35 Prozent der über 65-Jährigen wiesen Symptome einer Schlafstörung auf, sagt Diplom-Psychologin Prof. Dr. Vjenka Garms-Homolová. Pflegekräfte, die im Heim regelmäßig Nachtdienste übernehmen, kennen das Problem, dass Bewohner keine Ruhe finden. Und sie wissen meist auch aus eigener Erfahrung, wie sehr schlechter Schlaf körperlich und seelisch zermürbt – weil wechselnde Schichten und Nachtarbeit ihren eigenen Schlaf-wach-Rhythmus aus dem Takt bringen.
Medikamente helfen allenfalls kurzfristig, bei Menschen mit Demenz sind Psychopharmaka sogar oftmals kontraindiziert. Doch es gibt wirkungsvolle Alternativen, um die Nacht im Heim für Bewohner und Pflegekräfte so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Buch Nicht-medikamentöse Interventionen bei Schlafstörungen (Schlütersche, 2021) zeigt, wie es geht: Ute Bogatzki, Altenpflegefachkraft und Expertin für Schlafmedizin, und Alexander Bogatzki, ebenfalls Altenpflegefachkraft und Praxisanleiter, liefern Tipps von „A wie Aromatherapie bis Z wie Zubettgehen-Rituale“.
1. Sieben bis acht Stunden Schlaf sind ideal
„Lange Zeit ging man davon aus, dass ältere Menschen weniger Schlaf benötigen. Fünf bis sechs Stunden schienen ausreichend. Dies ist widerlegt, und man geht inzwischen von einer Gesamtschlafzeit von sieben bis acht Stunden aus“, räumen die Autoren mit einem gängigen Irrtum auf. Der Schlafbedarf ist damit genauso hoch wie bei den meisten gesunden Erwachsenen – über den Tag gerechnet zählt aber zum Beispiel auch die Mittagsruhe zur Gesamtschlafzeit.
2. Schlaftabletten fast immer kontraindiziert
Dass Pflegebedürftige eine Schlafstörung entwickeln, hängt häufig mit einer chronischen Erkrankung zusammen. So können beispielsweise Morbus Parkinson, das Restless-Legs-Syndrom, Herzinsuffizienz, Schlafapnoen, nächtlicher Harndrang, Schmerzen oder auch Depressionen das Ein- oder Durchschlafen erschweren.
Und schon die Vielzahl der möglichen Ursachen macht klar: Schlafprobleme der Bewohner sollten immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Absolut verfehlt sei dagegen das Ansetzen von Schlafmitteln – vor allem als Dauermedikation – ohne klare Diagnose, da sie ihrerseits den physiologischen Schlaf beeinträchtigen und so das Problem verschlimmern können.
3. „Sundowning-Syndrom“: Tagesstruktur und frische Luft helfen
Eine Demenz-Erkrankung macht besonders anfällig für Schlafstörungen. Sie verändert die Tiefschlaf- und REM-Phasen, bringt den Schlaf-wach-Rhythmus durcheinander. Pflegekräfte können gerade Menschen mit Demenz aber schon prophylaktisch unterstützen – noch bevor Schlafstörungen entstehen. Die Autoren raten, auf eine klare Tagesstruktur sowie eine ausreichende Tageslichtexposition zu achten. Ebenfalls wichtig: den Bewohnern ermöglichen, ihre individuellen Gewohnheiten beizubehalten. Diese Maßnahmen tragen auch dazu bei, das so genannte „Sundowning-Syndrom“ abzumildern: eine erhöhte Unruhe am Abend, die mit Umherlaufen, Rufen oder abwehrendem Verhalten einhergehen kann.
4. Rituale sind ideal, um zur Ruhe zu kommen
Zu den ausführlich dargestellten Handlungsmöglichkeiten in Nicht-medikamentöse Interventionen bei Schlafstörungen zählen die kognitive Verhaltenstherapie, die Aromapflege, der Einsatz von Wickeln und Auflagen, von Licht, Wasser und Akupressur, die Einrichtung eines Schlafzirkels oder eines Nachtcafés – sowie Rituale. Rituale eignen sich sehr gut, um die Schlafbereitschaft anzustoßen, und helfen auch Menschen mit Demenz.
Rituale geben Sicherheit, vermitteln Geborgenheit und schaffen damit die Voraussetzung, um zur Ruhe zu kommen. Dazu müssen sie „nicht einmal in einem tieferen Sinn verstanden werden“, schreiben die Autoren. „Wer als Kind regelmäßig am Gottesdienst teilgenommen hat, wird – selbst wenn er viele Jahrzehnte nicht in der Kirche war – noch (fast) alle Riten in der entsprechenden Reihenfolge befolgen. Ähnlich ist es mit den Ritualen, wenn es darum geht, ins Bett zu gehen.“
Um das zu verstehen, kann es ganz aufschlussreich sein, sich abends einfach einmal selbst zu beobachten: Wie bereiten wir uns auf die Nacht vor – was ist uns wichtig, wenn wir zu Bett gehen? Sich in ein Pflegeheim einzugewöhnen, sei eine sehr große und doch wenig beachtete Leistung, sagen Ute und Alexander Bogatzki. Umso mehr kann es zum Wohlbefinden der Bewohner – auch im Alltag – beitragen, ihre eigenen Rituale und Gewohnheiten zu erfragen und dann auch zu berücksichtigen.
Was Pflegekräfte tun können, um selbst besser zu schlafen
Die Autoren kommen aus der Praxis, aus der Altenpflege – und vergessen daher auch nicht, was Pflegekräfte täglich leisten. Ihre Tipps eignen sich genauso zur Selbstanwendung bei Schlafstörungen. Darüber hinaus widmen sie ein eigenes Kapitel der Selbstfürsorge – und erklären, wie Pflegekräfte die Nachtwache auch mit Blick auf die eigene Arbeitsentlastung sinnvoll strukturieren können, und worauf sie achten sollten, um wechselnde Dienste gut zu verkraften.
Autorin: lin
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Über die Autoren
Ute Bogatzki ist Altenpflegefachkraft, Praxisanleiterin, Pain Nurse, Gerontofachkraft, Heilpraktikerin und Expertin für Schlafkultur und Schlafmedizin. Alexander Bogatzki ist Altenpflegefachkraft, Pain Nurse und Praxisanleiter. Beide sind als Dozenten an einer Altenpflegeschule und in der Weiterbildung tätig.
Autorin: lin