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Patientensicherheit

5 Kommunikations-Tipps, die Patientenleben schützen

Vielleicht ist es schwerer, schlechte Kommunikationsgewohnheiten aufzugeben als Süßigkeiten oder Zigaretten. Kommunikationswissenschaftlerin Annegret Hannawa erklärt, wie es trotzdem klappen kann.

Wenn Patienten (beinahe oder tatsächlich) zu Schaden kommen, dann liegt das in bis zu 80 Prozent der Fälle an unzureichender Kommunikation. Ein Beispiel: Botschaften verändert sich, wenn sie an Dritte und Vierte übermittelt wird. Es stellt sich der typische Stille-Post-Effekt ein mit manchmal verheerenden Folgen.

Es gibt tatsächlich so viele Arten von Kommunikationsfehlern, dass sich die Frage stelllt, ob sie sich grundsätzlich verhindern lassen. Annegret Hannawa sagt: Ja, sofern man bereit ist, seine Kommunikationsgewohnheiten zu überdenken.

Die Kommunikationsexpertin leitet aus über Tausend Schadensfallanalysen fünf evidenzbasierte „Kernkompetenzen für eine sichere Kommunikation“ ab – und fasste diese unter dem Titel „SACCIA“ (Sufficiency, Accuracy, Clarity, Contextualization, Interpersonal Adaptability) zusammen:

1. Suffizienz (Sufficiency)

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Eine ausreichende Informationsmenge verbal und nonverbal ermitteln und vermitteln

Das kann in der Praxis bedeuten:

  • per Telefon sicherstellen, dass eine Nachricht angekommen und wie beabsichtigt verstanden worden ist
  • dafür sorgen, dass alle Beteiligten eine wichtige Information (etwa „Gefahr der Nachblutung“) erhalten und verstanden haben
  • sich vergewissern, dass die elektronische Patientenakte auf dem neuesten Stand ist

2. Richtigkeit (Accuracy)

Die Information akkurat verfassen und sicherstellen, dass sie korrekt verstanden wurde

Das kann in der Praxis bedeuten:

  • nachhaken (etwa bei einer Dosierung), um sicherzustellen, dass das Verständnis einer empfangenen Nachricht korrekt ist
  • die Kommunikation mit Ärzten und Kollegen als Validierungsprozess verwenden – etwa übermittelte Medikamenten-Anordnungen wiederholen, um sicherzustellen, dass der Patient auch wirklich das richtige Medikament bekommt

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz (Ausgabe #12)

Pflegemagazin-rlp - Das Magazin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz

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3. Klarheit (Clarity)

Kurz innehalten und sich fragen: Wurde präzise kommuniziert und wurden Unklarheiten aus dem Weg geräumt?

Das kann in der Praxis bedeuten:

  • wenn der Patient sagt, diese oder jene Tablette dort in der Medikamentenbox hätte er noch nie bekommen, in der Kurve nachschauen, eventuell Rücksprache mit Kollegen oder der Ärztin halten.
  • bei Anordnungen, die einem merkwürdig und nicht plausibel scheinen, nachfragen, Zweifel offen äußern
  • Augen und Ohren für eventuelle Zweideutigkeiten offenhalten

4. Kontextbezug (Contextualization)

Die gesamte Situation in den Blick nehmen, prüfen, ob es ein gemeinsames Verständnis gibt, Hierarchien sensibel begegnen

Das kann in der Praxis bedeuten:

  • dem Patienten auch nonverbal das Gefühl geben, dass er sich jederzeit äußern kann
  • auf Nachfragen und Hinweise von Kollegen, Mitarbeitern und Patienten offen reagieren, damit sie motiviert sind, Unklarheiten anzusprechen (Stichwort „Speak up“)
  • darauf achten, dass die eigene Kommunikation klar und nicht zweideutig ist
  • prüfen, ob Zeitpunkt und Umgebung für die Kommunikation passen oder ob sie eine einheitliche Verständnisfindung beeinträchtigen - etwa: Dem Patienten nicht wichtige Informationen übermitteln, wenn er erst kürzlich aus der Narkose erwacht ist
  • kulturelle Differenzen als Barriere erkennen und aus dem Weg räumen, um ein einheitliches Verständnis zu finden

5. Zwischenmenschliche Anpassung (Interpersonal Adaption)

Auf kognitive oder emotionale Bedürfnisse des Gegenübers eingehen, um ein einheitliches Verständnis sicherzustellen

Das kann in der Praxis bedeuten:

  • langsamer sprechen, wenn der Gesprächspartner offenbar Schwierigkeiten hat, den Informationen zu folgen
  • schlechte Nachrichten erst einmal „verdauen“ lassen und Unterstützung anbieten
  • auf emotionale Bedürfnisse eingehen, etwa bei Tränen einfühlsam reagieren und ein Taschentuch reichen

In Annegret Hannawas Buch „SACCIA – sichere Kommunikation“ (De Gruyter) erfahren Sie mehr über typische Kommunikationsfehler und die klassischen Fehlannahmen, die unter Ärzten und Pflegekräften zum Thema Kommunikation kursieren (Mythen der Kommunikation). 36 echte Fallbeispiele machen Hannawas Typologie der Kommunikationsfehler plausibel.

Wer es kürzer mag: In einem You-Tube-Video gelingt es der Kommunikationsexpertin ihren Ansatz in weniger als zwei Minuten zu erklären

Autorin: Kirsten Gaede

Illustration: Andrea Wiedermann

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