Erfahrene Pflegefachkräfte sind für Krankenhäuser und Pflegeheime enorm wertvoll. Gerade in Zeiten der Personalnot können sie so manche Unwissenheit und Ungeschicklichkeiten von Ungelernten und Berufsanfängern kompensieren. Doch anzumerken ist Arbeitgebern selten, dass sie Berufserfahrung schätzen. Viele reagieren nur mit Schulterzucken, wenn langjährige Mitarbeiter kündigen, sie fragen nicht einmal nach den Gründen.
Ist Erfahrung ein Grund für große Sprünge beim Gehalt?
Auch am Gehalt sich zeigt sich kaum, dass Kliniken und Pflegeheime Berufserfahrung zu schätzen wissen. Das macht eine aktuelle Befragung der Personalvermittlung und Zeitarbeitsfirma doctari deutlich, auf die rund 2.600 Pflegekräfte (Altenpflege und Krankenpflege) verschiedener Fachrichtungen und Regionen zwischen Oktober 2020 und Oktober 2022 antworteten: Im ersten Berufsjahr werden durchschnittlich 37.200 Euro gezahlt, im zweiten bis vierten Jahr steigt der Bruttolohn auf 39.689 Euro. Nach fünf bis neun Jahren sind es 42.000 Euro, wer über zehn Jahre als Pflegekraft arbeitet, landet bei 46.200 Euro. Das sind nach zehn Jahren gerade mal 6.501 Euro brutto mehr Jahresgehalt.
Nun ließe sich einwenden, Berufsjahre seien nicht in jedem Fall ein Qualitätsmerkmal. Manch junge engagierte, sich stetig fortbildende Pflegekraft mag es demotivieren, wenn ihre 20 Jahre ältere Kollegin bedeutend mehr verdient – nur, weil sie länger im Beruf ist, stets aber nach der Devise „Wissen auffrischen? Verantwortung übernehmen? Nein, danke!“ arbeitet.
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Traurig: Zum 25-jährigen Jubiläum gibt’s nach Tarif 350 Euro
Die Idee von Andrea Schmidt-Rumposch könnte hier einen Kompromiss darstellen. Die Pflegedirektorin und Vorständin der Uniklinik Essen schlägt vor, die Betriebszugehörigkeit viel stärker ins Spiel zu bringen – und zwar richtig institutionalisiert im Tarifvertrag. „Die Prämie sollte dann mehr als eine Feier und 350 Euro sein: ein wirklich deutlicher Zuschlag, mit dem sich eventuell auch schon ein kleiner Urlaub finanzieren lässt.“ So würde die Prämie zu einem echten Personalbindungsinstrument: Pflegekräfte, die sich ihrem Jubiläumsjahr nähern, würden sich bei einer soliden Prämie sicherlich zweimal überlegen, ob sie zu einem anderen Träger wechseln.
„Ich glaube, dass eine richtig gute Prämie auch gegen die Abwanderung zu den Zeitarbeitsfirmen hilft“, sagt Andrea Schmidt-Rumposch, die gerade zur Pflegemanagerin des Jahres gekürt wurde – die Begründung des Bundesverband Pflegemanagement, der den Preis auf dem Pflegekongress Ende Januar in Berlin verliehen hat: „Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind für Andrea Schmidt-Rumposch keine leeren Worthülsen, sondern Treiber einer zukunftssicheren Pflegepraxis.“
Noch wirksamer würde die Prämie, meint die Pflegedirektorin, wenn die Arbeitgeber sie erstmals nach fünf Jahren auszahlten – und dafür auch in den Tarifverträgen die nötigen Voraussetzungen getroffen würden, denn in Tarifverträgen der Unikliniken (TV-L) und der kommunalen Krankenhäuser ist die Betriebszugehörigkeitsprämie erst nach 25 Beschäftigungsjahren vorgesehen.
Auch für junge Pflegekräfte attraktiv: Prämie nach fünf Jahren
„Was bedeutet es denn für eine 23-Jährige mit dreijähriger Betriebszugehörigkeit, wenn ich ihr sage: Warten Sie bis Sie 45 sind, dann bekommen Sie eine richtig schöne Prämie für Ihre Betriebszugehörigkeit? Aber mit 25 die Prämie zu erhalten – das kann sie sich vorstellen, es scheint erreichbar. Das begreift sie als reelles Angebot, auf das sie sich einlassen kann.“
Wo das Geld für die Prämien herkommen soll? Zahlreiche Träger zahlen Abwerbe-Prämien, Willkommensprämien und Prämien für Mitarbeiter, die neue Mitarbeiter werben. Kämen diese Prämien den schon länger im Haus arbeitenden Kollegen zu, würden mehr Erfahrene bleiben und Neuanwerbungen über Prämien (zum großen Teil) überflüssig. Die Langgedienten würden nicht nur wegen der attraktiven Summe bleiben: Auch, weil sie sich wertgeschätzt fühlen und spüren, dass ihr Arbeitgeber sie nicht als grauen Bestand betrachtet, sondern als Mitarbeiter, für die es sich lohnt, den Roten Teppich auszurollen – so wie es allzu oft nur bei neuen Mitarbeitern passiert.
Autoren: Kirsten Gaede/Hans-Georg Sausse
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