn nicht, sie darauf ansprechen, warum es nicht passiert ist.
5. Auf hochkompetente Pflegefachpersonen setzen
Den Pflegefachpersonen kommt im Einsatz von Assistenz- und Hilfspersonal eine Steuerungsfunktion zu. „Diejenigen, die das machen, müssen fachlich und kommunikativ richtig gut sein. Dafür braucht es Fachkräfte, die top ausgebildet sind“, betont Huhn. Der erste Schritt, um eine sichere und qualitativ hochwertige Pflege zu gewährleisten, sei deshalb, die Pflegefachkräfte so zu qualifizieren, dass sie die Hilfskräfte gut und fachlich korrekt anleiten können. Oft herrsche auch in Pflegeeinrichtungen noch die Haltung: Pflegen kann jeder. „Qualität wird leider noch zu oft daran bemessen, wie viele Menschen morgens gewaschen worden sind“, sagt Huhn.
6. Kollegiale Kommunikation fördern
In der Altenpflege sind viele Austauschmöglichkeiten rationalisiert worden. „An der Übergabe nehmen oft nur noch die Pflegefachpersonen teil, viele Besprechungszeiten wurden gekürzt“, sagt die Beraterin Heike Jurgschat-Geer. „Unter dem Personalmangel wurde die kollegiale Kommunikation immer weiter reduziert, mit der Folge, dass es kaum noch Vernetzung und fachlichen Austausch im Team gibt.“ Aus diesem Grund sei es wichtig, die Pflegefachkräfte in Kommunikation und Anleitung zu schulen: Wie können Assistenz- und Hilfskräfte auf Augenhöhe unterstützt werden? Wie sieht eine kollegiale Beratung aus? Wie kann eine gute Kommunikation gelingen, wenn die Teammitglieder unterschiedliche Kompetenzbereiche haben? Wie äußere ich konstruktiv Kritik? „Es muss wieder gelingen, über das Normale und Alltägliche zu sprechen. Sonst sind zwar sechs Leute im Dienst, aber jeder macht sein eigenes Ding.“
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7. Tätigkeit der Hilfskräfte wertschätzen
Die Arbeit der Pflegehilfskräfte sollte über alle Ebenen hinweg gesehen und wertgeschätzt werden. Viele Helferinnen verrichten ihre Aufgaben mit Arbeitsstolz und Akribie. „Wenn das nicht gesehen wird, verletzt das einzelne Personen und verhindert, dass sich ein echtes Teamgefühl entwickeln kann“, sagt Jurgschat-Geer. Dann entstehen schnell Subhierarchien, und Fach- und Hilfskräfte bilden ihre eigenen Gruppen. „Qualifikation hat nichts mit Wichtigkeit zu tun. Das Zusammenspiel führt zu einem guten Ergebnis – allein das ist der entscheidende Punkt.“
Autorin: Brigitte Teigeler