Bernd Bogert war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende vergangenen Jahres 36 Jahre lang Geschäftsführer der St. Gereon Seniorendienste gGmbH in Hückelhoven-Brachelen. Er kennt also die Sachzwänge der Träger, er weiß, dass ein außerordentliches Gehalt bei den meisten Altenpflegeheimen und Krankenhäusern nicht zu holen ist. Doch für ihn wie für den Great-Place-to-Work-Botschafter Stefan Borgelt steht fest: Das Recht der Menschen „auf ganz persönliches Glück“ gilt es im Betrieb anzuerkennen.
Gibt es Tarifgehalt, flexible Arbeitszeit, zusätzliche Sozialleistungen?
Die St. Gereon Seniorendienste würden die Menschen bei ihrem Streben nach diesem Glück stets unterstützen, betont Bogert. Sei es, dass man hochflexibel bei den Arbeitszeiten sei, was gerade den doppelt- und dreifachbelasteten Müttern entgegenkomme, sei es, dass man Gehälter nach Tarif zahle. Auch biete man zusätzliche Sozialleistungen. Diese Punkte sollten Bewerber im Vorstellungsgespräch also ruhig im Blick haben und erfragen: Was ist, wenn ich mal nicht pünktlich zur Arbeit kommen kann, weil mein Kind verschlafen hat? Wie flexibel ist der Arbeitgeber? Kann ich mal früher kommen oder gehen? Gibt es eine Vertrauensarbeitszeit oder wird mit der Stechuhr gearbeitet? Hier offen Fragen zu stellen zeugt von Realitätssinn, Weitsicht und Verantwortungsbereitschaft. „Ein sehr guter Arbeitgeber unterscheidet sich durch unbürokratische Regelungen als Alleinstellungsmerkmal“, sagt auch Stefan Borgelt, Leiter Fachbereich Gesundheit und Soziales bei „Great Place to Work Deutschland“ in Köln.
Wird ein Studium oder eine Weiterbildung bezahlt?
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Auch darf und muss der Bewerber fragen, wie es um Weiterbildung im Betrieb bestellt ist. Unterstützt die Einrichtung mich bei der gewünschten Ausbildung zur Pflegedienstleitung auch dann, wenn gerade keine Stelle im Unternehmen frei ist? Oder wird sie nur tätig, wenn sie gerade eine Stelle besetzen will? Unterstützt das Unternehmen auch ein berufsbegleitendes Studium der Pflegewissenschaft, ohne nach der konkreten und unmittelbaren Verwendung desselben zu fragen? „Im Bildungsmanagement nicht nur berufliche, sondern auch persönliche Weiterbildung zu fördern, ist ein wichtiger Schritt hin zur guten Arbeitsplatzkultur“, sagt Bogert. Darauf zu achten, könnte sich für den Bewerber also persönlich sehr lohnen.
Schwul, lesbisch, geschieden? Egal!
Ob ein Unternehmen respektvoll mit seinen Mitarbeitern umgehe, zeige sich auch darin, ob es unerheblich sei, schwul, lesbisch, gepierct, geschieden oder sonst was zu sein. „Nicht trotz, sondern wegen unserer christlichen Ausrichtung arbeiten all diese Menschen bei den St. Gereon Seniorendiensten“, sagt Bogert und zählt Respekt und Barmherzigkeit zu wesentlichen Faktoren eines guten, vertrauensvollen Arbeitsklimas. Gute Qualität in der Pflege hänge längst nicht davon ab, ob die Mitarbeiter das Abitur hätten oder nicht. Wichtiger sei vielmehr, dass sie „eine positive Haltung zu sich selbst und zu anderen“ mitbrächten. Umgekehrt darf aber auch der Bewerber auf eine respektvolle Haltung des Betriebs den Mitarbeitern gegenüber achten und gern danach fragen.
Dürfen Sie die Unternehmenskultur testen?
Weniger wichtig als das Gehalt sei den meisten Bewerbern die Qualität der Beziehungen am Arbeitsplatz, sagt auch Borgelt. Die Freude an der Arbeit mit Kollegen, die Wertschätzung der Arbeit, ein gesundes, faires, Betriebsklima ohne Mobbing sei vielen Bewerbern ein ganz zentrales Anliegen. Altenpflegeheime und Krankenhäuser sollten deshalb unbedingt ihre Unternehmenskultur vorstellen, und die Bewerber dürfen ruhig danach fragen. Manche Unternehmen geben den Bewerbern sogar die Möglichkeit, sich unbeobachtet von den Personalverantwortlichen mit künftigen Kollegen auszutauschen. „Extrem punkten“ kann, wer sich als Arbeitgeber positive Veränderungen für die Zukunft vorgenommen hat.
Gibt es Geld für Hund oder Sportschuhe?
Gesundheitsförderung ist ebenfalls ein Thema, mit dem ein Betrieb sich hervortun kann und auf das der Bewerber achten darf. St. Gereon überweist jedem Mitarbeiter einmal im Jahr 120 Euro, wenn er sich nachweislich etwas gesundheitlich Gutes getan hat: Das kann die Anmeldung im Sportverein sein, eine Raucherentwöhnung, die Anschaffung neuer Laufschuhe oder auch die eines Hundes. Daneben gibt es betriebliche Entspannungsangebote wie Yoga, afrikanisches Trommeln, Rückenschule, Lauftreffe, Shiatsu, Zumba und geförderte Mitgliedschaften im Fitness-Studio. Gezielt nach solchen Möglichkeiten im Bewerbungsgespräch zu fragen, ist also durchaus ratsam.
Geht der Betrieb ehrlich mit Mitarbeiterbefragungen um?
„Kontraproduktiv hingegen ist, Mitarbeiterbefragungen mit unerwünschtem Ergebnis in der Schublade verschwinden zu lassen“, warnt Borgelt. Erfährt der Bewerber im Nachhinein davon, dass man ihm etwas vorgegaukelt oder verschwiegen hat, droht das Arbeitsverhältnis nachhaltig beschädigt zu werden. Insofern kann und sollte der Bewerber ruhig nach solchen Mitarbeiterbefragungen fragen. Das zeugt auch von hohem Interesse an und Engagement für ein gutes Arbeitsklima. „Gute Arbeitsverhältnisse bedeuten automatisch auch gute Pflege“, ergänzt Bogert. Daran sollte schließlich jeder Einrichtung gelegen sein.
St. Gereon – eine Einrichtung, die keine Werbung braucht
St. Gereon ist der größte Pflege-Ausbildungsbetrieb in Nordrhein-Westfalen. Auf 90 Pflegefachkräfte kommen hier 200 Auszubildende. Die Azubis bekommen pro Monat 1000 Euro, die Anfangsgehälter der ausgelernten Pflegekräfte liegen bei 2650 Euro plus Weihnachtsgeld. Praktisch alle Pflegefachkräfte wurden im Haus ausgebildet, der Ansturm auf die Ausbildungsplätze sei groß, sagt Bogert. Man sei in der Gegend „ein Mythos“. Auch ohne Werbung träfen jede Woche zwei bis drei Bewerbungen ein, bestätigt Gerd Palm, der die Nachfolge Bogerts auf dem Chefsessel angetreten hat. Die angenehme Arbeitsplatzkultur in Brachelen scheint sich eben herumgesprochen zu haben.
Autorin: Birgitta vom Lehn
Dieser Artikel erschien zuerst am 14.08.2018, er wurde am 07.09.2020 aktualisiert.