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Pflegestandard

4 Tipps um Mitarbeiter von Standards zu überzeugen

Mitarbeiter sind selten begeistert, wenn es ans Umsetzen von Expertenstandards geht. Erfahren Sie, wie Führungskräfte dies ändern können

Danach bleibt nichts mehr, wie es war: Hat sich eine Einrichtung erst einmal entschlossen, die nationalen Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) strukturiert umzusetzen, wird Altbekanntes auf den Kopf gestellt, werden Traditionen, Rituale durcheinandergewirbelt. Das zumindest sagen Sandra Masemann und Barbara Messer, Autorinnen des Buches „Standards für wahre Experten“. In dem Ratgeber erläutern die beiden Trainerinnen für pflegerische Themen, wie Pflegekräfte und -anbieter mit Expertenstandards und Verfahrensanweisungen umgehen können – und sogar davon profitieren.

Anfangs ist die Trägheit groß

„Gewohnte Abläufe, überkommene Strukturen und verkrustete Unternehmenskulturen kommen durch Expertenstandards auf den Prüfstand“, so ihre Erfahrung. Trotzdem – oder auch gerade deshalb herrsche unter den Pflegekräften, die die Fortbildungen der beiden Trainerinnen absolvieren, anfangs eher mäßige Begeisterung, wenn es um die Umsetzung der Standards geht: Viele Teilnehmer seien nur „widerwillig bereit“, sich damit zu beschäftigen. Denen machen die zwei Beraterinnen – die eine gelernte Pflegeassistentin, die andere Altenpflegerin mit einem Bachelor in Business Administration – bewusst, dass

  • selbst die kleinste Behandlungspflege durch Standards gewinnt
  • sie Pflegekunden und Angehörigen Sicherheit verschaffen
  • sie die Qualität der Pflege erhöhen.

1. Tipp: Expertenstandards individuell anpassen

Grundsätzlich gilt: Die nationalen Expertenstandards sind keine Pflege- oder Handlungsanweisungen. Es ist an den Einrichtungen oder Pflegeanbietern, aus den Standards Verfahrensanweisungen für ihre Mitarbeiter zu entwickeln. Diese Anweisungen sollen deutlich machen, wie einzelne Abläufe aussehen und wie die Pflege an individuelle Situationen der Bewohner und Patienten angepasst werden kann.

Damit das gelingt, muss die Einrichtung oder der Anbieter ambulanter Pflege einige Vorkehrungen treffen:

  • Ein Qualitätsmanagementsystem etwa liefert ein gutes Fundament für die Etablierung der Standards
  • auch Checklisten, angepasste Überleitungsbögen und praktikable und kluge Pflegekundendokumentation helfen bei der Umsetzung.
  • Zu einer guten Vorarbeit zählt auch die schriftliche Wissensverbreitung: Viele Pflegekräfte bringen persönliches Erfahrungswissen mit – an sich ein wertvoller Schatz. Die Gefahr jedoch, so die Buchautorinnen: Neues oder Innovatives werde verhindert, man „weiß es ja aus Erfahrung besser.“ Gefahr Nummer zwei der Wissensvermittlung lauert im Stille-Post-Prinzip: In Informationen, die mündlich weitergetragen werden, können sich Fehler oder Ungenauigkeiten einschleichen. Deshalb gilt: die Originale der Expertenstandards unter die Leute bringen. „Am besten im Pflegedienst weit verbreiten, ausleihen und zusammen lesen“, so Masemann und Messer.

2. Tipp: Locker bleiben! Sprechen Sie nicht von Muss-Projekt und Pflicht

Bei der Umsetzung kommt es dann auch sehr auf die Kommunikation an: Natürlich könnte man die anstehende Umsetzung der Expertenstandards als ein Muss-Projekt ankündigen: „Das wird von uns erwartet, dann machen wir das jetzt.“ Ganz falsch, sagen die zwei Expertinnen: Besser, man spricht von „Qualitätssprung“, den die Einrichtung nun vollziehen würde, einer „Agenda 2020“, einer „Vision Zukunft“. „Erfinden Sie ein Motto für das Projekt der Umsetzung und lassen Sie es im Alltag lebendig werden!“, so ihr Rat. Statt trockener Arbeit sollte Kreativität mitklingen, Stolz und Freude.

3. Tipp: Schulung mit Tiefgang statt Express-Sitzungen

Zentrales Element der Standards, dessen Implementierung die Expertinnen als Führungsaufgabe sehen, sei ein sinnvolles Schulungskonzept. Umfassende Inhouse-Trainings seien fruchtbarer als hastige Sitzungen, in denen mal eben in einer Stunde das Thema Expertenstandards durchgehechelt werde.

Paritätischer Oldenburg-Ammerland macht’s vor

Als Beispiel nennen die Autorinnen die ambulanten Pflegedienste des Paritätischen Oldenburg-Ammerland, die sich an der Ausarbeitung des Ratgebers beteiligt haben. Hier wurden jedem Expertenstandard zwei Tage Schulung eingeräumt. „So konnten Inhalte, Transfer, pädagogische Tipps zu Schulungen, Fallbesprechungen, Verfahrensanweisungen und zur Dokumentation ausführlich dargestellt und diskutiert werden.“ Und nicht zu vergessen, so die Trainerinnen: Fortbildung signalisiert Wertschätzung.

4. Tipp: Auf leichteren Umgang mit Angehörigen verweisen

Schließlich gelte: Pflegequalität müsse gelebt werden statt einfach nur eingefordert. Eine – zugegeben – philosophisch anmutende Empfehlung, die aber mit Beispielen untermauert werden kann. „So ist etwa bekannt, dass Einflüsse des häuslichen Umfelds weitaus mehr auf den Pflegekunden wirken als manche Aussagen einer Pflegekraft“, schreiben Sandra Masemann und Barbara Messer. Umso wichtiger sei es, bei Interventionen oder Fallbesprechungen das Wissen aus den Standards anwenden zu können. „Bei haarigen Situationen, etwa wenn Angehörige auf einer Fixierung bestehen oder eine bedürfnisgerechte Ernährung ablehnen, ist das besonders hilfreich“, schreiben die Expertinnen. Auch bei Pflegevisiten könne das Wissen aus den Standards helfen, die Ergebnisqualität beim Pflegekunden zu erfassen und eine Evaluation zu ermöglichen.

Vielleicht braucht es also etwas Zeit, bis die Umsetzung stimmt, bis die Verfahrensanweisungen im Pflegealltag ankommen. Doch dann, da sind die Autorinnen sicher, zeigen sich bald alle Vorteile und Chancen. Und vielleicht sogar, auf Seiten der Belegschaft – ein bisschen Begeisterung.

Text: Romy König

Illustration: Götz Wiedenroth

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