Wann waren Sie das letzte Mal so richtig stolz darauf, eine Pflegefachkraft zu sein? Wie oft haben Sie es für sich bereut, eine Pflegefachkraft zu sein? Augenblicklich, so scheint es, überwiegt oft die Reue. Der Beruf wird zu einer immer größeren Herausforderung, angefangen bei den miesen Rahmenbedingungen bis hin zur oft fehlenden Anerkennung. Als wäre das nicht schon schlimm genug, sind vielerorts Pflegefachkräfte damit beschäftigt, die Umstände zu beklagen, sich als Opfer zu sehen und sich genauso zu verhalten. Damit verpufft gerade die Energie, die gebraucht würde, um echte Veränderung zu bewirken. Das ist offenbar nichts Neues: Die Krankenschwester Agnes Karll (1868 - 1927), Pionierin der Professionalisierung der Pflege und Gründerin des ersten Berufsverbandes für Pflegeberufe, sagte damals bereits „Wer soll denn unseren Beruf aufbauen, wenn wir es nicht selbst tun! Wir haben gar kein Recht zu verlangen, dass andere das tun .“
Pflegekräfte sollten über ihr Wissen und ihre Kompetenzen sprechen
Das Zitat ist nach wie vor hochaktuell. Heute muss es wohl eher heißen, wer soll die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege vorantreiben, wenn es die Pflegeprofis nicht selbst tun? Warum sind Pflegefachkräfte selten stolz auf ihre Profession? Warum erzählen sie nicht, welche hohe berufliche Qualifikation sie besitzen, welche komplexen Situationen sie stemmen, wie schnell sie Entscheidungen treffen müssen und auch können, wie vielen Patienten sie schon entscheidend und professionell geholfen haben, sowohl fachlich als auch psychisch? Wenn Pflegefachkräfte viel mehr darüber reden würden, was sie in ihrer Schicht alles geschafft haben, was könnte sich dadurch verändern?
Schluss mit der ewigen Das-bringt-doch-eh-nichts-Leier!
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In der Theorie ist das sicher vielen Pflegefachkräfte klar. Dennoch verharren viele in der Haltung und Argumentation, man könne ohnehin nichts ändern, wann solle man sich denn auch damit noch beschäftigen, die „da oben“ interessierten sich sowieso nicht für einen und nach Feierabend wolle man nur noch seine Ruhe haben, der Job sei schon schlimm genug. Traut sich dann mal eine Kollegin oder ein Kollege aus der Deckung, weil sie oder er echte Lösungsideen hat, scheitern diese meist am eigenen Kollegenkreis.
Das bringt definitiv nichts: Den Pflegeberuf schlecht zu reden
Ein Teufelskreis: Die Profession Pflege redet sich selbst intern und extern schlecht, erzählt überall davon, was nicht gut läuft und wundert sich im selben Atemzug darüber, dass es keinen Nachwuchs gibt und auch sonst viele Berufsausteiger zu beklagen sind. Fort- und Weiterbildungen werden als lästige Zeitverschwendung empfunden, im Berufsverband möchte man schon gar nicht aktiv sein, weil auch das nichts bringe.
Jammern raubt Energie - das sollten wir nicht zulassen
Ist das so? Bringt persönliches (berufspolitisches) Engagement wirklich nichts? Sicher ist es schwierig, als Einzelkämpfer die Welt der Pflegefachkräfte nachhaltig zu verändern. Das ist ermüdend und aussichtslos. Was jedoch deutliche Zeichen nach innen und außen wären: die Bündelung der Kräfte durch gemeinsame Aktionen.
Stellen Sie sich vor, all die Energie, die momentan ungenutzt auf der Strecke bleibt und überwiegend in Ohnmacht und Lösungslosigkeit gesteckt wird, wird dazu verwendet, sich dafür zu engagieren, dass es für die Profession Pflege endlich nachhaltig die Veränderungen gibt, die längst überfällig sind, wie bessere Rahmenbedingungen, weniger Zeitdruck und vor allem ausreichend Pflegefachkräfte. Wer muss es tun? Und wie kann es konkret gehen?
Negative in positive Energie verwandeln - wie geht das?
Ein erster Schritt in die Richtung ist die eigene Standortbestimmung:
- Sind Sie „eigentlich“ gerne Pflegefachkraft? Wenn Sie das mit „Ja“ beantwortet haben, fragen Sie sich für sich selbst, was Sie gerne anders haben möchten, um Ihren Beruf so ausüben zu können, dass Sie mit Freude dabei sind. Am besten schreiben Sie das alles auf ein Blatt Papier. Natürlich können Sie aufschreiben, was alles nicht passt. Fragen Sie sich dabei bitte direkt, was Sie statt dessen möchten und was Sie zu der gewünschten Veränderung beitragen können. Viele Pflegefachkräfte halten das derzeitige System übrigens mit ihrem unermüdlichen Einsatz am Laufen. Sie springen ein, sie arbeiten länger, sie sagen ungern „Nein“, wenn es notwendig wäre.
- Fragen Sie sich nun weiter, welche äußere Unterstützung zu der gewünschten Veränderung notwendig ist. Fangen Sie an, sich mit Berufspolitik zu beschäftigen. Ein großer Verband für beruflich Pflegende ist zum Beispiel der DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe), dessen Grundstein Agnes Karll gelegt hatte.
- Trauen Sie sich, auf die guten Seiten des Pflegeberufes zu schauen und verteidigen Sie Ihre Profession. Wer stolz auf seinen Beruf ist, agiert mit einer aufrechten Haltung und hat mehr Energie, notwendige Veränderungen einzufordern. Leider geben viele zu schnell auf, wenn sich Veränderungen nicht schnell genug einstellen wollen. Da ist natürlich viel hartnäckiges Durchhaltevermögen gefragt.
- Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, Kolleginnen und Kollegen aus dem direkten Umfeld dafür zu gewinnen, an Veränderungen mitzuwirken. Sich mit vertrauten Menschen berufspolitisch zu engagieren, macht von vornherein mehr Spaß.
- Man muss sich keinesfalls mit der Situation in der Pflege abfinden, wie sie derzeit ist. Wovon man sich als Berufsgruppe jedoch unbedingt verabschieden muss, ist die Illusion, dass andere es richten würden, um die Pflegefachkräfte aus ihrem Elend zu retten und dass es ohne eigenes Engagement der Pflegefachkräfte selbst Veränderungen geben wird. Fangen Sie an, das einzufordern, was Ihnen als hochqualifizierte Pflegefachkraft zusteht. Sie müssen nichts aushalten. Trauen Sie sich, unbequem und rebellisch zu sein. Bündeln Sie Ihre Energien. Wenn die Opfer- oder Jammerfalle wieder zuschlagen will, halten Sie inne und leiten Sie die Energie um in Lösungsstrategien. Die Zeiten sind günstig, Forderungen zu stellen. Wenn Sie selbst eher nicht so der rebellische Grundtyp sind, können Sie die Personen unterstützen, die mutig vorangehen. Der beste Zeitpunkt, damit anzufangen, ist jetzt.
Autorin: Silke Wüstholz (Foto unten)